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Die Abstraktion der Natur
Neue Zürcher Zeitung

Tadao Ando in einer Berliner Werkschau

22. Oktober 1999 - Claudia Schwartz
Architektur lässt sich schwer vermitteln anhand von ausgestellten Skizzen, Photographien oder Modellen. Beim Werk von Tadao Ando wird das in besonderem Masse spürbar, sind doch die Gebäude des japanischen Architekten durch und durch Inszenierungen, in denen dem Menschen eine eigene Rolle zugeschrieben ist. Man muss diese Bauten eigentlich begehen, um sie zu erfahren. Für die erste Ando-Werkschau in Deutschland hat man in der Galerie Aedes East in Berlin in sorgfältiger Recherchierarbeit eine umfangreiche Dokumentation zusammengestellt. Wenngleich Zeichnungen und Entwürfe manchmal den Blick zu verstellen drohen auf diese «Orte der Kontemplation», die weniger nach Konstruktion oder Funktion als nach dem Erscheinungsbild fragen. In der klugen Auswahl der Beispiele präsentiert man einen guten Überblick. Mit Andos Museum für Zeitgenössische Kunst auf Naoshima etwa: Die reine Geometrie der Ausstellungshalle fügt sich in den Bergrücken der südlichen Inselspitze ein, so dass der Bau kaum auffällt. Die Verbindung von Architektur und Natur ist ein charakteristisches Merkmal von Andos Werk. Freilich meint Natur bei ihm immer eine disziplinierte, um nicht zu sagen: abstrahierte Landschaft. In Naoshima stellt er Gebäude und Umgebung in ein Spannungsfeld: einerseits gehen manche Exponate vom Innen- in den Aussenraum über, andrerseits dient die Landschaft manchen Objekten drinnen als Kulisse. Präsentiert werden unter anderem auch der minimalistisch-moderne Rokko-Wohnkomplex an der Steilküste zwischen Osaka und Kobe oder das Projekt für ein Museum der Weltkulturen, ein gläserner Brückenschlag über den Rhein zwischen Karlsruhe und Strassburg. (Bis 11. November)


[ Tadao Ando. Orte der Kontemplation. Hrsg. Galerie Aedes East, Berlin 1999. 48 S., DM 20.-. ]

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