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Kosmisch oder irdisch
Der Standard

Architektur ist alles, was in ein Buch passt.

7. Dezember 2001 - Ute Woltron
In den vergangenen Jahren hat die Architekturbuchproduktion zu einer erstaunlichen Fülle gefunden, und es ist nicht ganz einfach, einen Weg durch die Irrgärten dieser Publikationsstapel zu finden. Diverse Zeitschriften schauen mittlerweile aus wie große, prächtig gemachte Bücher. Manche Bücher bedenkt man dafür wieder mit layouterischen Behandlungen wie Insidermagazine. Mit anderen Worten: Alles ist erlaubt, vieles gefällt, manches informiert dabei auch. Das ALBUM bringt an dieser Stelle eine völlig willkürliche Auswahl verschiedener, für sich jeweils interessanter Publikationen.

Eine davon befasst sich zum Beispiel in üppiger Aufmachung mit Cosmic Architecture in India (von Andreas Volwahsen, Verlage Prestel und Mapin, öS 715,-/EURO 51,96) Sollten Sie nicht gewusst haben, dass es die gibt, so sind Sie nicht allein, können aber hiermit alles darüber nachlesen: Maharadscha Jai Singh II. von Jaipur ließ in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts diverse Observatorien anlegen, deren Sinnhaftigkeit und Nutzen wahrscheinlich nur von Astrologen völlig ausgelotet werden können, die aber als architektonische Skulpturen und Monumente von erstaunlicher Anmut und Würde sind. Das etwa auf unserer Abbildung links gezeigte „Mishra Yanta“ in Neu-Delhi kann neben kosmisch Wissenswertem auch die Ausrichtung von Meridianen und des Äquators anzeigen. Jai Singhs „astronomische Instrumente“ wurden von hinduistischen Priester-Architekten wie Mandalas angelegt und sollen sozusagen als der steinerne Ausdruck einer kosmischen Ordnung verstanden werden.

Eine gewisse kosmische Ordnung anderer, zeitgenössischer Art stellen die diversen Computerprogramme dar, mit deren Hilfe heute gebaut, konstruiert und sogar Material geformt wird. Die Publikation Architektur und Computer (Herausgegeben von James Steele, Verlag Callwey, öS 1007,-/EURO 73,18) versucht der „Planung und Konstruktion im digitalen Zeitalter“ auf die Schliche zu kommen und stellt den Rechner als „Cybertool“ mit all seinen Stärken und Schwächen vor. Gezeigt werden Entwürfe und realisierte Projekte von Toyo Ito, dem (was Computerarchitekturbücher anbelangt) mittlerweile unvermeidlichen Frank O. Gehry, Peter Eisenman, NOX, Karl S. Chu, Coop Himmelb(l)au, Morphosis und vielen anderen. Hauptaugenmerk legt das Buch allerdings auf die verschiedenen Computerprogramme, die das Morphen und Computerwürgen überhaupt erst möglich machen. Englischsprachige Publikationen dieser Art liegen bereits seit geraumer Zeit vor, die deutschen Versionen haben auf sich warten lassen. Architektur und Computer ist eine der ersten von ihnen und für noch nicht so in diese bitzlige Materie Eingearbeitete sicher ein informativer Einstieg.

Manche Computerprodukte, vor allem die des Designs, haben die seltsame Aura des neumodisch verspielten Uralten, und eigentlich ist der Rückschritt von hier zu den geschwungenen Möbel- und Raumentwürfen des Antonio Gaudí nicht allzu groß. Bei Hatje Cantz ist vor einiger Zeit Gaudí - Der Künstler und sein Werk erschienen. Die Folgepublikation Gaudí - Interieurs, Möbel, Gartenkunst (öS 715,-/EURO 51,96) zeigt nun den Katalanen als Gartenarchitekt, Innenausstatter und Möbelentwerfer. Was uns die schwülstig-üppigen Ensembles heute noch zu sagen haben, möge jeder anhand dieses Prachtbandes für sich selbst herausfinden.

Eine frische, fröhliche Publikation sei zu guter Letzt nicht nur aus patriotischer Anwandlung wärmstens empfohlen: 20 x 3 (Herausgegeben von Volker Dienst, 2001 architektur - in progress, Triton Verlag, öS 387,-/EURO 28,12) zeigt mit Band 1 eine gelungene Auswahl junger oder besser neuer österreichischer Architekten und -teams. Das Layout erinnert zwar ein bisschen gar sehr an die Kataloge der Archilab-Kongresse von Orléans, aber in diesem Falle ist es übersichtlicher und lesbarer und erleichternd unkostbar. Die mit jeweils drei Projekten vorgestellten 20 Bau-Truppen - von Pichler & Traupmann über The next enterprise bis zu L.O.V.E. Architecture - bringen alle erfrischend neue Ansätze in das Baugeschehen. Wer sich also einen Überblick über neue österreichische Architektur machen will, der soll seine Nase sofort tief in das silberschwarze Buch senken.

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