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Ethik statt Ästhetik?
Neue Zürcher Zeitung

Die 7. Architekturbiennale in Venedig

17. Juni 2000 - Roman Hollenstein
Seit einigen Jahren sonnt sich die Architektur in neuer Popularität. Wortschöpfungen wie Star- oder Kultarchitekt zeugen ebenso von diesem Höhenflug wie etwa die jüngste Medienpräsenz der Tate Modern von Herzog & de Meuron in London oder des «Klangkörpers» von Peter Zumthor auf der Expo in Hannover. Doch nun soll am Status solcher baukünstlerischer Meisterwerke gerüttelt werden. Ort der Tat ist die 7. Architekturbiennale von Venedig, die heute Nachmittag in den Giardini feierlich eröffnet wird. Unter dem etwas bizarren Titel «Città, less Aesthetics, more Ethics» versucht der Biennaledirektor Massimiliano Fuksas in den offiziellen Bereichen der Leistungsschau - also im italienischen Pavillon, in den Corderie und erstmals auch im Arsenal - dem vorherrschenden ästhetischen und formalen Diskurs ethische Dimensionen entgegenzuhalten. Das museographisch wenig überzeugende und höchst heterogen umgesetzte Ansinnen stellt aber weder die Investorenarchitektur noch die wuchernden Megacities der Dritten Welt wirklich zur Diskussion, sondern gefällt sich in Beiträgen von rund 90 Architekten. Geboten werden weniger klare Lösungen als vielmehr - dem Weltbild des moderaten Dekonstruktivisten Fuksas entsprechend - möglichst exzentrische Arbeiten. Dass dabei im Bereich der neo- organischen Baukunst auch jüngere Vordenker, allen voran Greg Lynn und Hani Rashid, zum Zuge kommen, ist zweifellos das interessanteste Moment dieser Biennale.

Lynn und Rashid gestalteten zudem im US- Pavillon den wohl anregendsten Länderbeitrag in Form eines architektonischen Workshops. Dieser streift allerdings die Begriffe Stadt und Ethik kaum, bemüht sich dafür aber um eine neue Ästhetik. Da trifft die rumänische Schau, die die Entwicklungsprobleme des von Ceausescu gepeinigten Bukarest beleuchtet, das vorgegebene Biennale-Thema besser. Österreich hingegen zelebriert einmal mehr seine neusten architektonischen Sehenswürdigkeiten, nur dass sie diesmal nicht von Einheimischen stammen, sondern - im Zeichen Haiders - von internationalen Stars. Aus dem Konzert der insgesamt 34 Nationen, die ihre Beiträge in eigenen Pavillons präsentieren, muss ausgerechnet die Schweiz ausscheren und sich - ganz ohne Architektur, dafür mit rassistischen Graffities - als Insel der «Glückseligen» aufspielen. Diese ist allerdings nur über eine wacklige Bautreppe von ausserhalb des Biennaleareals zugänglich.


[ Die 7. Mostra Internazionale di Architettura dauert bis zum 29. Oktober. Katalog 120 000 Lire. Eine ausführliche Besprechung folgt. ]

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Für den Beitrag verantwortlich: Neue Zürcher Zeitung

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