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Zauberberg bei Santiago
Neue Zürcher Zeitung

Peter Eisenmans «Cidade da Cultura»

16. September 1999 - Markus Jakob
Vor zwei Jahren machte Frank O. Gehry in Bilbao mit dem Guggenheim Museum Furore. Man hat ausgerechnet, dass allein die Gratispublizität in den Weltmedien, die der baskischen Stadt dadurch zuteil wurde, den anderthalbfachen Wert der Baukosten erreichte. Nun setzt Spaniens nordwestliche Region Galicien zu einem ähnlichen Coup an. Die Protagonisten heissen diesmal Peter Eisenman, Santiago de Compostela und «Cidade da Cultura». Geplant ist ein 180-Millionen-Franken-Komplex aus Museen, Bibliotheken und Konzertsälen, wie er freilich gerade Santiago zuletzt not tut. Die Pilgerstadt hat nicht nur zu ihrem reichen baulichen Erbe gut Sorge getragen; sie wurde in jüngster Zeit auch mit neuen kulturellen Infrastrukturen - so dem Centro Galego de Arte Contemporánea von keinem geringeren als Alvaro Siza - reich bestückt.

Mit der voraussichtlich im Jahr 2003 fertiggestellten Kulturfabrik scheint sich der altgediente galicische Regionalpräsident Manuel Fraga selbst ein Denkmal setzen zu wollen. Fraga, einst Informationsminister Francos, dann Gründer des heute regierenden Partido Popular, ist Spaniens unverwüstlichster Politiker. Er präsidierte persönlich die Jury, die Eisenmans Entwurf den Vorzug gab. Unter den Geschlagenen: Steven Holl, Daniel Libeskind, Juan Navarro Baldeweg, Manuel Gallego, Annette Gigon und Mike Guyer sowie Rem Kohlhaas. - Eisenman hat, wie ausser ihm sonst nur noch die beiden Franzosen Jean Nouvel und Dominique Perrault, die topographischen Voraussetzungen zum eigentlichen Thema seines Entwurfs gemacht. In den zwischen der Altstadt und der Autopista del Atlántico gelegenen Monte de las Gaias legt er Schnitte, die mit einigem guten Willen an das Symbol Santiagos, nämlich an die Rillen der Jakobsmuschel erinnern. Die Bauten um die in die Hügelkuppe gekerbten Gassen bilden die bestehende, wundersamerweise bis heute unversehrte Landschaft nach oder wandeln sie ab. Während die Mehrzahl der andern Wettbewerbsteilnehmer unerschrocken mehr oder weniger voluminöse Kontrapunkte gegen die Altstadtsilhouette setzten, sah Perraults Vorschlag vor, den Berg auszuhöhlen, um die Kulturstadt ganz im Boden zu versenken und über Spiegel mit Tageslicht zu versorgen. Dagegen mutet Eisenmans Lösung ebenso kühn wie behutsam an - vermutlich der intelligenteste der elf Entwürfe. Einen galicischen «Zauberberg» erahnt das Jurymitglied Kurt Forster darin. Auf die Ausführung darf man gespannt sein.

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