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Halle für alle Turn On 2024
Der Standard

Das Handelszentrum HZ16 in Salzburg ist ein Ort, von dem viele träumen. Ein rougher Hub mit Sport, Medizin, Produktion, Hightech-Start-ups und Biogarnelenzucht im Keller. Mehr davon beim Architekturfestival Turn On.

17. Februar 2024 - Wojciech Czaja
Vor wenigen Tagen erst hat hier eine Hochzeit stattgefunden. Kathi und Luki haben sich, wie der Willkommenstafel in romantisch geschwungenen Lettern zu entnehmen war, das Ja-Wort gegeben. Die Halle war voll mit Blumenschmuck, bunten Fauteuils und festlich drapierten Tischtüchern. „Hochzeiten stehen nicht unbedingt auf der Tagesordnung“, sagt Marco Sillaber, „doch dafür passiert es regelmäßig, dass sich Leute und Unternehmen für Feiern und Preisverleihungen bei uns einmieten, weil sie das außergewöhnliche Ambiente zu schätzen wissen. Eine Halle wie diese wird man in ganz Österreich kein zweites Mal finden.“

Ort des Geschehens ist das Handelszentrum 16, kurz HZ16, in Bergheim bei Salzburg. Einst hatte Universal Versand hier, lange vor Ebay, Amazon und Zalando, sein österreichisches Zentrallager. 2002 wurde der 43.000 Quadratmeter große Hallenkomplex im Zuge der Logistikumstellung aufgegeben, ab diesem Zeitpunkt stand das Areal weitestgehend leer. Der Salzburger Investor und Projektentwickler Marco Sillaber, der in seiner Heimatstadt bereits das Gusswerk (Österreichischer Bauherrenpreis 2008 und 2013) und die Panzerhalle in Maxglan (2015) zu neuem Leben erweckt hatte, konnte sich als Käufer durchsetzen und riss auch dieses, äußerlich nicht sonderlich schöne Ding aus dem Dornröschenschlaf.

„Ich wollte den Bestand erhalten und mit dem arbeiten, was da ist“, sagt der 62-Jährige auf der kilometerlangen Führung durchs HZ16, „auch wenn es nicht gerade das leichteste Unterfangen ist, einer lieblosen Logistikarchitektur aus den 1970er-Jahren einen gewissen Charme herauszukitzeln. Doch den Smartvoll Architekten ist genau das gelungen. Sie haben es geschafft, den Geist des Hauses zu erhalten und die hässlichen Stützen, Betonträger und Dachuntersichten in einen neuen, ästhetischen Kontext zu rücken.“ Kommenden Samstag, den 24. Februar 2024, wird Smartvoll das Projekt im Rahmen des jährlich stattfindenden Architekturfestivals Turn On der Öffentlichkeit vorstellen.

Industrielle Rotzigkeit

Während sich der Architekturstandard hierzulande immer mehr in Richtung technischer Perfektion, aalglatter Allerweltsschönheit und verwertungstechnisch getriebenen Wegsanierens von Patina, Geschichte und Gebrauchsspuren entwickelt, entfaltet das revitalisierte HZ16 eine faszinierende industrielle Rotzigkeit. Man kann sich kaum erwehren, jede Stahlstange, jedes Metallgitter, jedes galvanisierte Stück Geländer anzugreifen und nicht nur mit den Augen, sondern auch mit den Händen zu ertasten. Die einstige Nutzung des Hauses als Hochregallager für Konsumprodukte und Europaletten wird bis zur allerletzten Schraube durchzelebriert.

„Bei Projekten wie diesen ist weniger meist mehr“, sagt Christian Kircher, Partner bei Smartvoll Architekten. „Ja nicht zu viel machen! Es reicht, einfach nur den Beton, den Stahl und die Glasbausteine für sich sprechen lassen. Und nach Möglichkeit mit dem Raum, mit dem Budget, mit der inhaltlichen Logik des Projekts arbeiten – und nicht dagegen!“ Die gold-gelblich schimmernde Oberfläche des Geländers ist nichts anderes als eine industrielle Galvanisierung, wie man sie im Baumarkt bei Schrauben, Scharnieren und Möbelbeschlägen vorfindet. „Wir mussten einen Kilometer Geländer produzieren“, so Kircher. „Jede andere Oberflächenveredelung hätte den finanziellen Rahmen gesprengt.“ Die Gesamtgestehungskosten für das privatfinanzierte Projekt – inklusive Immobilienkauf und Sanierung – belaufen sich auf unter 1000 Euro pro Quadratmeter.

