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Gebrauchskunstwerk
Pavillon im Park Vijversburg in Tytsjerk (NL)
Der organisch geschwungene Pavillon geriet mit seiner Konstruktion aus tragendem Glas zur Herausforderung für die niederländischen Bauunternehmer. Langmut und Stehvermögen der Bauherren führten letztlich zu überdurchschnittlichen Qualitäten. Es entstand ein kleines Raumwunder als Aushängeschild eines beliebten Ausflugsziels in Westfriesland, das Kunst und Natur verbindet.
1. Dezember 2017 - Achim Geissinger
Ja, dass diese Formen sofort an SANAA denken lassen, kommt nicht von ungefähr. Die beiden Architekten Marieke Kums und Junya Ishigami haben beide im Büro von Kazuyo Sejima und Ryue Nishizawa gearbeitet. Sie betonen allerdings, dass weder dieser gemeinsame Hintergrund noch irgendein vorgefasster Formwille für ihren Entwurf eine Rolle gespielt habe, sondern rein der Wunsch der Bauherren nach einem explizit offenen Gebäude, das den Dialog mit den Grünanlagen ringsum aufnimmt und in keinerlei Konkurrenz zum Altbau tritt. Doch freilich erinnern die geschwungenen Glaswände an den Glas-Pavillon des Toledo Museum of Art (Ohio), an dessen Entwicklung Ishigami beteiligt war.
In gewisser Weise haben wir es hier mit einer kleineren Ausgabe davon zu tun, die allein deshalb schon gut nach Westfriesland passt, weil in den Niederlanden das Kleine, Enge, Nette Tradition hat und sehr gefragt ist. Der gesamte, als nationales Monument geführte Park Vijversburg, der auf den Landsitz der einflussreichen Familien Looxma und Ypeij zurückgeht, fällt durch seine kleinräumige Struktur auf. Die repräsentative Villa wurde sogar um einige Räume verkleinert, weil spätere Nutzer sie als zu groß empfanden.
Da das Konzept aus Park, unterschiedlichen Veranstaltungen und v. a. internationaler Kunst sehr gut aufgeht, gab es immer wieder Klagen über das Menschengedränge auf dem Gelände. So packte man eine sich bietende Gelegenheit zur Verdopplung der Geländefläche beim Schopfe und ließ die neu hinzugekommenen Teile von den Landschaftsarchitekten Piet Oudolf und LOLA Landscape Architects und dem Künstler Tobias Rehberger gestalten.
Aber auch die Villa kam als Stiftungssitz wie auch als Besucherzentrum beständig an ihre räumlichen Grenzen. Ein kleiner Wettbewerb sollte v. a. die Sanierung des historischen Gebäudes voranbringen, verschob dann aber den Schwerpunkt auf deren Erweiterung zum Besucherzentrum, als sich unter den fünf Vorschlägen jener des Gespanns Kums/Ishigami fand, der in den stark beengten Gegebenheiten dem hochgeknöpften Klassizismus der Villa ein völlig konträres Konzept mit freien Formen, betonter Horizontalität und Bewegung entlang der denkmalgeschützten Gartenstrukturen entgegensetzte. Der Entwurf spielt mit subtilen Irritationen und entspricht ganz dem umgebenden Garten, der im Stil eines englischen Landschaftsparks mit dichtem Bewuchs, eng gewundenen Wegen und überraschenden Blickbezügen räumliche Opulenz vorgaukelt. So inszeniert ein Durchlass durch die Glaswand die Trennung wie auch den Übergang vom waldähnlichen Gartenteil zur offenen Terrasse. Ein einzelner Korridor führt am Teich entlang zu einer Wiese, verengt sich zunächst, um sich wieder ein wenig zu weiten, dann aber nicht sanft ins Grün auszulaufen, sondern völlig abrupt an einem massiven Metalltor zu enden und somit die Paradoxa von durchsichtiger Wand und geschlossener Tür zu zelebrieren. Der Architektenwunsch, die Glaswände noch weiter ins Gelände hineinzuführen und mit ihm stärker zu verweben, wurde von Denkmalschutz und Budget ausgebremst. Der Zugang erfolgt vom »Tea Room« im Altbau aus und führt wie selbstverständlich, warm und trocken, ins Gelände hinein.
