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Im Glasturm
Neue Zürcher Zeitung

Coop-Himmelb(l)au-Ausstellung in Berlin

6. Januar 1999 - Claudia Schwartz
Sie kommen aus Wien und stellen sich gern gegen die Traditionen der Architektur: Wolf D. Prix, Helmut Swiczinsky und Partner – oder eben: Coop Himmelb(l)au. Wegen ihrer buchstäblich schrägen Entwürfe müssen sie sich des öftern den Vorwurf gefallen lassen, man könne ihre Projekte nicht bauen. Eine Ausstellung in der Galerie Aedes East in Berlin tritt den Gegenbeweis an und präsentiert realisierte und in Entstehung begriffene Projekte des österreichischen Architektenteams wie das im letzten Frühjahr eröffnete Ufa-Kinozentrum in Dresden (NZZ 7. 5. 98). Daneben wird eine «Wiener Trilogie» vorgestellt mit dem im September fertiggestellten SEG-Wohnturm in der Wiener Donau-City und den zwei im Bau befindlichen Projekten SEG- Wohnblock und GPA-Gasometer B. «Geplante Fertigstellung ist in den Jahren 2000 bzw. 2001.» Ihre Entstehung ist dokumentiert anhand von Skizzen, Entwürfen, Auf- und Grundrissen, Modellen und Photographien.

Die objekthaften Körperstudien in Serie lassen die Entwicklung der Form in dekonstruktivistischen Schritten erkennen. Dabei entstehen – ein typisches Merkmal der Konzepte von Coop Himmelb(l)au – spezifische Raumerlebnisse oft in Zwischenbereichen: in den vorgehängten Glasfassaden bei Wohnturm und Gasometer in Wien oder im hohen Foyer des Dresdner Kinokomplexes. Die transparenten Schichten wirken wie Häute, sie scheinen die Berührung mit der Umgebung geradewegs zu provozieren. Monofunktionale Kino- oder Wohnbereiche werden damit in den urbanen öffentlichen Raum zurückgeholt. In diesem Sinn ist der verschachtelte SEG-Wohnblock zu verstehen, als offen-differenzierte Gegenstrategie zur traditionellen und geschlossenen Wiener Blockrandbebauung.

Coop Himmelb(l)au arbeitet nach dem Leitsatz: «Alles, was funktioniert, ist schlecht. – Gut ist, was akzeptiert werden muss.» Wenn dieses Programm mit Solitären ein uniformes Umfeld belebt, mag das gutgehen. In der Konzentration einer monographischen Ausstellung allerdings hat das Postulat der Gegenstrategien auch etwas Angestrengtes. (Bis 20. Januar; Katalog 20 DM)

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Für den Beitrag verantwortlich: Neue Zürcher Zeitung

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