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Baukunst wie ein offenes Buch
Der Standard

„Pages“ von Zvi Hecker an der Hochschule für angewandte Kunst

3. Mai 1999 - Gert Walden
Wien - Die Studierenden der drei Meisterklassen für Architektur präsentieren gemeinsam mit Zvi Hecker dessen Bauten und Projekte aus den 90ern. Und wo Architekten eine Ausstellung machen, muß auch Architektur entstehen. Diesmal wurde die Aula der Angewandten - von Karl Schwanzer entworfen - einer temporären Veränderung unterzogen, die es in sich hat.

Schräg gestellte Holzwände durchschneiden das orthogonale System der Aula bis über die Eingangstür hinaus und dienen dabei der Projektpräsentation mit Fotos, Zeichnungen und Modellen. Ein „Hecker auf Zeit“ also, der die Entwurfsideen des Gastprofessors an der Angewandten hervorkehrt. Gleichzeitig entsteht eine konkrete Intervention, die mit einfachen Mitteln Karl Schwanzers puristisches Regelwerk in Frage stellt.

Hecker - in Polen 1931 geboren und 1950 nach Israel emigriert - ist ein prononcierter Antimodernist, der sich konsequent der mittlerweile in die Jahre gekommenen Wiederentdeckung der symbolischen Form, der Poesie des Räumlichen und der Sinnlichkeit des Gebauten verschrieben hat.

Immer wieder ist es das aufgeschlagene Buch mit seinen einzelnen Seiten - „Pages“ heißt auch die Schau - das in seine Architektur wörtlich im Sinn von faktisch übersetzt wird. Die einzelnen Gebäudeteile strahlen in die Umgebung aus, sie finden sich in einer oft imaginären Mitte und sind über gewundene Wege miteinander verbunden. So erleben die Schüler der Heinz-Galinski-Schule in Berlin die Weite und Enge, die Höhen und Tiefen des Räumlichen auf substantielle, weil konkret gebaute Weise.

Auch beim städtebaulichen Entwurf „Berliner Berge“ für eine der diffus-öden Siedlungsgewürm bemüht Hecker die Metaphorik der Natur, um konkrete räumliche Maßnahmen zu ergreifen. Neue Platzwände werden geschaffen, neue Beziehungen zwischen den Dingen, nämlich den Wohnungsscheiben, entstehen und überspitzen als Bauten auch das Vorhandene in der Vertikalen.

Zvi Hecker konfrontiert sein Konzept des Bildhaften und Elementaren gerade bei den Projekten in Deutschland mit der Geschichte und Gegenwart des jüdischen Lebens. Und hier wirken seine Entwürfe erstaunlich frisch, selbstbewußt und unbelastet, wenn man etwa an die gedankenschwere Architektur des jüngeren Daniel Libeskind denkt. (bis 20. 5.)

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