Der Boden sinkt langsam um 1 m ab und verändert so beim Gehen die Wahrnehmung. An der zentralen Kreuzung ist der tiefste Punkt erreicht, gleichzeitig auch der höchste und weiteste – wie in der Vierung einer barocken Kirche kommt hier alle Bewegung zur Ruhe, entsteht das Gefühl, nun am richtigen Ort angekommen zu sein, hier sind die Gegensätze von räumlicher Weite und Konzentration, von geschützter Zentriertheit und maximaler Offenheit samt Rundumsicht absolut – ein Raumerlebnis, dem sich niemand entziehen kann. Der gleichzeitig in drei Richtungen wegdriftende und doch klar definierte Raum ist flexibel nutzbar und wird in naher Zukunft für allerlei Aktivitäten ausprobiert; man stellt sich wechselnde Kunst-Ausstellungen ebenso vor wie Kinder-Workshops, Hochzeiten, Vorträge, … bis hin zum temporären Museumsshop. Die freie Struktur und der robuste polierte Betonboden bieten dazu die besten Voraussetzungen, zumal die störenden Funktionen wie Lager und Toiletten in einen separaten Baukörper verbannt wurden, den immergrünes Gehölz bald zur Gänze verdecken wird.
Wunsch und Realität
Die ausnehmend lange Realisierungszeit ergab sich aus einer Reihe von Unvorhersehbarkeiten, zu denen z. B. die langwierige Erhebung, Diskussion und Definition des Denkmalbestands sowohl auf Gebäude- als auch auf Gartenseite gehörte. Ein Engpass in der Glasproduktion kostete ein weiteres halbes Jahr, nur um in Gläsern mit der falschen Farb-Qualität und einigen flachen statt minimal gebogenen Scheiben zu enden. Zwischenzeitlich war die vom Stiftungsrat und den Architekten gemeinsam wegen ihrer Kompetenz in Sanierung und Glas ausgewählte Baufirma in Konkurs gegangen und wurde von einem Konsortium übernommen, das glücklicherweise mit der komplexen Glasgeometrie besser zurechtkam.
Die Architekten hatten im Wettbewerb vorsichtshalber noch Stützen eingeplant. Die Bauingenieure hingegen – ABT als größter Player der Niederlande mit ausgewiesener Expertise in Glaskonstruktionen, zusammengespannt mit Jun Sato, den Junya Ishigami mit ins Spiel brachte – fanden, das Glas könne sämtliche Lasten alleine tragen. Die Wände bestehen jeweils aus zwei mit ihrer Halterung an den Betonboden geschraubten Sicherheitsglasscheiben (mit dieser Art Glas aus chinesischer Produktion haben auch SANAA schon ihre Projekte bestückt) und nach außen hin einer dritten Scheibe mit einem Zwischenraum, der den Wärmeschutz gewährleistet.
Die Dreiecksstruktur des Grundrisses steift das Gebäude nach allen Richtungen aus. Auch das Dach ist biegesteif angeschlossen, woraus sich v. a. für die langen Korridore stabile Rahmen ergeben. Hauptträger aus Stahl überspannen an der weitesten Stelle über dem zentralen Raum eine Distanz von bis zu 15 m, alle Nebenträger sind aus Holz, die Dachhaut besteht aus harzgebundenem Splitt. Die auffallend dicken dauerelastischen Fugen von 2-3 cm resultieren aus den anzunehmenden Maßabweichungen bei den Gläsern und waren auch beim Einbau hilfreich.
Wie leicht sich die Scheiben austauschen lassen, wird sich bald zeigen, wenn der Schaden behoben wird, den ein neugieriges Schulkind verursachte, als es den Effekt eines beherzt in das Glas geworfenen Steins ausprobierte. Die Konstruktion lässt sich lösen, ob aber der in langen Streifen verwendete Betonmörtel die Scheibe ebenso leicht freigibt, wird sich zeigen.
Auch darf man sich nicht darin täuschen, dass das duftige Erscheinungsbild eines auf Fotos so ätherisch wirkenden Glasgebildes dauerhaft beibehalten werden könne. Inmitten eines feuchten Landstrichs bleibt der Bewuchs mit Algen und Moos nicht aus, der Regen erzeugt lange Schlieren und spritzt das Substrat der angrenzenden Rabatten weit in die Höhe. Im Grunde lohnt die Reinigung kaum, da man schon nach dem nächsten Guss wieder von vorne beginnen kann, seufzt die Geschäftsführerin Audrey Stielstra.
