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Design Now. And then?
Design Now. And then?, Foto: Eichinger oder Knechtl
Design Now. And then?, Foto: Eichinger oder Knechtl
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Kreatives Potential ist hierzulande vorhanden – das zeigt nicht zuletzt die von Eichinger oder Knechtl vorbildlich zeitgemäß kuratierte Ausstellung „Design Now. Austria“. Fehlen nur noch förderliche Rahmenbedingungen. Ein Plädoyer.

3. April 1999 - Judith Eiblmayr
Nachdem die unbefriedigende Lage des Designwesens in Österreich über einen längeren Zeitraum hinweg kein Thema von nennenswertem politischem Interesse war, ließen gleich mehrere Initiativen in den letzten Monaten aufhorchen. Eine Ausstellung und zwei Symposien, von Kultur- und Wirtschaftspolitik organisiert, zeugten wieder einmal von der fallweisen Beschäftigung mit der Thematik.

Bei der Tagung design.forum 1999 wurde vom Wirtschaftsministerium in Zusammenarbeit mit dem Wifi Österreich zum Dialog zwischen Firmen und Designern geladen. Vorträge und Diskussionen signalisierten keinerlei Fortschritt in der österreichischen Designpolitik. Trotz eines von den zuständigen Politikern beteuerten Problembewußtseins, einer durchaus vorhandenen begleitenden Grundlagenforschung, eines verschärften Wettbewerbs durch den EU-Beitritt und einer funktionierenden Online-Designer-Datenbank des Museums für angewandte Kunst konnte dem Produktdesign als wesentlichem Wirtschaftsfaktor in den letzten zehn Jahren nicht zu mehr Bedeutung verholfen werden.

Design wird noch immer eher als „Produktkosmetik“ (Carl Auböck) verkannt denn als innovatives Instrument anerkannt, das es im Idealfall schafft, Funktionalität, Ästhetik, ökologische Verträglichkeit und wirtschaftlichen Erfolg in einem Produkt zu vereinen. Ein politisches Versäumnis nebst anderen besteht darin, daß in Österreich nach wie vor kein eigenes Designergesetz existiert, das Betätigungsfeld für professionelle Produktgestalter juridisch absichern würde.

Eine Begründung dafür könnte in jenem Statement zu finden sein, das auf dem unter etwas verwegen betitelten Symposion „Die organisierte Kreativität“ letzten Jänner gefallen ist: „In Österreich gehört Verschlafen zur Nationalidentität.“ Der Physiker Anton Zeilinger formulierte hiermit trefflich, woran die Anerkennung von Kreativarbeit in Österreich so oft scheitert.

So sehr den altbewährten Kulturprodukten aus der darstellenden und der bildenden Kunst gefrönt wird, so mißtrauisch werden kulturelle Neuentwicklungen beäugt. Diese Haltung fällt nicht nur der wissenschaftlichen Forschung auf den Kopf, sondern auch einer Kreativsparte wie dem Design, das sich notwendigerweise mit dem kritischen Hinterfragen bestehender Strukturen befaßt und neue Formen an die Erfordernisse letztgültiger Technologien anpassen sollte.

Wenn dieses kreative Potential nicht in seiner Wichtigkeit erkannt und weder von der Politik gefördert noch von der Wirtschaft in entsprechendem Maße genutzt wird, kann es leicht passieren, daß ein moderner oder auch modischer Trend „verschwitzt“ wird.

Eine erfreuliche, zeitgemäße Designoffensive stellt „Design Now.Austria“ dar, eine mobile Ausstellung, die in mehreren europäischen Städten Station machte beziehungsweise machen wird. Von der Kunstsektion im Bundeskanzleramt initiiert und nach Abhaltung eines geladenen Wettbewerbs beauftragt, wurde sie erstmals in Lissabon parallel zur Expo 98 gezeigt, was die hundert farbig trüben Wässerchen offizieller österreichischer Kulturidentität doch ein wenig aufklarte.

Die Kuratoren Gregor Eichinger und Christian Knechtl (das Architektenteam Eichinger oder Knechtl – EoK) nähern sich in ihrer Konzeption einem erweiterten Designbegriff an; in einem ähnlichen Sinn, wie Hans Hollein dies bei der von ihm 1976 für das „Cooper Hewitt National Museum of Design“ in New York gestalteten Eröffnungsausstellung „MAN transFORMS“ getan und in seinem Exposé folgendermaßen formuliert hatte: „Design wird dargestellt als die Art des Umgehens mit Situationen, Lebensumständen, und nicht nur als Beschäftigung mit dem Einzelobjekt.“

Auch Eichinger oder Knechtl geht es in ihrer Ausstellung nicht darum, Design als „gute Form“ zu präsentieren, sondern vielmehr als dem Menschen verinnerlichte kulturelle Lebensweise zu verstehen, als von ihm in eine leichter verständliche Welt der Objekte transformierte Rituale. Dementsprechend präsentieren sie auch Gestaltungsformen neuer Technologien – wie Homepages im Internet – und wollen „die mit der medialen Eroberung des digitalen Raumes einhergehende exponentielle Dimensionsvergrößerung des Begriffs Design“ kenntlich machen. Musik wird ebenso als raumbildender Faktor betrachtet wie weltbildprägende Erkenntnisse aus der Physik.

Trotzdem sind vorwiegend Gegenstände ausgestellt. Neben aktuellem Objektdesign finden sich Design-Ikonen, aber auch Manner-Schnitten-Packerl oder die mit allen vorstellbaren Sujets gefüllten Schneekugeln, die im Jahr 1900 in Wien erfunden wurden. Solche liebgewonnenen österreichischen Alltagsprodukte sind als „Design zum Mitnehmen“ bei einem Automaten käuflich zu erwerben.

Auch die Ausstellung selbst versteht sich als Produkt optimierten Designs – das graphische Konzept übergreift die Ausstellungsarchitektur und den Katalog. Als Wanderausstellung konzipiert, ist sie auf ein minimales Transportvolumen (ein Container) hin reduziert und in ihrer Form mit jeder Raumtypologie kompatibel, sei es nun eine aufgelassene Fabrikshalle wie in Lissabon (August 98), das Palais Harrach in Wien (November 98) oder das Museum für moderne und zeitgenössische Kunst in Prag (Jänner 99), eine „Kathedrale des Konstruktivismus“ (Eichinger oder Knechtl) von 1928.

Wer „Design Now.Austria“ als interessierter Besucher bisher versäumt hat, kann dies noch im Mai in Barcelona, im September in London nachholen. Das Versäumnis jedoch, das die politisch Verantwortlichen erzeugen, indem sie die unmißverständliche Aufforderung „Design Now!“ verschlafen, könnte zu einem bösen Erwachen für Österreichs Wirtschaft führen.

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