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Der Reiz des Unvollendeten
Neue Zürcher Zeitung

Der Architekt François Seigneur in Arles

12. Oktober 1999 - Hans Hartje
Unter dem provokanten Titel «Um nicht zu sterben, werde ich mein eigenes Haus niemals vollenden. Warum also die Häuser anderer Leute vollenden?» ist gegenwärtig im Espace van Gogh in Arles eine Ausstellung zu sehen, in der 15 Projekte und Realisationen des Architekten und Künstlers François Seigneur gezeigt werden. Der für Architektur eher untypische Ausstellungsort erklärt sich durch die Tatsache, dass der 1942 geborene, aber erst seit 1992 hauptamtlich als Baukünstler tätige Allrounder Seigneur seit 1996 seine Agentur in Arles betreibt. Die Ausstellung selbst besticht durch die Anschaulichkeit, mit der bisher nicht realisierte Projekte wie die «Rehabilitation» der Keksfabrik Lu in Nantes oder das Zentrum für moderne Kunst in Meymac plastisch vor dem Auge des Betrachters erstehen. Die zur Realisierung gelangten Entwürfe dagegen scheinen vergessen machen zu wollen, dass hier überhaupt ein Architekt am Werk war. Davon zeugen beispielsweise der Bilderbrunnen im französischen Pavillon der Weltausstellung in Sevilla aus dem Jahr 1992 oder die diskret in die Landschaft eingepasste Einfahrt des Somporttunnels in den westlichen Pyrenäen. Seigneur selbst vergleicht seine Vorgehensweise am liebsten mit der eines Komponisten, der seine aus Versatzstücken der Vergangenheit zusammengesetzte Musik auf der Zeitachse in die Zukunft projiziert.


[ Bis 27. Oktober. - Begleitpublikation: François Seigneur. 15 Projets. Hrsg. Patrice Goulet und Francis Rousseau. Edition IFA, Paris 1999. 100 S., fFr. 50.-. ]

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