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Richterrotes Architektur(mani)fest
Der Standard

Endlich ist es gelungen, Helmut Richters Architekturen zwischen zwei Buchdeckeln einzufangen.

15. Januar 2000 - Ute Woltron
Mit Architekturbüchern verhält es sich folgendermaßen: Es gibt außerordentlich viele. Es gibt außerordentlich viele unnötige. Es gibt insbesondere ganz eindeutig zu viele über ganz besonders schlechte Architekten. Und es gibt oft ganz besonders gute Architekten, über die gibt es überhaupt keine Bücher - Helmut Richter ist bis diese Woche einer von ihnen gewesen. Richterrot wie die Lkw-Plane des Hauses Königseder, wie die Stiegenhäuser der Wohnanlage Brunner Straße und der Boden des Restaurants Kiang 2 liegt es nun vor, das Buch über den eigenbrötlerischen Ausnahmearchitekten und fortschrittlichsten Architekturlehrer der Technischen Uni Wien. Spät kommt es, und schön ist es geworden. „Helmut Richter. Bauten und Projekte“ verführt in handlicher Form und mit klarem Layout zum Durchwandeln der technisch so ausgefeilten, bis zum letzten Schrauberl durchkomponierten Richterschen Architekturwelten. Angefangen von ersten Möbelentwürfen wie das „Mobile Büro“ in Kofferform aus dem Jahr 1966 über kleinere, aber aufsehenerregende Projekte wie das nirostaspiegelnde „Bad Sares“ bis zu den Großbauten jüngeren Datums, etwa die Hauptschule am Wiener Kinkplatz und die Wohnanlage in der Brunner Straße, werden das gesamte gebaute Werk und die wichtigsten nicht verwirklichten Entwürfe und Wettbewerbsprojekte in diesem Band vorgestellt.

Das gezeigte Architekturwerk entstand in den vergangenen fünfundzwanzig Jahren und dokumentiert den ziemlich verbissenen, ziemlich unerschrockenen und ziemlich erfolgreichen Weg eines Architekten, der ihn, von einer gnadenlosen Kompromisslosigkeit und einer gesunden Sturheit geleitet, über viele Stöcke und Steine, Magistrate, Obersenatsräte und andere Architekturhürden geführt hat.

Nicht nur Architekturstudenten werden sich über die sehr genaue Dokumentation der Gebäude inklusive vieler Detailpläne und Grundrisse freuen. Richter ist berühmt-berüchtigt für seine Detailgenauigkeit und -versessenheit, was Kollegen Peter Cook im Vorwort zum Buch zur Feststellung verleitete: „Es braucht einen neuen Begriff an Stelle des abgenutzten ,High-Tech', um eine kritische Nahtstelle im Architekturgeschehen der zweiten Hälfte dieses Jahrhunderts zu bezeichnen: etwas wie ,Hand-tailored Tech'. Damit ließe sich das Werk von Helmut Richter und einigen anderen weltweit verstreuten Architekten treffend beschreiben.“

Am kommenden Dienstag, den 18. Jänner, gibt es um 22 Uhr eine Buchpräsentation, quasi ein Richterfest, im MAK-Lesesaal. Die Gäste begrüßen wird MAK-Hausherr Peter Noever, und Architektenkollege Günther Domenig, von einer ähnlichen Sturheit und Liebe zur in Gebäudeform gebrachten Materie beseelt wie Richter, wird zum Buch die sicher richtigen Worte finden.

Walter Chramosta (Text), Walter Bohatsch (Grafik), Helmut Richter. Bauten und Projekte; deutsch und englisch, öS 862,-/212 Seiten, Birkhäuser, Basel 2000.

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