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Die Bauhaus-Intrige
Spectrum

Wie eine Idee und ihre Institution nationalsozialistischer Propaganda, Antisemitismus und der Diffamierung durch bürgerliche Modernisierungsgegner zum Opfer fielen.

23. März 2019
Es war nur noch ein letzter Tritt gegen die auf dem Boden liegende Institution: Nachdem das Bauhaus Ende 1932 aus Dessau vertrieben worden war und nach Berlin ziehen musste, wurde dort eine Hausdurchsuchung eingeleitet. Der „Völkische Beobachter“ berichtete im April 1933, es seien dabei bolschewistische Flugzettel gefunden und „fünfzehn Personen, die sich nicht ausweisen konnten, vorwiegend Juden“, festgenommen worden. Die Liquidierung der Lehranstalt für künstlerische Gestaltung und Architektur, deren letzter Leiter, Ludwig Mies van der Rohe, noch einmal versucht hatte, sie in Berlin als private Institution weiterzuführen, war abgeschlossen. Am 20. Juli 1933 beschloss die Bauhaus-Führung die Selbstauflösung der Schule. Mies van der Rohe verließ wenige Jahre später so wie zuvor bereits Bauhaus-Gründer Walter Gropius Deutschland.

Warum erschien den Nationalsozialisten diese Institution so bekämpfenswert? Die Antwort liegt im Konzept des Bauhauses. Es war eine Kunstgewerbeschule, die sich an einem progressiven Ziel orientierte: an der Sozialisierung von Kunst und ihrer Einbettung in den Alltag. Das war mehr als eine Kunstrichtung, das war ein gesellschaftliches Programm. Gropius hatte mit der Gründung der Institution 1919 versucht, eine Brücke zwischen Handwerk und Kunst zu schlagen. Er war sich bewusst, dass er damit eine Bewegung ausgelöst hatte, durch die das in breiten Gesellschaftsgruppen erlebbare Gesamtkunstwerks an Dynamik gewann und so stark wurde, dass es tradierte Werte infrage stellte. „Das Bauhaus war eine Idee, und ich glaube, dass die Ursache für den ungeheuren Einfluss, den das Bauhaus auf jede fortschrittliche Schule in der Welt gehabt hat, in der Tatsache zu suchen ist, dass es eine Idee war“, schrieb Gropius viele Jahre später, im Mai 1953. „Eine solche Resonanz kann man nicht mit Organisation erreichen und nicht mit Propaganda. Nur eine Idee hat die Kraft, sich so weit zu verbreiten.“

Es waren nicht bloß die ornamentlosen Fassaden der Bauhaus-Architekten, die klaren und reduzierten Formen des hier gelehrten Kunsthandwerks, es waren auch die angewandte Reformpädagogik und das Selbstbewusstsein der Bauhaus-Studenten, die gegen Konventionen verstießen. Irritierend war für die neuen Machthaber zudem der internationale Ansatz. Die Bauhausbewegung zog Handwerker und Studenten aus ganz Europa, ja der ganzen Welt an, die eine Vielzahl kultureller Einflüsse einwirken ließen. Jeder fünfte Studienplatz ging an einen Ausländer. Für die Nationalsozialisten war das Bauhaus deshalb „undeutsch“ und „jüdisch“.

Die Faszination, sich an einem Gesamtkunstwerk zu beteiligen, das progressiv war und nicht davor zurückschreckte, neben der Architektur auch die darin lebende Gesellschaft zu verändern, war Antriebskraft für jene, die an die Schule strömten; gleichzeitig war sie für jene ein Beleg entarteter Kunst, die sich in Deutschland als Bewahrer alter Werte gerierten. Es waren allerdings nicht allein Nazis, die das Feindbild Bauhaus prägten, es waren auch konservative Bürgerliche, die es als Angriff auf ihr elitäres Kunstverständnis empfanden.

