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Die zwingende Form des Klappstuhls
Neue Zürcher Zeitung

Alfred-Arndt-Ausstellung im Bauhaus-Archiv Berlin

Eigentlich wollte er Maler werden, die Architektur sollte ihm Broterwerb sein. Man mag hierin einen Grund für die Nüchternheit finden, die Alfred Arndts Bauten auszeichnet. Der Architekt entwarf unspektakuläre Häuser, deren Bauweise sich völlig der Funktion unterordnete; architektonische Überhöhungen, an denen das Auge hängenbleibt, sucht man bei ihm vergebens.

22. Mai 1999 - Claudia Schwartz
Das Bauhaus-Archiv in Berlin widmet unter dem Titel «In der Vollendung liegt die Schönheit» dem letzten zum Bauhaus-Meister Berufenen zu seinem 100. Geburtstag die erste sein vielseitiges Schaffen würdigende Schau. Man präsentiert Pläne und Photographien zum architektonischen Werk, aber auch Möbel, Plakate, Zeichnungen. Arndt verstand sich als Universalkünstler, wie die Auswahl seines malerischen Schaffens zeigt. Er betrieb die Kunst als «Ausgleich». Betrachtet man die Öl- und Temperabilder, scheint es fast, als hätte sich der Architekt ein Privatvergnügen daraus gemacht, die bildnerischen Werte seiner Bauhaus-Kollegen mit zeituntypischen organischen Formen und gedämpften Farben zu umgehen. Die Architektur war es aber, die ihn zeitlebens vorantrieb. Und mit seiner Baukunst blieb er der Philosophie des Bauhauses - im engeren Sinne: des Weimarer Bauhauses - verbunden.

Von seiner Herkunft her war der aus einer Arbeiterfamilie stammende Arndt kein typischer Bauhäusler. Er besuchte die Volksschule, absolvierte eine Maschinenzeichnerlehre und ein Jahr Kunstgewerbeschule, bevor er sich der Jugendbewegung anschloss. Im Jahr 1921 kam er ans Staatliche Bauhaus Weimar, womit eine klassische Bauhaus-Vita ihren Anfang nahm: Arndt durchlief Ittens Vorkurs, nahm Unterricht bei Klee, Kandinsky und Schlemmer. Einige Jahre arbeitete er als Architekt im thüringischen Probstzella, bis ihn Adolf Meyer 1929 wieder ans Bauhaus berief. In der Dessauer Schule lehrte Arndt bis zu deren Ende Ausbaukonstruktion.

Die unter seiner Leitung entstandenen Einrichtungsgegenstände der Möbelwerkstatt, Stühle und Anrichten, lassen die organische Leichtigkeit von Breuers Konstruktionen vermissen. Solide in der Ausführung, wirken sie in ihrer Ästhetik schwer, fast plump. Mit seinen eigenen Entwürfen für das von ihm fertiggestellte Haus des Volkes in Probstzella dagegen verstand es der Architekt, den von ihm propagierten Minimalismus in eine zwingende Form zu bringen. Berühmt etwa sind die Klappstühle aus Stahl und Holz für den Roten Saal: im Seriellen der Bestuhlung erhält die zur Schau getragene Einfachheit etwas Keckes.

Arndts strenger Bauhaus-Handschrift haftet in ihrem Zweckcharakter etwas Unpersönliches an: vor allem bei den Industriebauten. Selten erreichen die Entwürfe eine über sie selbst hinausweisende ästhetische Ausstrahlung wie das Haus Bauer in Probstzella (1927/28), das aus zwei ineinandergeschachtelten stufig versetzten Baukörpern - Kubus und hochgestelltem Quader - besteht. Oder das in Anlehnung an Alvar Aalto entstandene Haus Ströher in Darmstadt (1957), das mit seiner aufgefächerten Fassade zwischen Ein- und Ausblicken Spannung gewinnt. Mit solchen Beispielen illustriert die Ausstellung Arndts Beitrag zum späten Bauhaus und beleuchtet, dass es jenseits von Gropius' Manifest Änderungen und Umformungen des Stils gegeben hat.

Die Schau verzichtet fast gänzlich auf Erklärungen. Im schmalen Katalog finden sich erstmals veröffentlichte Tagebuchauszüge sowie Arndts «Erinnerungen an das Bauhaus», die er 1968 für den Katalog der grossen Bauhaus-Ausstellung in Stuttgart schrieb und die knapp und pointiert den Alltag der Bauhäusler umreissen. Darin findet sich auch eine Episode über die Präsentation seines Farbkonzepts für die von Walter Gropius und Adolf Meyer gebaute Villa Auerbach: «wir sind also hingefahren, ich mit meinem Bilderbogen, den haben wir der frau und dem herrn prof gezeigt. Die fanden das sehr schön, grop bezog gar kein feld. Als wir allein waren, sagte grop zu mir: ‹diesen balkon da vorn mit den stürzen, die wir leider machen mussten, das müssen sie farbig so behandeln, dass sie nicht zu sehen sind.›»


Ausstellung bis 31. Mai. Katalog 120 S., 96 Abb., DM 22.-.

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