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Pritzker-Preis geht an Arata Isozaki
Der Standard

Der mit 100.000 US-Dollar dotierte „Nobelpreis der Architektur“ geht zum achten Mal nach Japan

6. März 2019 - Wojciech Czaja
Es gibt den Raum, und es gibt die Zeit“, sagt der japanische Architekt Arata Isozaki. „Aber noch viel wichtiger als Raum und Zeit in der Architektur sind der Zwischenraum und die Zwischenzeit, also die Dinge zwischen den Elementen. So wie auch Japan nicht nur aus Inseln, sondern auch aus dem Wasser rundherum besteht.“

Das von ihm seit Jahrzehnten propagierte Konzept des Dazwischen hat im Japanischen sogar einen eigenen Namen: Ma. Für genau diese Liebe zum Zwischenraum wird der 87-Jährige, wie am Dienstagnachmittag bekannt wurde, mit dem renommierten Pritzker-Preis 2019 ausgezeichnet.

„Auf der anderen Seite der Bucht wurde die Atombombe auf Hiroshima fallen gelassen“, erinnert sich Isozaki im Gespräch. „Ich bin mitten in diesem Ground Zero aufgewachsen. Die Stadt war eine einzige Ruine. Es gab keine Architektur, keine Gebäude, nur Baracken und Verschläge. Mein erstes Verständnis von Architektur, damals als 14-Jähriger, war also jenes des leeren Zwischenraums. Und so habe ich mir Gedanken darüber gemacht, wie neue Häuser und neue Städte aussehen könnten.“

In vielen seiner Bauwerke, heißt es im Pritzker-Juryprotokoll, sei genau diese Faszination für die Leere zu spüren. Gebäude und Leere fänden dabei stets in einem Gleichgewicht zueinander. Schon einer seiner ersten, allerdings unrealisierten Entwürfe, die sogenannte City in the Air im Jahr 1962, ist ein Vorschlag, eine neue, scheinbar schwebende Stadt über der Stadt zu errichten. Damit greift Isozaki die zu dieser Zeit hoch im Kurs stehende Idee des Metabolismus auf, demnach Architektur und Städtebau einem kontinuierlichen Wachstum und energetischen Austausch mit der Außenwelt unterworfen seien.

Es folgen realisierte Bauten wie etwa die Bibliothek in Oita, die Expo 1970 in Osaka sowie mehrere Museen im ganzen Land. „Als einer der ersten Japaner hat Isozaki auch außerhalb Japans gebaut“, sagt Tom Pritzker, Vorsitzender der Hyatt Foundation, die den Preis seit 1979 jährlich auslobt. „Und das in einer Zeit, in der westliche Gesellschaften eher den Osten beeinflussten als umgekehrt.“

Es folgen Bauten in Los Angeles (Museum of Contemporary Art, 1986), Barcelona (Sporthalle Palau Sant Jordi, 1990), Turin (Eishockey-Stadion, 2005), auf dem Potsdamer Platz in Berlin sowie immer wieder auch in China und im arabischen Raum.

Eines der jüngsten Projekte des Architekten und Universitätsprofessors, der weltweit bereits mehr als hundert Bauten realisiert hat, ist der 202 Meter hohe, 50-geschoßige Allianz-Tower in Mailand. Damit krönt er den sogenannten Citylife-Bezirk, der anstelle des alten Messegeländes rund um einen öffentlichen Park angelegt wurde.

Während seine beiden Kollegen Daniel Libeskind und Zaha Hadid, die 2004 ebenfalls mit dem Pritzker-Preis ausgezeichnet wurde, eher laut gestikulierend um sich schlagen, frönt Isozaki mit seinem schlichten Turm einer japanischen, formalen Strenge.

Nur eine Frau bisher

Mit dem Namen Hadid ist auch der mittlerweile kritischste Aspekt des Pritzker-Preises angesprochen. Unter den berühmten Preisträgern seit 1979 – darunter Rem Koolhaas, Norman Foster, Frank O. Gehry, I. M. Pei, Robert Venturi, Oscar Niemeyer sowie der Österreicher Hans Hollein – finden sich bis auf Zaha Hadid ausschließlich Männer beziehungsweise selten auch gemischtgeschlechtliche Teams. Von Jahr zu Jahr steigt die Verwunderung über die einseitige Sichtweise auf die Kunst des räumlichen Gestaltens. Damit droht der als „Nobelpreis der Architektur“ bekannte Preis à la longue seinen außergewöhnlichen Ruf einzubüßen. Das wäre wohl nicht im Sinne seiner Gründer Jay und Cindy Pritzker.

Die mit 100.000 US-Dollar (88.000 Euro) dotierte Auszeichnung nimmt Arata Isozaki im Mai im Schloss Versailles entgegen.

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Für den Beitrag verantwortlich: Der Standard

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