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Management Center Innsbruck: Chronik eines Skandals
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Wer pfuscht hier? Architekten, die nicht rechnen können? Oder Politiker, die sich bei Bauprojekten lieber auf ihr Bauchgefühl verlassen als auf Fakten?

22. Dezember 2018 - Christian Kühn
Die Freude war groß, als im Jahr 2016 der Wettbewerbssieger für das neue Gebäude des MCI, des Management Center Innsbruck, vorgestellt wurde. In einem zweistufigen, offenen und anonymen Verfahren hatte die Jury einstimmig einen Sieger gekürt, das Projekt der Architekten Loudon, Habeler und Kirchweger. Die Aufgabe war schwierig: ein knappes Grundstück, städtebaulich an einer wichtigen Schnittstelle am Rand der Altstadt gelegen; ein dichtes Raumprogramm mit Räumen für die Lehre, Büros und zentrale Gemeinschaftsflächen, dazu eine Tiefgarage für 40 Busse und 200 Pkw.

Das MCI ist eine Hochschule für Wirtschaft, Gesellschaft, Technologie und Life Sciences, die derzeit auf mehrere Standorte verteilt ist und 3400 Studierende betreut. Der Neubau ist daher eine praktische Notwendigkeit. Er ist aber auch eine Imagefrage: Das MCI konkurriert mit Business-Universitäten wie jener in St. Gallen, die sich gerade ein neues „Learning Center“ von Su Fujimoto errichten lässt. Kommunikation wird hier als zentrale Ressource gesehen, die entsprechend gestaltete Räume braucht. Seminar- und Büroräume an einem Gang aufzufädeln genügt diesen Ansprüchen längst nicht mehr.

Das Siegerprojekt fand für diese Aufgabe eine überzeugende Lösung, fünf in der Mitte durch eine Halle verbundene Türme, die bis zu neun Geschoße hoch sind. Als unregelmäßiges Fünfeck ist der Bau trotz großer Masse geschickt in den heterogenen Kontext zwischen dem Hofgarten im Westen und dem lang gestreckten SoWi-Gebäude der Leopold-Franzens-Universität im Süden eingefügt. Ob dieses Ensemble jemals Wirklichkeit wird, steht momentan allerdings in den Sternen. Das MCI-Projekt wurde Anfang August dieses Jahres gestoppt, da es sich nach Ansicht des Geldgebers, also des Landes Tirol, nicht im vorgegebenen Kostenrahmen umsetzen lässt. Am 13. November ging die Landesregierung mit ihrer finalen Entscheidung an die Öffentlichkeit. Eine „detaillierte rechtliche Prüfung“ hätte ergeben, dass „eine Neuausschreibung die einzige rechtliche Möglichkeit darstellt, das Projekt unter Beibehaltung der vorausgesetzten Qualitätsstandards auf Schiene zu bringen“. Die genauen Beträge, um die es geht, finden sich in der Presseaussendung nicht. In Medienberichten war davor zu lesen gewesen, dass das Land von über 100 Millionen Euro ausging, in manchen Medien war von 132 Millionen Euro die Rede gewesen – statt der geplanten 80 Millionen. Diese Steigerung sei nicht nur unfinanzierbar, sie mache auch zwingend eine Neuausschreibung erforderlich, hätten doch die anderen Teilnehmer am Wettbewerb im Wissen um diesen höheren Kostenrahmen andere Entwürfe liefern können.

132 statt 80 Millionen, „vorausgesetzte Qualitätsstandards“ nicht eingehalten? Was sind das für Architekten? Welche Pfuscher hat die Jury da ausgesucht? Anfänger sind die Architekten jedenfalls nicht. Sie haben eine Fachhochschule in Salzburg, die Landeskliniken in Mödling und Tulln sowie in Innsbruck das Medizinzentrum in der Anichstraße, allesamt komplexe Millionenprojekte, als Generalplaner im Zeit- und Kostenrahmen erstellt. Woher kommen die Kostenüberschreitungen beim MCI? Oder gibt es sie vielleicht gar nicht?