„Auf gehässigste Weise bekämpft“

Schon wenige Jahre nach der Gründung musste das Bauhaus seinen ersten Standort in der Stadt Weimar verlassen. Wie sehr die Studenten, Lehrenden und auch Gropius selbst hier angefeindet wurden, belegt eine Erklärung, die von den „Bauhäuslern“ Anfang des Jahres 1925 an die Thüringer Regierung übermittelt wurde. Darin wurde von Lehrenden und Studenten gemeinsam bedauert, dass Weimar ihre „positive Arbeit“ nie anerkannt habe. „Gerade hier wurden wir auf die gehässigste Weise in der Presse, in Broschüren und durch Protestversammlungen bekämpft.“

Das Bauhaus irritierte, weil es Klassengegensätze aufhob. Die Studenten lernten bei Handwerkern und akademischen Künstlern gleichzeitig. Sie diskutierten oft stundenlang mit ihren Professoren, veranstalteten Feste, produzierten experimentelles Theater. Hier zerbrachen die letzten klassizistischen und historistischen Ideale ebenso wie die traditionellen autoritären Strukturen staatlicher Lehreinrichtungen. Wenige Jahre nach Einführung des Frauenwahlrechts studierten an der Schule ebenso viele Männer wie Frauen, emanzipierten sich die jungen Künstlerinnen zu starken Persönlichkeiten. Gropius hatte die Linie vorgegeben: „Keine Unterschiede zwischen dem schönen und starken Geschlecht. Absolute Gleichberechtigung, aber auch absolut gleiche Pflichten in der Arbeit aller Handwerker.“ Für Irritationen im bürgerlich geprägten Weimar sorgten zudem einige der Lehrer, allen voran Johannes Itten, ein exzentrischer Künstler, der sich gerne in einem priesterartigen Gewandt zeigte. Er faszinierte seine Schüler, die er motivierte, neue Zugänge zu Farben und Materialen zu entwickeln. Er hatte das offene pädagogische Konzept der Schule mitgeprägt. Für Beobachter ohne direkten Einblick wirkte Itten wie ein überspannter Sektenführer, insbesondere da einige der Studentinnen und Studenten begannen, sein äußeres Auftreten und seine Kleidung nachzuahmen.

Offiziell richteten sich die Angriffe der Gegner nicht etwa gegen das künstlerische Konzept des Bauhauses oder gegen seine Pädagogik, sondern gegen formelle Fragen, die politisch leichter angreifbar waren. Immer wieder wurde die finanzielle Gebarung der staatlichen Institution infrage gestellt. Die Regierung in Thüringen, die bereits ab 1924 unter Einfluss der Nationalsozialisten stand, kürzte denn auch die finanziellen Mittel und die Gehälter der Lehrenden so stark, dass die Existenz des Standorts gefährdet wurde.

Neben der finanziellen Frage wurde ebenso eine ideologische Ausrichtung angeprangert. Bald war das Bauhaus als linke, kommunistische Institution verrufen. Tatsächlich hatte die Konfrontation mit den Nationalsozialisten während der 1920er-Jahre in der Schule ebenfalls Spuren hinterlassen. Die ständigen Anfeindungen von rechts lösten eine Gegenreaktion und Sympathien für linkes Gedankengut aus. Einige der Studentinnen und Studenten radikalisierten sich, und sogar unter den Bauhaus-Schülern entstanden – so wie im ganzen Land – politische Spannungen.

Nachdem sich Weimar gegen den Fortbestand der Lehreinrichtung ausgesprochen hatte, war es der liberale Oberbürgermeister von Dessau, Fritz Hesse, der Gropius dazu bewegte, das Bauhaus in seiner Stadt neu anzusiedeln. Hier entstanden mit Hesses Unterstützung nicht nur neue Gebäude und Werkstätten, sondern auch die bekannten Meisterhäuser. In Dessau wurden zudem die örtlichen Industriebetriebe – allen voran die Junkerswerke – in die Konzeption der Schule eingebunden. Sie sollten Produkte wie etwa die hier entwickelten Stahlrohrmöbel herstellen.

Der kurzen Phase des neuen Aufbruchs im heutigen Sachsen-Anhalt folgten jedoch bald neue Anfeindungen. Als bolschewistisch, jüdisch und dem deutschen Geist widersprechend wurde das Bauhaus auch in Dessau diffamiert. Als Beleg für ihre Kritik empfanden die Gegner der Einrichtung die Bestellung von Hannes Mayer, eines politisch engagierten Architekten, zum neuen Leiter. Ihm wurde vorgeworfen, er lasse kommunistische Exzesse der Studenten zu. Schon wenige Jahre nach seiner Einsetzung musste er aus politischen Gründen zurücktreten.

