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Wegweisende Architektur am Innenhafen
Neue Zürcher Zeitung

Duisburg setzt neue Massstäbe für das Ruhrgebiet

2. Juli 1999 - Roman Hollenstein
Die Auswirkungen der IBA Emscher Park sind im nördlichen Ruhrgebiet allenthalben auszumachen. Symbol dieser Erneuerung ist die von Norman Foster zum Design Center Nordrhein- Westfalen umgebaute Zeche Zollverein in Essen. Nirgends aber trifft man auf ein gelungeneres Bauensemble als an dem vor 106 Jahren in Betrieb genommenen und nach seinem dramatischen Niedergang jüngst zum Denkmal der Industriekultur avancierten Duisburger Innenhafen. Auch wenn die Transformation des 89 Hektaren grossen Areals noch lange nicht abgeschlossen ist, nimmt man hier nun das offizielle IBA-Finale als Anlass zur Präsentation einer informativen Dokumentation der bisherigen Wandlungen. Anhand von Photographien und Plänen wird in den ehemaligen Petershallen am Philosophenweg vis-à- vis der von Herzog & de Meuron zum Museum Grothe umgestalteten Küppersmühle die Geschichte dieses Ortes nachgezeichnet, der sich in kürzester Zeit vom «verbotenen» Gebiet zum spannendsten Quartier der sonst eher etwas bieder anmutenden Stadt Duisburg gemausert hat.

Die Ausstellung holt weit aus: Malerische Rheinkähne und rauchende Hochkamine beschwören die grosse Zeit, als der 1600 Meter lange Innenhafen zwischen der 1909 entstandenen Küppersmühle und dem 1913 vollendeten «Kontorhaus» noch der Brotsack des Ruhrgebiets war. Nicht verschwiegen wird der dramatische Niedergang: Nach der Schliessung der letzten Mühlen in den siebziger Jahren vermoderten die Industriedenkmäler zusehends. Doch kurz vor deren endgültiger Zerstörung setzte ein Umdenken ein, das durch die 1989 eröffnete IBA Emscher Park noch gefördert wurde.

Einen 1991 ausgeschriebenen Wettbewerb für die Umgestaltung des Innenhafenareals konnte der zum eigentlichen Allesmacher im Ruhrgebiet aufgestiegene Norman Foster für sich entscheiden. Der dadurch ausgelöste Strukturwandel wird mit euphorisch stimmenden Bildern dokumentiert. Die alten Kolosse wurden in Büro- und Kulturbauten, der östliche Innenhafen in ein seeartiges Gewässer umgewandelt und neue Wohnzonen durch Grachten erschlossen. Insgesamt 500 Wohnungen und der von Dani Karavan gestaltete «Altstadtpark» sollen auf dem von weniger wertvollen Lagerhallen bis auf einige denkmalhafte Rudimente befreiten Land entstehen. Die im vergangenen Jahr fertiggestellten Wohnbauten von Auer und Weber haben sich ebenso bewährt wie das Seniorenzentrum und das 1996 von Foster umgebaute Hafenforum. Weitere 66 Eigentumswohnungen von Ingenhoven, Overdiek & Kahlen, 32 Sozialwohnungen von Steidle & Schmitz sowie 68 Mietwohnungen von Foster sind im Bau. Dieser soll auch das bumerangförmige Geschäftshaus Eurogate am Nordufer des Innenhafens erbauen, eine strahlende Lichtvision, der in der Schau ein eigener Bereich vorbehalten ist.

Die architektonischen Höhepunkte des Quartiers und wohl des ganzen Ruhrgebiets aber sind das urbanistisch präzis zwischen Stadt und Altstadtpark gesetzte Jüdische Gemeindezentrum von Zvi Hecker, ein expressiver Baukomplex von hohem künstlerischem Interesse (NZZ 26. 6. 99), und die Küppersmühle. In dieser kann sich die mit deutscher Kunst von Baselitz bis Trockel aufwartende Sammlung Grothe dank dem ebenso überzeugenden wie zurückhaltenden Umbau von Herzog & de Meuron hervorragend in Szene setzen. Nach Süden behält das gigantische Gebäude wegen der diaphanen Wandstruktur sein altes Aussehen, nach Norden hin wurden die Fenster aber zugemauert, doch bringen schmale Fensterschlitze Licht in die doppelgeschossigen Ausstellungssäle. Die Forderung von Künstlerseite nach neutralen Räumen ist hier optimal erfüllt. Einzig in dem sich über einem trapezoiden Grundriss erhebenden neuen Treppenhaus aus rot gefärbtem Beton erlaubten sich die Basler spektakuläre Raumeffekte und fanden so zu einer höchst ungewohnten Formensprache.


[ Die Küppersmühle ist täglich ausser montags am Nachmittag geöffnet. Die Photoausstellung in den ehemaligen Petershallen ist bis zum 1. August ebenfalls täglich ausser montags von 14 bis 20 Uhr geöffnet. Der Katalog kostet DM 12.-. ]

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Für den Beitrag verantwortlich: Neue Zürcher Zeitung

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