Aber: Wer sich drinnen befindet, ist so mit den vielschichtigen Eindrücken beschäftigt, dass die kleinen Betrübnisse nicht mehr ins Gewicht fallen. Die Langmut und das Stehvermögen der Bauherren wurden mit einem kleinen exquisiten Raumwunder belohnt, einem nutzbaren Kunstwerk, mit dem sich prächtig Werbung machen lässt.
In gewisser Weise haben wir es hier mit einer kleineren Ausgabe davon zu tun, die allein deshalb schon gut nach Westfriesland passt, weil in den Niederlanden das Kleine, Enge, Nette Tradition hat und sehr gefragt ist. Der gesamte, als nationales Monument geführte Park Vijversburg, der auf den Landsitz der einflussreichen Familien Looxma und Ypeij zurückgeht, fällt durch seine kleinräumige Struktur auf. Die repräsentative Villa wurde sogar um einige Räume verkleinert, weil spätere Nutzer sie als zu groß empfanden.
Da das Konzept aus Park, unterschiedlichen Veranstaltungen und v. a. internationaler Kunst sehr gut aufgeht, gab es immer wieder Klagen über das Menschengedränge auf dem Gelände. So packte man eine sich bietende Gelegenheit zur Verdopplung der Geländefläche beim Schopfe und ließ die neu hinzugekommenen Teile von den Landschaftsarchitekten Piet Oudolf und LOLA Landscape Architects und dem Künstler Tobias Rehberger gestalten.
Aber auch die Villa kam als Stiftungssitz wie auch als Besucherzentrum beständig an ihre räumlichen Grenzen. Ein kleiner Wettbewerb sollte v. a. die Sanierung des historischen Gebäudes voranbringen, verschob dann aber den Schwerpunkt auf deren Erweiterung zum Besucherzentrum, als sich unter den fünf Vorschlägen jener des Gespanns Kums/Ishigami fand, der in den stark beengten Gegebenheiten dem hochgeknöpften Klassizismus der Villa ein völlig konträres Konzept mit freien Formen, betonter Horizontalität und Bewegung entlang der denkmalgeschützten Gartenstrukturen entgegensetzte. Der Entwurf spielt mit subtilen Irritationen und entspricht ganz dem umgebenden Garten, der im Stil eines englischen Landschaftsparks mit dichtem Bewuchs, eng gewundenen Wegen und überraschenden Blickbezügen räumliche Opulenz vorgaukelt. So inszeniert ein Durchlass durch die Glaswand die Trennung wie auch den Übergang vom waldähnlichen Gartenteil zur offenen Terrasse. Ein einzelner Korridor führt am Teich entlang zu einer Wiese, verengt sich zunächst, um sich wieder ein wenig zu weiten, dann aber nicht sanft ins Grün auszulaufen, sondern völlig abrupt an einem massiven Metalltor zu enden und somit die Paradoxa von durchsichtiger Wand und geschlossener Tür zu zelebrieren. Der Architektenwunsch, die Glaswände noch weiter ins Gelände hineinzuführen und mit ihm stärker zu verweben, wurde von Denkmalschutz und Budget ausgebremst. Der Zugang erfolgt vom »Tea Room« im Altbau aus und führt wie selbstverständlich, warm und trocken, ins Gelände hinein.
Der Boden sinkt langsam um 1 m ab und verändert so beim Gehen die Wahrnehmung. An der zentralen Kreuzung ist der tiefste Punkt erreicht, gleichzeitig auch der höchste und weiteste – wie in der Vierung einer barocken Kirche kommt hier alle Bewegung zur Ruhe, entsteht das Gefühl, nun am richtigen Ort angekommen zu sein, hier sind die Gegensätze von räumlicher Weite und Konzentration, von geschützter Zentriertheit und maximaler Offenheit samt Rundumsicht absolut – ein Raumerlebnis, dem sich niemand entziehen kann. Der gleichzeitig in drei Richtungen wegdriftende und doch klar definierte Raum ist flexibel nutzbar und wird in naher Zukunft für allerlei Aktivitäten ausprobiert; man stellt sich wechselnde Kunst-Ausstellungen ebenso vor wie Kinder-Workshops, Hochzeiten, Vorträge, … bis hin zum temporären Museumsshop. Die freie Struktur und der robuste polierte Betonboden bieten dazu die besten Voraussetzungen, zumal die störenden Funktionen wie Lager und Toiletten in einen separaten Baukörper verbannt wurden, den immergrünes Gehölz bald zur Gänze verdecken wird.
