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Kompensation eines Verlusts
Neue Zürcher Zeitung

Pläne für den Umbau der Penn Station in New York

1963 fiel die historische Pennsylvania Station in Manhattan dem Abriss zum Opfer. Seitdem werden die Züge im Untergeschoss einer Shopping und Entertainment Mall abgefertigt. Nun möchte man den Bahnhof als markantes Zeichen ins Stadtbild zurückholen. Pläne des renommierten New Yorker Architekturbüros Skidmore, Owings & Merrill liegen bereits vor.

18. September 1999 - Hubertus Adam
Es gibt wohl kaum einen unangenehmeren Bahnhof als die Pennsylvania Station in Manhattan. Wer von hier aus einmal den Zug genommen hat, dem bleiben die stickigen Gänge und langen Warteschlangen in Erinnerung. Vielen Besuchern New Yorks dürfte allerdings der Name «Penn Station» kaum etwas sagen. Das ist weiter nicht verwunderlich, denn oberirdisch deutet nichts mehr auf einen Bahnhof hin. Die Station befindet sich heute in den Untergeschossen der architektonisch belanglosen Madison Square Gardens, eines Bürohochhauses mit Shopping Center und Entertainment Mall im Sockelbereich. Der ganze Komplex wird von der 7. und 8. Avenue sowie von der 31. und 33. Strasse begrenzt. Mit täglich mehr als 500 000 Passagieren - die Anzahl ist höher als die aller Fluggäste der drei New Yorker Airports zusammen - gilt die Penn Station als meistfrequentierter Verkehrsknoten der Stadt. Hier kreuzt sich das Schienennetz der Strecken nach New Jersey, Pennsylvanien und in die südlichen Staaten mit der Long Island Rail Road und der New Yorker Subway. Auf Dauer konnte es weder im Sinne der Bahnverwaltung noch der Stadt sein, den Reisenden einen derart kümmerlichen Eingang zum Bahnhof zu bieten, bei dem sich lange Wartezeiten wie auf Flughäfen mit der katakombenartigen Atmosphäre von U-Bahnen verbinden.


Die Caracalla-Thermen von Manhattan

Möglicherweise durch die im letzten Jahr abgeschlossene mustergültige Renovierung des Grand Central Terminal inspiriert, wenn nicht gar unter Zugzwang gesetzt, will man nun wieder ein wenig an die grosse Zeit der Bahnhöfe des 19. Jahrhunderts anknüpfen. Allerdings ist die Entscheidung des Jahres 1963, das grandiose, von McKim, Mead & White im Sinne des «City Beautiful Movement» entworfene Bahnhofsgebäude abzureissen, nicht mehr zu revidieren. Paul Goldberger, der Architekturkritiker der «New York Times», bezeichnete den Abbruch seinerzeit als «the greatest single act of vandalism New York has ever seen». Der einzige Vorteil war, dass damals auf Grund der allgemeinen Empörung die städtische Landmarks Preservation Commission ins Leben gerufen wurde, die vergleichbare Vorgänge fortan wenn nicht verhinderte, so zumindest doch erschwerte.

Fast zynisch wirkt es, wenn heute in den niedrigen Kellergelassen der Penn Station historische Photos des alten Bahnhofs hängen, der mit seiner monumentalen toskanischen Säulenordnung an der Front zur 7. Avenue und der den Caracalla- Thermen in Rom nachempfundenen Schalterhalle zu den grössten der Welt zählte. Weil die seit den neunziger Jahren des vorigen Jahrhunderts erwogene Untertunnelung des Hudson River lange ingenieurtechnisch nicht zu bewältigen war, endete die Bahnstrecke von Philadelphia zunächst mit dem Fähreterminal von Hoboken am Westufer des Hudson in New Jersey. Erst 1910, nach Fertigstellung des elektrifizierten Tunnels, konnte das Empfangsgebäude in Central Manhattan eröffnet werden. Die Ergänzung des Bahnhofs bildet das 1914 ebenfalls nach Entwürfen aus dem Büro von McKim, Mead & White jenseits der 8. Avenue über dem Westende der Bahnsteige errichtete Postgebäude, das im gleichen Stil 1935 erweitert wurde.


Segel über der Stadt

Die Entscheidung der Post, den älteren Baukörper - das sogenannte «Farley Post Office» - weitestgehend zu räumen, eröffnete nun die Möglichkeit, die Penn Station prinzipiell zu reorganisieren. Nach den Entwürfen des Architektenteams um David Childs vom vielbeschäftigten Büro Skidmore, Owings & Merrill wird das Postgebäude gleichsam zum neuen Bahnhof umgebaut; der Hof, in dem heute noch Post sortiert wird, wandelt sich dann zur Empfangshalle. Durch grossflächige Verglasungen - auch an der Nord- und Südseite des Gebäudes - soll möglichst viel Licht auf die Gleisebene fallen, um deren unwirtlichen Charakter etwas zu mildern. Zum markanten, das Stadtbild prägenden Zeichen aber wird die wie ein geblähtes Segel hoch aufragende, Stahl-Glas-Konstruktion über der Eingangs- und Schalterhalle, die Childs zwischen den beiden Postgebäuden anordnet. Von den projektierten 484 Millionen Dollar Gesamtkosten übernehmen Föderation, Bundesstaat und Stadt 350 Millionen. Im Jahr 2003 soll der Umbau fertig sein und dann von der Renaissance der Bahnhöfe in New York zeugen.

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Für den Beitrag verantwortlich: Neue Zürcher Zeitung

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