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Eislaufverein: Der Handel mit der Stadt
Der Standard

Im Herzen Wiens geht es um hohe Planwertgewinne, die an keinem Aktienmarkt zu realisieren sind. Deshalb wird alles, was den freien Handel mit der Stadt in dieser Immobiliensache behindert, rücksichtslos aus dem Weg geräumt.

9. Januar 2017 - Christoph Mayrhofer
Welchen Tsunami abweichende Ansichten zu Projekten mächtiger Stakeholder in Wien auslösen, ist erstaunlich. Da beschimpft der Projektkoordinator von Wertinvest („Architekten auf Abwegen“, Klaus Wolfinger im STANDARD vom 23. 12. 2016) die demokratisch gewählte Führung der Kammer der Architekten und Ingenieurkonsulenten („eine Gruppe Architekten“) als „abwegig“, „blind“ und „unwissend“, also jene, die im Gegensatz zu ihm ehrenamtlich arbeiten und mit dem Projekt keine Eigeninteressen verbinden.

Wenn Klaus Wolfinger mir, den er seit Jahren kennt, wider besseres Wissen auch noch unlautere Motive unterstellt, kann man ermessen, welch wunden Punkt wir berührt haben. Auch der Vorwurf, wir würden Fachbeiratsmitgliedern mangelnde Kompetenz vorwerfen, ist falsch. Der Fachbeirat ist als solcher völlig richtig und entsprechend hochkarätig besetzt. Allerdings dient er gemäß Baurecht der Beratung in Sachen Stadtentwicklung und nicht zur Entscheidung architektonischer Gestaltungsfragen wie der Beurteilung von Gebäudeproportionen. Seine Aufgabe ist auch bei einem einzelnen Bauvorhaben die Beurteilung der Übereinstimmung mit den Zielen der Stadtplanung und nicht deren architektonischer Qualitäten. Dafür wäre er tatsächlich falsch besetzt.

Worum geht es? Nach Jahrzehnten neoliberaler Ideologisierung der Gesellschaft wird nur mehr jenen Dingen ein Wert zugeschrieben, mit denen man Profit machen kann. Konsequenterweise wird damit auch die Stadt zu einer Handelsware. Der Profit besteht in der Differenz der Bebauungsregeln zum Zeitpunkt des Grundstückskaufs und denen nach Umwidmung. Solche Planwertgewinne können enorm sein, Summen, die mit keinem Aktiendeal erreichbar sind. Steht allerdings nur den Wenigen offen, die über die Potenz verfügen, diese Umwidmung auch durchzusetzen.

Wie weit Umwidmungen auf Verlangen in Wien bereits Realität geworden sind, zeigt nichts deutlicher als ein Investor, der, flankiert von Bürgermeister und Vizebürgermeisterin, ungehindert davon sprechen kann, durch die Umplanungswünsche des Fachbeirats Nutzfläche „verloren“ zu haben. Zu einem Zeitpunkt, wo die Umwidmung der Volksvertretung noch nicht einmal vorgelegt wurde. Reine Formsache also.

Eine „geordnete Stadtentwicklung“, wie sie das Gesetz an sich vorsieht, steht dieser Art des Handels mit der Stadt im Wege, wir legen die Grundsätze einer wünschenswerten Stadtentwicklung nicht vorab fest, sondern verhandeln von Fall zu Fall. Die von der Kammer geforderte vorausschauende Stadtplanung, die einzig das öffentliche Interesse mit jenem Privater austarieren kann, wird vom Planungsdirektor reflexartig als „Reißbrettplanung“ verunglimpft. Die Stadt wird damit vom demokratisch legitimierten Entscheidungsträger zum Handelspartner unter Stakeholdern, vom Organ hoheitlicher Verwaltung zum Träger privatrechtlicher Vereinbarungen degeneriert.

Die vom Planungsdirektor angeführten Konzepte sind tatsächlich zahlreich, man könnte fast sagen überbordend. Was allen gemeinsam ist: Sie sind rechtlich unverbindlich. Man könnte auch feststellen, die zunehmende Zahl an Konzepten korreliert mit deren zunehmender Beliebigkeit. Wie das aussieht, wenn die Fundamente der Stadtplanung unverbindliche Richtlinien statt verbindlicher Bebauungsbestimmungen sind, hat sich gezeigt: Enthält die Richtlinie an diesem Ort eine Ausschlusszone für Hochhäuser, ersetzt man sie kurzerhand durch eine neue, in der diese fehlt. Alles, was den freien Handel behindert, in diesem Fall jenen mit der Stadt, muss konsequent beseitigt werden.

Welche Bedeutung in diesem Deal dem Fachbeirat zugewiesen wird, zeigt sich, wenn man das Ergebnis einer von ihm geforderten Überarbeitung bereits einen Tag vor der Sitzung verkündet, in der er dieses Ergebnis beurteilt. Dass hier ein Fachgremium zweckentfremdet benutzt wird, liegt zumindest nicht ganz fern.

Eine Schlüsselrolle spielt die Einführung des Begriffs „Mehrwert“ in die Flächenwidmungs- und Bebauungsplanung. Ihm fällt die Aufgabe zu, den in diesen Prozessen der Aushandlung von Immobiliendeals fehlenden Rahmen zur Wahrung des Gemeinwohls zu ersetzten. Wenn ich konstatiere, dass ein Projekt „Mehrwerte“ für die Öffentlichkeit bietet, kann ich einschränkende Festlegungen wie maximale Bebaubarkeit oder maximale Höhe frei verhandeln, weil das öffentliche Interesse ja bereits aufgrund der „Mehrwerte“ feststeht. Da der Begriff „Mehrwert“ frei auslegbar ist und die Festlegungen in nichtöffentlichen Verträgen erfolgen, sind den Möglichkeiten keine Grenzen gesetzt.

Dass auch für die öffentlichen Körperschaften in diesem Spiel bestimmte Rollen vorgesehen sind, zeigt die harsche Zurechtweisung, die Kammer sollte nicht als „moralisches Gewissen“ auftreten, sondern sich auf ihre „Kernaufgaben“ beschränken. Ebenso abgetan wird die behauptete Spaltung der Kollegenschaft –mit dem Hinweis, dass es ohnehin keine geschlossene Meinung gebe. Dass Kollegen, die von diesem System profitieren, gegen Kritik protestieren, ist verständlich und legitim. Dass die große Mehrheit der Planer in diesem Land ihre Kompetenzen auf dem Gebiet der Stadtplanung nicht gerne ersetzt sieht durch in Hinterzimmern ausgehandelte städtebauliche Verträge, ist wohl mindestens ebenso legitim.
Christoph Mayrhofer ist Sektionsvorsitzender in der Kammer der Architekten und Ingenieurkonsulenten.

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