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Ich bin ein Fossil
Der Standard

Michael Embacher ist der Handwerker unter den Neuen Architekten, der mit dem Holzstaub und dem Zement unter den Fingernägeln

Die neuen Architekten krempeln mit jugendlicher Frechheit ihre Branche um. Gelegentlich kommen sie dabei zwar daher wie eine Horde Bodenseereiter, insgesamt haben sie es aber geschafft, sich trotz harter Konkurrenzgefechte ein gemeinschaftliches frisch-zackig-unkonventionelles Image zuzulegen, also eine Trademark der Jungarchitektur zu werden. Das ist bekanntlich erst äußerst schwierig, aber dann Goldes wert.

15. Juli 2000 - Ute Woltron
Manche unter ihnen sind allerdings wieder komplett anders. Michael Embacher zum Beispiel. Der Salzburger mit Wiener Bürositz ist mit 36 Jahren zweifelsohne noch ein junger Architekt, doch irgendwie will er nicht so recht in diese schillernde Jungtruppe passen: Er hat noch nie die Werbetrommel gepumpert, ist medial ein völlig unbeschriebenes Blatt. Sein Architekturbüro trägt keinen Fantasienamen, sondern seinen. Er schaut aus wie ein ganz normaler Mensch, sprich, an ihm ist weder Designerklamotte noch Grungefetzen anhängig. Er gehört der aussterbenden Gattung der Nicht-Homepage-Besitzer an. Er spricht von Schrauben, Dübeln, I-Trägern, Betongemischen und Holzarten, wenn von Architektur die Rede ist, und über sich selbst sagt er: „Ich bin halt ein Fossil.“

Michael Embacher ist der Handwerker unter den Neuen, der Tüftler, der nicht nur an Plänen und Details feilt, sondern auch auf der Baustelle immer wieder Hand anlegt, quasi mit Handwerkerpratzen kontrollierend eingreift, wenn es notwendig ist. Zum Beispiel, wenn in der MAK-Bibliothek seltene Hölzer von mittlerweile noch seltener gewordenen Profis in aufwendigen Prozeduren oberflächenbehandelt werden, wenn im Wiener Herbert-von-Karajan-Zentrum feine Bambusparketten verlegt und in der Buchhandlung Minerva (die mittlerweile Prachner im MAK heißt) ordinäre Riffelbleche zu Besuchertreppen und -laufstegen veredelt werden.

Der Mann ist, man bemerkt es schon, ein Materialfetischist. Er verwebt Kleiderhaken und Kunststoffbahnen zu flotten Lampenobjekten, klebt aus Pappendeckelwaben haltbare, spottbillige und verblüffende Ausstellungssysteme, verwandelt mit billigem Modeschmuck Boutiquedecken zu kostbar glitzernden Brillantgrotten. Embacher geht dabei an die Architektur mit einer gründlichen, fast altmodischen Bedächtigkeit heran, weshalb seine Arbeiten perfekt ausgeführt, konzeptuell aber trotzdem auf dem Punkt der Zeit sind. Eine gewisse Gnadenlosigkeit, was die Qualität und Gewissenhaftigkeit der beauftragten Handwerker anbelangt, dürfte dem Architekten zu Eigen sein. Während der Bauphase für das Karajan-Zentrum trudelten nacheinander vier dort beschäftigte Schlosser in den Konkurs. Gute Architektur, so Embacher, könne nicht zuletzt nur dann entstehen, wenn gute Handwerker zugange seien, die sich auch untereinander kennen und verstehen würden: „Sonst redet sich immer der eine auf den anderen aus, und die billigsten Firmen sind im Endeffekt dann die teuersten gewesen.“

In die Lehre gegangen ist Embacher weniger auf der Technischen Universität Wien, wo er nach wie vor mit einer gewissen Ambivalenz inskribiert ist, als auf den Baustellen so wohlbeleumundeter Architekten wie Günther Domenig und Sepp Müller. Irgendwann fraß dann MAK-Chef Peter Noever an dem stillen, für diesen halsbrecherischen Schaut-Her-Ich-Bin-Der-Beste-Beruf fast zu bescheidenen Mann einen Narren und beauftragte ihn mit der Abwicklung und Gestaltung diverser Ausstellungsarchitekturen. In der Praxis sah das etwa so aus: Embacher bekam von Vito Acconci ein zwanzig mal dreißig Zentimeter großes Pappendeckelmodell sowie aufmunternde Worte mit auf den Weg und setzte die Miniatur innerhalb einer Gnadenfrist von drei Monaten in hundert Tonnen Stahl, Glas und Gipskarton um. Die Ausstellung hieß „The City Inside Us“ und wurde zu einem ziemlichen Publikumserfolg.

Noever und das MAK waren zwar beileibe nicht die einzigen, wohl aber Embachers bisher treueste Auftraggeber. Der Architekt hat für die Institution am Ring mittlerweile an die 60 Ausstellungen und Installationen fabriziert, diverse Räume neu gestaltet, die feschen Künstlerwohnungen eingebaut, zur Freude aller schwarzgekleideten Kunst- und Kulturmenschen Wiens im Hof einen kommoden Gastgarten samt Sonnen- und Regenschutz gemacht und in Kooperation mit dem Chef selbst eine Skulptur von einem Haus ins burgenländische Breitenbrunn gestellt.

Vergangene Woche präsentierte Michael Embacher gemeinsam mit Peter Noever und Sepp Müller in einer New Yorker Galerie den letzten MAK-Schrei. Der heißt CAT - Contemporary Art Tower - und ist der sehr behutsame und wenig marktschreierische Vorschlag für eine Umfunktionierung und Belebung des derzeit sinnlos in der Gegend herumstehenden FLAK-Turms im Wiener Arenbergpark zu einem Kunstturm, den internationale Künstler auf Einladung Stück für Stück mit ihrer Interpretation des Raumes und des Monuments befüllen könnten. Drei Geschoße des betonenen Monsters aus dem Jahr 1943 könnten zum Zwecke des Geldverdienens vermietet werden - unter anderem zeigte Guggenheim-Boss Thomas Krens Interesse -, eine Gastrolandschaft auf dem Dach würde zusätzlich Geld einfahren. Obwohl das übliche Szenegemecker natürlich schon wieder alles besser weiß, würde sich die Angelegenheit laut Machbarkeits- und Finanzierungsstudie zu einem guten Teil selbst tragen.

Doch zu solcherlei Details äußert sich Embacher nicht, er ist schließlich für die Architektur verantwortlich, und die, so behauptet er, sei letztlich Handwerk, bestenfalls versetzt mit einem Schuss Kunst. „Die Zeit für Architektur ist irre gut“, meint er, „viele Unternehmen beginnen Architektur als Marketinginstrument zu erkennen. Diese Chance sollte man wahrnehmen, durchaus auch hochfliegende Pläne spintisieren und sich mit Fachleuten, der verschiedensten Branchen beraten. Dann allerdings muss man das Ganze realisierbar machen.“ Sozusagen hinunter auf den goldenen Boden des Handwerks bringen. Auch das kann, wenn man gut und geschickt ist, zum Trademark werden.

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