Wunsch und Realität
Die ausnehmend lange Realisierungszeit ergab sich aus einer Reihe von Unvorhersehbarkeiten, zu denen z. B. die langwierige Erhebung, Diskussion und Definition des Denkmalbestands sowohl auf Gebäude- als auch auf Gartenseite gehörte. Ein Engpass in der Glasproduktion kostete ein weiteres halbes Jahr, nur um in Gläsern mit der falschen Farb-Qualität und einigen flachen statt minimal gebogenen Scheiben zu enden. Zwischenzeitlich war die vom Stiftungsrat und den Architekten gemeinsam wegen ihrer Kompetenz in Sanierung und Glas ausgewählte Baufirma in Konkurs gegangen und wurde von einem Konsortium übernommen, das glücklicherweise mit der komplexen Glasgeometrie besser zurechtkam.
Die Architekten hatten im Wettbewerb vorsichtshalber noch Stützen eingeplant. Die Bauingenieure hingegen – ABT als größter Player der Niederlande mit ausgewiesener Expertise in Glaskonstruktionen, zusammengespannt mit Jun Sato, den Junya Ishigami mit ins Spiel brachte – fanden, das Glas könne sämtliche Lasten alleine tragen. Die Wände bestehen jeweils aus zwei mit ihrer Halterung an den Betonboden geschraubten Sicherheitsglasscheiben (mit dieser Art Glas aus chinesischer Produktion haben auch SANAA schon ihre Projekte bestückt) und nach außen hin einer dritten Scheibe mit einem Zwischenraum, der den Wärmeschutz gewährleistet.
Die Dreiecksstruktur des Grundrisses steift das Gebäude nach allen Richtungen aus. Auch das Dach ist biegesteif angeschlossen, woraus sich v. a. für die langen Korridore stabile Rahmen ergeben. Hauptträger aus Stahl überspannen an der weitesten Stelle über dem zentralen Raum eine Distanz von bis zu 15 m, alle Nebenträger sind aus Holz, die Dachhaut besteht aus harzgebundenem Splitt. Die auffallend dicken dauerelastischen Fugen von 2-3 cm resultieren aus den anzunehmenden Maßabweichungen bei den Gläsern und waren auch beim Einbau hilfreich.
Wie leicht sich die Scheiben austauschen lassen, wird sich bald zeigen, wenn der Schaden behoben wird, den ein neugieriges Schulkind verursachte, als es den Effekt eines beherzt in das Glas geworfenen Steins ausprobierte. Die Konstruktion lässt sich lösen, ob aber der in langen Streifen verwendete Betonmörtel die Scheibe ebenso leicht freigibt, wird sich zeigen.
Auch darf man sich nicht darin täuschen, dass das duftige Erscheinungsbild eines auf Fotos so ätherisch wirkenden Glasgebildes dauerhaft beibehalten werden könne. Inmitten eines feuchten Landstrichs bleibt der Bewuchs mit Algen und Moos nicht aus, der Regen erzeugt lange Schlieren und spritzt das Substrat der angrenzenden Rabatten weit in die Höhe. Im Grunde lohnt die Reinigung kaum, da man schon nach dem nächsten Guss wieder von vorne beginnen kann, seufzt die Geschäftsführerin Audrey Stielstra.
Aber: Wer sich drinnen befindet, ist so mit den vielschichtigen Eindrücken beschäftigt, dass die kleinen Betrübnisse nicht mehr ins Gewicht fallen. Die Langmut und das Stehvermögen der Bauherren wurden mit einem kleinen exquisiten Raumwunder belohnt, einem nutzbaren Kunstwerk, mit dem sich prächtig Werbung machen lässt.
Für den Beitrag verantwortlich: deutsche bauzeitung
Ansprechpartner:in für diese Seite: Ulrike Kunkel