Die „Neue Freie Presse“ schrieb 1930 zur Absetzung von Mayer: „Die linksradikale Einstellung eines Teils der Studenten führte allmählich dazu, dass das Bauhaus nicht etwa nur von reaktionären Gegnern als kommunistische Organisation angesehen wurde, sondern tatsächlich als politische Körperschaft in der Öffentlichkeit auftrat.“ Kritisiert wurde in diesem Artikel auch die antiautoritäre Pädagogik an der Schule. „Es kam so weit, dass die Schüler gegen die Unterrichtsmethoden der altbewährten Bauhausmeister wie Klee, Kandinsky, Feininger, Albers laut zu murren und neue Lehrer zu fordern begannen.“

Der neue Leiter, Ludwig Mies van der Rohe, versuchte dieses Image zu ändern und das Bauhaus als unpolitische Einrichtung zu etablieren. In ihrer Diplomarbeit „Vom Bauhaus nach Auschwitz“ schreibt Adina Seeger über sein erfolgloses Bemühen, gegen Vorurteile und Anfeindungen anzukämpfen. Mies van der Rohe führte ein „faktisches Verbot politischer Betätigung der Studierenden“ ein. Auch Oberbürgermeister Hesse lud zur Besichtigung der Schule, um die Vorbehalte in der Bevölkerung zu zerstreuen. Doch vergebens. Als im Jahr 1931 in Dessau Gemeinderatswahlen abgehalten wurden, machte die NSDAP offen mit Flugblättern gegen das Bauhaus Stimmung. Sie prägte das Feindbild einer „jüdischen Bauhauskultur“ und versprach bei einem Wahlsieg: „Sofortige Streichung sämtlicher Ausgaben für das Bauhaus. Ausländische Lehrkräfte sind fristlos zu kündigen . . .“

„,Abriss‘ des Bauhauses“

Nach dem Wahlerfolg der Nationalsozialisten war das Schicksal der Kunstgewerbeschule in Dessau besiegelt. Die NSDAP setzte nicht nur die Schließung durch, sie wollte gleich auch die hier entstandenen Gebäude schleifen. „Als die Nationalsozialisten in Dessau an die Herrschaft kamen, war der Punkt eins ihrer Tagesordnung: ,Abbriss‘ des Bauhauses“, berichtete das „Prager Tagblatt“ im Juli 1932. Im Artikel wird auf die Mitverantwortung des konservativen Bürgertums verwiesen: „Und damit schienen sich auch manche Dessauer abzufinden, die nicht für das Dritte Reich sind, sondern rein nur aus Verzopftheit, aus dem Widerspruch gegen das Neue in der Kunst gegen die Einrichtung sind.“

Das Bauhaus zog samt einem Teil der Lehrkräfte noch einmal weiter in eine ehemalige Telefonfabrik nach Berlin-Steglitz, wo es als private Lehreinrichtung einen Neustart versuchte. Mies van der Rohe suchte nach der politisch motivierten Hausdurchsuchung den Dialog mit dem Reichsleiter für Kultur, Alfred Rosenberg, um die Schule zu retten. Er fand zwar Gehör für die Bedeutung der Schule, den Forderungen der Nationalsozialisten, den Lehrplan der Schule an ihre Ideale anzupassen und sich von den Lehrenden Wassily Kadinsky und Ludwig Hilberseimer zu trennen, wollten Mies van der Rohe und seine Meisterkollegen aber nicht nachkommen.

Am 20. Juli 1933 wurde das Bauhaus für immer geschlossen. Mies van der Rohe wurde noch im selben Jahr Opfer der anhaltenden Intrige. Als er einen kleinen Auftrag für die Teilgestaltung der Ausstellung „Deutsches Volk, Deutsche Arbeit“ erhalten sollte, ging ein Brief aus der Parteileitung in Dessau an Reichsminister Joseph Goebbels: „Man sollte Künstler vom Schlag des Herrn v. d. R.“ – also van der Rohe –, „die jahrelang auf dem Gebiet der Kunst das deutsche Volk vergiftet haben, auf keinen Fall beschäftigen. Ich bitte, die Angelegenheit zu prüfen, und wenn möglich, diesen Herrn durch einen geeigneten Parteigenossen zu ersetzen.“

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