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On the Sunny Side of Design
On the Sunny Side of Design, Foto: Walter Luttenberger
On the Sunny Side of Design, Foto: Michaela Seidler
Spectrum

Industrie und Designer finden schwer zueinander: Das MAK versucht diesem Mißstand mit einem Design-Info-Pool abzuhelfen, das Wifi startete eine eigene Designoffensive. Allein: Produktive Zusammenarbeit ist ohne Innovationswillennicht zu haben.

29. Mai 1999 - Judith Eiblmayr
Angeblich krankt das österreichische Industrial Design daran, daß Produzenten und Designer nicht zueinander finden. Die Kreativen meinen, es gebe geringe Chancen auf Bewährung der erlernten Fähigkeiten, da sich hierzulande zuwenig Firmen einer professionellen Produktgestaltung bedienen würden. Die Seite der Wirtschaft bemängelt das oft mangelhafte Praxiswissen der Designer, qualifiziert sie in der Folge gerne als künstlerisch angehauchte Besserwisser ab und hält ihre Dienste für überwiegend verzichtbar.

Diese beiden – etwas klischeehaft geschilderten – Extrempositionen in produktiver Weise einander anzunähern, haben sich zur Zeit zwei Institutionen zur Aufgabe gemacht. Das Österreichische Museum für angewandte Kunst (MAK) vertritt traditionell den Anspruch, öffentliches Interesse für Design zu wecken und zwischen Designern, Industrie, Künstlern und Publikumzu vermitteln. Auf Basis eines aus dem Jubiläumsfonds der Oesterreichischen Nationalbank finanzierten Forschungsauftrags ging man 1989 daran, den Design-Info-Pool (DIP) einzurichten, ein Archiv, dem systematisch alle österreichischen Designer mit ihren Daten und Werken erfaßt wurden.

Man war bestrebt, eine Katalysatorfunktion zwischen Gestaltern und der designverwertenden Industrie einzunehmen und diese dahingehend wahrzunehmen, daß interessierte Firmen sich im MAK anhand des vorhandenen Materials einen Designer, eine Designerin ihrer Wahl aussuchen können. Mittlerweile hat sich – der technischen Entwicklung auf dem Mediensektor entsprechend – die Designer-Datei auch im Internet etabliert und kann nach einem halben Jahr auf 40.000 Zugriffe pro Monat verweisen. Allerdings werden diese vorwiegend von Studenten und Journalisten, also eher zur Grundlagenforschung, als von Firmen zur wirtschaftlichen Verwertung getätigt.

Gleichzeitig wird seitens der Wirtschaft, vom Wifi-Österreich eine eigene Designoffensive betrieben, indem Informationsmaterial unter dem Titel „Design bringt Ihr Produkt in Form“ an Produzenten mit der Aufforderung versandt wird, sich „mit einem Designer an einen Tisch zu setzen“. Das Wifi greift den Unternehmern dabei auch fördernd unter die Arme, indem es Erstgespräche mit Designern vermittelt und diese auch finanziell unterstützt. Beigelegte „Erfolgsstories“ dokumentieren die Sinnhaftigkeit einer solchen Kooperation.

Daß eine produktive Zusammenarbeit zwischen einer kleinen Firma und einem Designer fernab jeglicher Fördermodelle erfolgreich zustande kommen kann und nur auf dem Innovationswillen der Beteiligten basiert, soll nicht unerwähnt bleiben: Die Firma Kautzky Mechanik ist ein feinmechanischer Betrieb in Wien-Währing. Hier werden Metalle, Leichtmetalle und Kunststoffe verarbeitet.

Das Entwicklungs- beziehungsweise ProduktionsKnow-how des Familienbetriebs reicht von der Prototypenfertigung für die Industrie (etwa für Swarovsky-Optik) bis zur „cleaning-card“ für Bankomaten. Seit hundert Jahren produziert die Firma auch jene Proviantdosen aus Alublech mit den abgerundeten Ecken und der sternförmigen Lochung, die tapfer der Tupperware-Konkurrenz standhalten konnten. Auf die Bestimmung, die Apothekern vor zirka zehn Jahren vorschrieb, ihre Kräuter nur mehr in Aluminiumbehältern aufzubewahren, hatte die Firma Kautzky umgehend reagiert und vertreibt seither direkt über den Pharmaziegroßhandel Kräuterdosen in vorbildlichem anonymem Design – und in großen Mengen. Diese Firma hatte also keinerlei Probleme mit ihrer Produktgestaltung und auch keinen expliziten Bedarf an einem Designer. Umgekehrt jedoch hatte ein junger Designer eine Idee und Bedarf an einer guten Firma und wandte sich zwecks Kooperation an die Firma Kautzky. Das entwerferische Interesse von Gerald Wurz galt einem Sonnensegel, bei dem die konstruktiven Nachteile einer Markise vermieden werden sollten, das heißt, es sollte frei schwebend, ohne zwingend längs einer Hausmauer oder an eine stark dimensionierte Konstruktion gebunden zu sein, trotzdem über eine sinnvolle Flächengröße verfügen und in einfacher Weise auf- und abspannbar sein.

Bei der dreieckigen Segelform und dem Prinzip des Aufrollmechanismus nahm der Designer Anleihen am Segelsport, die Entwicklungsarbeit für das Endprodukt wurde in vorbildlicher kreativer Kooperation mit Herrn Kautzky senior geleistet, der sich an der Idee höchst interessiert gezeigt hatte.

Er lieferte durch sein umfassendes technologisches Wissen und seinen Willen zur „Tüftelei“ jene intelligenten Detaillösungen, die das Sonnensegel zu einem in Funktion und Gebrauch optimierten, objekthaften Sonnenschutz-System geraten ließ.

Das Segel benötigt vier Montagepunkte, zwei für die Antriebswelle, die die Rautenform in zwei Dreiecke teilt, und zwei für die Segelenden. Die Befestigung kann an freistehenden, fundamentierten Stahlstützen, aber auch an einem Punkt der Hausmauer erfolgen. Dazwischen wird das Segeltuch durch ein Seilsystem gehalten und über eine Doppelfeder vorgespannt. Windlasten werden elastisch abgetragen. Das Aufrollen erfolgt elektrisch, die zwei „Dreieckstücher“ werden ineinander und um die Antriebswelle herum gewickelt, ein sogenannter Windwächter sorgt für ein automatisches Einfahren des Segels bei einer Windgeschwindigkeit ab 40 Stundenkilometer.

„Sun Square System“ wird von der Firma Kautzky nun seit fünf Jahren hergestellt und über eine eigens gegründete Firma verkauft. Gerald Wurz ist mittlerweile mit seinem Büro voll damit ausgelastet, die einzelnen Objekte durchzuplanen, denn jedes ist eine Sonderanfertigung. Außerdem wird in die technische Perfektionierung und in die Entwicklung artverwandter Produkte, wie eines verschiebbaren Raumteilers aus zartem Nirostarohr, der mit Ballonseide bespannt ist, Zeit investiert.

Dieses positive Beispiel österreichischen Designs könnte insofern beispielgebend sein, als das innovative Zusammenspiel zwischen kreativem Kopf mit Fingerspitzengefühl und produzierender Hand mit Köpfchen so gut ablesbar wird. Wenn nicht nur die Umsetzung einer guten Idee, sondern auch das professionelle Marketing bei der Produktentwicklung bereits mitgedacht wird, kann eine kleine Firma auch international reüssieren: „Sun Square System“, das bei der Design-Staatspreisverleihung 1998 den zweiten Preis erhielt, wird demnächst in Italien vertrieben werden.

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