Artikel

Von Wasserrauschern und Naturtönen
anthos

Die Landschaftsarchitektur bediente sich in der Vergangenheit zur Inszenierung der landschaftlichen Gärten ganz selbstverständlich auch akustischer Mittel. Äolsharfen und Wasserfälle weckten­ die Neugier der Besucher und lockten sie in abgeschiedene Gartenteile.

14. September 2014 - Kilian Jost
Bisherige Ergebnisse legen nahe, dass Gartenbilder der romantischen Partien auf Publikationen der zeitgenössischen Alpenforscher und Schweizreisenden zurückzuführen sind, darunter Wasserfälle und die Teufelsbrücke in der Schöllenenschlucht, ein ehedem schwer zu überwindendes Hindernis auf der Route über den Gotthardpass.[1] So kann ein durch die Schweiz-Rezeption beeinflusster Kanon von Versatzstücken zur Staffage Nordischer Gärten und Schweizer Partien extrahiert werden.

Überraschend ist die Entdeckung einer Vorliebe für die akustische Ausstattung der Felsszenerien. An mehreren landschaftlichen Gärten aus dem Zeitraum zwischen 1790 und 1850, insbesondere bei Burgruinen oder Grotten, lässt sich das Vorhandensein einer oder mehrerer Äolsharfen belegen. Ihre «Zauber­musik» erklang beispielsweise in Wörlitz, Altenstein, Weimar und Ludwigslust; längliche Öffnungen zeugen von ihrem Einbau. Der bei Wind, Wetterumschwung oder Dämmerung ertönende mystische Klang stand für Trauer, Einsamkeit und Todessehnsucht.[2] Ihre reinen Intervalle – Naturtöne – sind ein Bruch mit den Hörgewohnheiten der gleichschwebenden, wohltemperierten Stimmung. Die «Geisterharfen» stehen für Rous­seaus «zurück zur Natur» auf musikalischem Wege.[3]

Hirschfeld widmete sich wiederholt den klanglichen Qualitäten des Wassers, «von dem leichten anmuthigen Geplätscher bis zu dem wildrauschenden Getöse» und empfahl «Wassergüsse» zu verstecken, damit sie nur hörbar aber nicht sichtbar seien.[4] Da die romantischen Partien zumeist in abgelegenen Gartenteilen lagen, wurden die Besucher akustisch zu diesen «Naturstaffagen» gelockt.

Entsprechend nannte Lenné seinen kleinen Wasserfall im Kurpark Bad Freienwalde «Wasserrauscher». Spezifische Prallsteine und punktuelle Resonanzkästen erzeugten oder verstärkten das Wasserrauschen. Im Schlosspark Eutin wirken die konkave Rückwand und ein Hohlraum nahe dem Prallstein des Grossen Wasserfalls resonanzverstärkend.[5] Für kleinere Wasserfälle schlägt Wörmann 1864 Resonanzkästen aus Holz oder Metall vor.

Sie werden unter dem Wasserspiegel eingebaut und mit kleinen Kieseln abgedeckt. Ähnlich einem Klavier kann im Innern des Kastens auch ein stehender Rahmen mit darauf gespannten (Metall-)Saiten angebracht werden, um den Schall besser zu übertragen.[6] Während Wasser in bewusst abgestufter Lautstärke die akustische Wegeleitung übernahm, verstärkte die Äolsharfe die Stimmung des Ortes. Die wild-romantischen Gartens­zenen aus Felsen, Grotten und Ruinen wurden durch akustische Elemente gezielt und wirkungsvoll mit ­einem eigenen Klangbild bereichert.


Anmerkungen:
[01] Jost, Kilian: Welche Landschaft sollen wir bauen? Ein Schweizer Motiv schreibt Gartengeschichte. Erscheint in: Hassler, Uta (Hg.): Felsengärten, Gartengrotten, Kunstberge – Motive der Natur in Architektur und Garten. München 2014, S. 80–102.
[02] Bumiller, Matthias; Wolff, Nathalie: Luftmusik – Über die Äolsharfe. Stuttgart 2003; Ilse Maltzan: Die Äolsharfe. In: Die Gartenkunst, Heft 2/1990. S. 258–269, hier S. 262.
[03] Jost, Kilian: «Dass Harmonie in der Natur tief gegründet (...) zeigt uns ganz besonders auch die Äolsharfe.» Eine vergessene akustische Ausstattung des frühen Landschaftsgartens. Erscheint in: Die Gartenkunst, Heft 2/2014.
[04] Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst, Bd. 2. Leipzig 1780. S. 85–130; S. 113–114.
[05] Vermutung von Dr. Hartwig Barg nach Auskunft Dr.-Ing. Margita M. Meyer, Landesamt für Denkmalpflege Schleswig-Holstein in einer E-Mail vom 25.3.2014, dokumentiert auf: http://bit.ly/1tztE0o (1.4.2014)
[06] Wörmann, Rudolf W.A.: Das Wasser und seine Verwendung in der Gärtnerei. Berlin 1864. S. 512.

teilen auf

Für den Beitrag verantwortlich: anthos

Ansprechpartner:in für diese Seite: Daniel Haidd.haid[at]fischerprint.ch

Tools:

Zeitschriften

anthos
Klang