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Der Architekt in der Wüste
Neue Zürcher Zeitung

Zum Tod von Albert Frey

5. Dezember 1998 - Roman Hollenstein
Vor zwei Monaten durfte er noch die Eröffnung einer dem «Aluminaire House» gewidmeten Ausstellung im New Yorker Urban Center miterleben (NZZ 2. 10. 98) und am 18. Oktober seinen 95. Geburtstag feiern: der aus Zürich stammende Architekt Albert Frey. Nun wurde am Donnerstag bekannt, dass dieser avantgardistische Visionär am 14. November in seinem Haus im kalifornischen Palm Springs gestorben ist. Frey trat 1928, nach einem Architekturstudium am Technikum Winterthur, in Le Corbusiers Pariser Atelier ein, wo er an einer Ikone der Moderne, der Villa Savoye, mitarbeiten durfte. Angezogen vom Land der unbegrenzten Möglichkeiten, emigrierte er zwei Jahre später in die USA. Dort gelang ihm und seinem Partner Alfred L. Kocher 1931 mit dem aus Fertigelementen errichteten «Aluminaire» eine architektonische Sensation. Ähnlich wie der PSFS-Wolkenkratzer des Genfers William Lescaze in Philadelphia wurde es zu einer Inkunabel der modernen US-Architektur und fand als solche Eingang in die heute legendäre New Yorker Ausstellung «The International Style».

Ein erster Aufenthalt 1934 in Palm Springs sollte in Freys Leben eine schicksalshafte Wende einleiten: Er verliebte sich – wie einst Gide – in die Wüste und kehrte, nachdem er 1937–39 zusammen mit Philip Goodwin das neue MoMA in New York gebaut hatte, für immer nach Palm Springs zurück. In steter Auseinandersetzung mit der grossartigen Natur Südkaliforniens, forschte er an einer Bauweise für heisse Klimazonen. So ist sein erstes eigenes Haus, in dem er ausgehend von Le Corbusier und Mies van der Rohe zu einem eigenständigen, durch die lokalen Bedingungen geprägten Ausdruck fand, gleichzeitig ein einfaches «Shed» und eine durchdachte «Machine à habiter». Dieses mit seinem späteren, Ufo-artigen Aufbau futuristisch wirkende Gebäude, das John Lautners Space-Age-Architektur vorwegnimmt, vereinigte neuste technische Errungenschaften mit einer ökologischen Grundhaltung. Damit darf es als ein frühes Beispiel jenes «Touch the earth lightly» gelten, das heute etwa Glenn Murcutt in Australien zelebriert.

Frey und sein Compagnon John Clark bereicherten die Gegend um Palm Springs mit einer Vielzahl von Villen und öffentlichen Bauten, darunter Seilbahnstationen, Schulen, Krankenhäuser und ein Jachtklub. Beeinflusst von den «Case Study»-Häusern, errichtete Frey 1964 seine zweite eigene Villa. Diese schmiegt sich in die karge Berglandschaft und strebt – ähnlich wie gewisse Bauten Frank Lloyd Wrights – nach einer Verschmelzung von Innenraum und Natur. Nach diesem kühnen Wurf flachte das Spätwerk etwas ab. Die Hochglanzmagazine verloren allmählich das Interesse an dem alternden Guru, der sich mehr und mehr auf ein naturverbundenes Leben zurückbesann. Doch durfte Frey die Neubewertung seines Œuvres noch erleben: 1995 war eine zunächst in Kalifornien und New York gezeigte Retrospektive auch in der Schweiz zu sehen, wo er nun ebenfalls als ein wegweisender Vertreter der Moderne akzeptiert wurde. Vor wenigen Wochen feierte ihn dann die «New York Times» in einem grossen Porträt, und fast gleichzeitig erschien ein prachtvolles Album* zu seinen beiden eigenen Häusern in Palm Springs. Frey hätte auf Grund seiner grossen Begabung zweifellos eine führende Figur der internationalen Architekturszene werden können. Doch hatte er es vorgezogen, als regionaler Architekt zu wirken. Auch darin spiegelt sich letztlich etwas von seiner Grösse als Mensch und Künstler.

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