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Wieder zu Hause
Wieder zu Hause © Wolfgang Fiel
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„Getting Things Done. Evolution of the Built Environment in Vorarlberg“ im vorarlberg museum

18. März 2019 - Martina Pfeifer Steiner
Die hohe Qualität der Baukultur in Vorarlberg ist ein bemerkenswertes Phänomen. So verwundert es nicht, dass die Sektion für Auslandskultur des Bundesministeriums für Europa, Integration und Äußeres auf der Suche nach Themen, die ein innovatives, kreatives Bild vom modernen Österreich vermitteln könnten, die Idee verfolgte, eine Architekturausstellung über das Netzwerk von derzeit dreißig österreichischen Kulturforen in insgesamt 28 Länder der Welt zu schicken. Das Land Vorarlberg als Kooperationspartner anzufragen war naheliegend, und für Konzept und Kuration wurde Architekt Wolfgang Fiel gefunden. So ging die Wanderausstellung „Getting Things Done“ über zeitgenössische Architektur und Handwerkskunst Vorarlbergs im November 2014 auf die Reise. Nach fünf Jahren erfolgreicher Tournee kehrt sie nun nach Hause zurück – und das im wörtlichen Sinn, denn das vorarlberg museum übernimmt diesen vielschichtigen Blick auf die Entwicklung der Baukultur in seine Sammlung. Kurator Wolfgang Fiel hat zirka die Hälfte der Stationen begleitet.

Martina Pfeifer Steiner – Was habt ihr in den letzten fünf Jahren mit dieser Wanderausstellung über das architektonische Schaffen des kleinsten Bundeslands Österreichs erlebt, und wie ist sie international angekommen?
Wolgang Fiel – Das Interesse war wirklich groß, zwischen fünfzig und hundert BesucherInnen kamen immer, am bestbesuchten Event zählten wir hundertfünfzig! Vor allem wenn die Ausstellung im Kontext von Universitäten gezeigt wurde, gab es großen Andrang. Bei den Stationen, die ich begleiten durfte, hielt ich meist einen Vortrag. Istanbul war besonders: einerseits weil meine Frau Denizhan Sezer hier zu Hause ist, andererseits weil wir an der Yıldız Teknik Üniversitesi einen Workshop gaben – „Evolution of the Built Environment in Vorarlberg: The Story Thus Far or How would we do it in Turkey“ – der begeistertes Feedback erntete. In Cardiff, Wales, organisierte man ein „Getting Things Done“-Symposium und die beteiligten Professoren berichteten, dass sie mindestens einmal im Jahr mit den StudentInnen nach Vorarlberg kommen, um sich Holzbau-Architektur anzuschauen. Über das Kulturforum Washington kam die Anfrage der University of Maryland. Bei dieser Lecture diskutierten wir angeregt darüber, dass eine dermaßen hohe Qualität und Sorgfalt bei öffentlichen Gebäuden wie Schulen, Kindergärten, Gemeindezentren in den USA unbekannt sei. Eine super Station war auch die Norsk design- og arkitektursenter (DOGA) in Oslo und räumlich imposant die spanische Architektenkammer, das Colegio de Arquitectos de Madrid (COAM).

Tradition von Handwerk und Holzbau

Pfeifer Steiner – In Vorarlberg hat man ja doch mit kleineren Strukturen zu tun. In dieser Ausstellung wurde man auch nicht mit bloß Anekdotischem
 oder prototypisch Exemplarischem konfrontiert. Worin lag dann das Inspirierende?
Fiel – Der kuratorische Anspruch zielt auf eine kritische Auseinandersetzung mit der Entwicklung 
und gegenwärtigen Befindlichkeit der Baukultur Vorarlbergs ab. Es geht um die Vermittlung der über den spezifischen Kontext und die regionalen Entstehungsbedingungen hinausgehenden Themen, mit denen man sich heute auf der ganzen Welt beschäftigen muss. Bei Feldern wie Energie, Nachhaltigkeit, Holzbau zeigt unsere Region Lösungsmöglichkeiten auf, die auf breiter Ebene behandelt werden, es hat sich eine besondere Kultur entwickelt. Man war verblüfft über den Stellenwert des Handwerks und die daraus entstehenden innovativen Prozesse. Sicher mag das auch an der überschaubaren Größenordnung lokaler Bauaufgaben liegen, hat aber vor allem damit zu tun, dass die eng geknüpften sozialen Netzwerke eine Kommunikation auf kürzesten Wegen erlaubt und die einzelnen Akteure voneinander lernen wollen.
Pfeifer Steiner – Aber gibt es nicht in vielen Ländern eine ausgeprägte Tradition von Handwerk und beispielsweise Holzbau?
Fiel – Doch, zweifellos! Mir wurde jedoch bei diesen Reisen wieder präsent, dass es in extrem vielen Ländern der Welt zwar eine hochstehende Holzbautradition einmal gegeben hatte, das Bewusstsein dafür aber verloren ging. In Kuala Lumpur, Malaysia, waren wir auf Einladung der Petronas Galeries, das ist die Kultur-Foundation des staatlichen Ölkonzerns. Angeregt von der Ausstellung sind uns dann im ganzen Land wunderbare alte Holzbauten gezeigt worden, die eine neue Wertschätzung erfahren.

Das Display als Wundertüte

Pfeifer Steiner – Die Wanderausstellung kehrt nun zurück und findet ihr zu Hause in der Sammlung des vorarlberg museums. Zeit für einen Rückblick? Und wie ist die Ausstellung in Bregenz angelegt?
Fiel – Ich denke, wir haben die sinnliche, stoffliche und soziale Komponente gut vermitteln können. Das ganze Setup hat in jeder Hinsicht funktioniert. Im vorarlberg museum zeigt das Ausstellungsdisplay noch einmal seine Stärken. Das interaktive Hängeregister-Möbel mit den Projektfahnen bildet die Mitte. Zum Abschluss werden noch einmal zwölf ausgewählte Interviews in Langfassung gezeigt. Die insgesamt 57 Gespräche, die auf der Website zum allseitigen Gebrauch und Interesse zur Verfügung stehen, sind für mich ein wichtiges Zeitdokument. Ein spezielles Feature für Bregenz ist die Projektion der domestischen Einblicke, eine Bildstrecke, die bei den Interviews in den privaten Wohnungen der ProtagonistInnen entstanden ist.
Pfeifer Steiner – Im Idealfall wird die Ausstellung an dieser Endstation nicht nur archiviert, sondern könnte Anregung für die Fragestellungen der Zukunft sein?
Fiel – Bei den „Getting Things Done Tandemführungen“ wird dies versucht. ArchitektInnen, Handwerker, Kunsthistorikerin und ArchitekturpublizistInnen begeben sich in unterschiedlichen Konstellationen, aus verschiedenen Perspektiven in den Dialog. Für mich ist die Ausstellung kein Selbstzweck, sondern eigentlich ein Reflexionsmittel. Und das würde ich mir wirklich erhoffen, dass sich die Architektur in Vorarlberg nicht nur selbst spiegelt oder feiert, sondern wir uns fragen, was als nächstes kommt.
Der Text erschien in der Ausgabe von KULTUR - Zeitschrift für Kultur und Gesellschaft, http://www.kulturzeitschrift.at

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