Dynamische Planungszyklen

Für Philipp Buxbaum, ebenfalls Smartvoll, zeigt die schrittweise Revitalisierung des HZ16 eine neue Planungskultur: „Lineare Planungsprozesse gehören der Vergangenheit an. Gerade bei so komplexen, vielschichtigen Bestandsprojekten wie diesem müssen Architekten, Bauherren, Behörden und auch Mietpioniere eine gewisse Fluidität und Flexibilität an den Tag legen. Als wir begonnen haben zu planen, stand die Nutzung noch nicht fest, und als die ersten Bagger angerollt sind, wussten wir noch immer nicht, wer sich hier eines Tages einmieten oder als Eigentümer beteiligen wird. Wenn wir die Bestandsstadt in den Griff kriegen wollen“, so Buxbaum, der die konstruktive, außergewöhnlich kollegiale Zusammenarbeit mit den Salzburger Behörden hervorheben möchte, „wird an solchen dynamischen Planungszyklen kein Weg vorbeiführen.“

Das Risiko hat sich ausgezahlt. Vor zwei Jahren wurde das HZ16 fertiggestellt. Heute beherbergt es Fachhandel, Tanz- und Sportstudios, digitale Hightech-Start-ups, Produzenten für Skier, Küchen und Fitnessgeräte, Büroniederlassungen im Bereich Auto, Mode und Kreativwirtschaft, und im Untergeschoß befindet sich sogar eine Salzburger Biogarnelenzucht, auf dem unvergesslichen Logo eine Garnele mit Mozartperücke auf dem Kopf. Der Nutzer für die letzte noch verbleibende Freifläche steht auch schon fest: Zwischen den galvanisierten Geländern wird in Kürze ein medizinisches Großlabor für Harn-, Stuhl-, Blut- und Gewebeproben einziehen. Alle reden immer von Nutzungsvielfalt. So sieht sie in gebauter und gelebter Praxis aus.

Die aktuellen Krisen sind zur Normalität geworden. Umso wichtiger sind neue Perspektiven für die Zukunft. Was sind die Fluchtpunkte, auf die sich unsere Gesellschaft hinentwickeln soll? Dieser Frage widmet sich Margit Ulamas Architekturfestival Turn On, das am Freitag und Samstag im Musiktheater Muth über die Bühne gehen wird.

Der Freitag steht traditionell im Zeichen des interdisziplinären Dialogs zwischen Architektur, Bauwirtschaft und Bauindustrie. Diesmal mit einem Einblick in die Internationale Bauausstellung IBA’27 in Stuttgart sowie in Wohn-, Kultur-, Freizeit- und Infrastrukturprojekte in Berlin, Wien, Graz, Salzburg, St. Pölten und Prinzersdorf. Mit einer Präsentation des neuen Krallerhofs von Hadi Teherani in Leogang und einem Beitrag zum Stadtentwicklungskonzept „ISEK: Das Klimaticket zur enkeltauglichen Ortskernentwicklung“.

Am Samstag werden wie immer neun Stunden lang Architekturprojekte im Nonstop-Modus präsentiert – u. a. mit dem HZ16, Peter Haimerls Wabenhaus in München, einem Hausumbau von Claudia Cavallar, dem neuen BWM-Hotelensemble in Bad Gastein, innovativen Wohnprojekten in Wien, Tirol und der Schweiz sowie mit einem Turn-On-Talk zum umsichtigen Umgang mit Bodenressourcen.

Freitag, 23. Februar, 10 bis 19 Uhr, Samstag, 24. Februar, 13 bis 22 Uhr. Theatersaal im Muth, Am Augartenspitz 1, 1020 Wien. Eintritt frei.

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