Die maßgeblichen Kennzahlen finden sich in der Wettbewerbsausschreibung. Dort ist für das MCI eine Nutzfläche von 16.695 Quadratmetern angegeben, die zu einem Preis von netto 45 Millionen Euro zu realisieren sei. Diese 45 Millionen beziehen sich auf die Errichtungskosten des Bauwerks, die laut Ö-Norm drei von insgesamt neun Kostengruppen umfassen, nämlich Rohbau, Haustechnik und Ausbau. Nicht berücksichtigt sind Aufschließungskosten, Einrichtung, Außenanlagen sowie Honorare, Nebenkosten und Reserven. Eine weitere Kennzahl war die Gesamtkubatur, die über einen sehr groben Schlüssel ermittelt wurde: Nutzfläche mal 1,54 (ein von einem Gutachter festgelegter Faktor, mit dem Erschließung, Sanitär-, Konstruktions- und Technikflächen berücksichtigt werden) mal vier Meter durchschnittliche Geschoßhöhe.

Das Siegerprojekt lag in der Nutzfläche ein Prozent über der Vorgabe, bei der Kubatur mit einer Überschreitung von 30 Prozent im oberen Mittelfeld, was vor allem auf großzügige Lufträume zurückzuführen war. Die Jury, in der so erfahrene Architekten mitwirkten wie Dietmar Feichtinger, Kjetil Thorsen und Yvonne Farrell, die Direktorin der heurigen Architekturbiennale in Venedig, war überzeugt, dass sich das Projekt mit Anpassungen im Kostenrahmen realisieren ließe.

Im März 2017 wurden die Architekten mit der Ausarbeitung eines Vorentwurfs und einer Kostenschätzung beauftragt, die 56 Millionen Euro ergab. Das Land verlangte eine Reduktion auf 51 Millionen. Die sechs Millionen Differenz zu den 45 in der Ausschreibung genannten sind überwiegend einer Indexanpassung geschuldet. Den 45 Millionen lag eine Preisbasis von Jänner 2015 zugrunde. Laut Statistik Austria sind die Baukosten seither um zehn Prozent gestiegen.

Bis März 2018 erarbeiteten die Architekten in Zusammenarbeit mit dem MCI eine Variante mit einer Kostenschätzung von 51 Millionen. Anfang Juli schlossen sie den Vorentwurf und eine vertiefte Kostenschätzung ab, die 51,3 Millionen Euro ergab. Vonseiten der Nutzer waren in einigen Bereichen optionale Sonderpositionen gewünscht worden, die von den Planern außerhalb dieses Budgets dargestellt wurden.

Für den neuen, nach der Wahl vom Februar 2018 eingesetzten zuständigen Landesrat Johannes Tratter war das offenbar Grund genug, dem Projekt nicht mehr zu trauen. Er ging mit Kosten an die Öffentlichkeit, die alle Sonderpositionen und Kostengruppen einschlossen, mit einer Erhöhung der Reserven auf acht Prozent, einer Valorisierung von 20 Prozent – hochgerechnet auf den Fertigstellungstermin 2020 – und einer Unschärfe von zehn Prozent. Zusätzlich wurden die Kosten inklusive Mehrwertsteuer dargestellt.

Dass Politiker, Beamte und Rechtsgutachter bei diesem offensichtlich faulen Spiel mitmachen, ist ein Skandal. Entsprechend groß war die Entrüstung in der Fachöffentlichkeit. Über 200 namhafte Architekten unterzeichneten ein Protestschreiben, das von der Landesregierung nicht einmal beantwortet wurde. Mit dieser Strategie werden die Akteure noch gehörig auf die Nase fallen. Eine Neuausschreibung kann, auch angesichts massiv steigender Preise am Bau, nur teurer werden als die rasche Umsetzung des vorliegenden Projekts. Verlierer sind die Nutzer und die Steuerzahler, die ein teureres und schlechteres, im schlimmsten Fall über ein Totalübernehmerverfahren abgewickeltes MCI bekommen werden.

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