Artikel

Einseitige Blütenlese
Neue Zürcher Zeitung

Museumsarchitektur - eine Ausstellung in Hamburg

Im Rahmen des 1994 initiierten und nun zum dritten Mal durchgeführten Hamburger Architektursommers ist in den Deichtorhallen eine Wanderausstellung zu sehen, die unter dem etwas prätentiösen Titel «Museen für ein neues Jahrtausend» 25 überwiegend bekannte Bauten und Projekte in einer ebenso eleganten wie aufwendigen Präsentation zur Diskussion stellt.

5. August 2000 - Roman Hollenstein
Die Museumsarchitektur erlebte in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts schon mehr als eine Blüte. Nach dem Krieg wurden vor allem in Italien (Gardella, Scarpa) und in den USA (Wright, Kahn, Johnson), aber auch in Frankreich (mit dem jüngst sorgfältig restaurierten Musée des Beaux-Arts in Le Havre) wichtige Positionen formuliert. Ein weiterer Höhenflug folgte zur Zeit der Postmoderne-Euphorie um 1980, der die Popularität der Baugattung Museum bei Architekten und beim Publikum festigte. Stimmten bei Wrights Guggenheim Museum, bei Kahns Kimbell Art Museum in Fort Worth, beim Centre Pompidou von Rogers und Piano oder bei Stirlings neuer Stuttgarter Staatsgalerie noch die Bedeutung von Gebäude und Sammlung überein, so war dies bereits bei Richard Meiers High Museum of Art in Atlanta nicht mehr der Fall. Hier wurde 1983 ein strahlend weisser Bau zum Aushängeschild einer boomenden Stadt, die sich gerne mit Kultur brüsten wollte. Seither setzt man vielerorts auf die Publikumswirksamkeit dieser «neuen Kathedralen», zumal das einfache Rezept von Stararchitekt und spektakulärer Form den schnellen Erfolg zu garantieren scheint. Dabei versuchen die Musentempel oft eher die Betrachter zu bezirzen, als der Kunst zu dienen.

Jetzt ist in Hamburg anlässlich des 1994 initiierten und nun zum dritten Mal durchgeführten Architektursommers eine Wanderausstellung zu sehen, die sich unter dem vollmundigen Titel «Museen für ein neues Jahrtausend» der Museumsarchitektur der vergangenen Jahre widmet. Zusammengestellt wurde die Schau von Vittorio Magnago Lampugnani und Angeli Sachs im Auftrag des privaten Art Centre Basel, das seit 1984 als international tätiger Organisator von Wanderausstellungen auftritt. Was nun in den Deichtorhallen gezeigt wird, überzeugt zwar durch die Fülle von Originalmaterialien, vermag aber von der Wahl der Bauten und Projekte her die beim Betrachter aufgebaute Erwartungshaltung nur bedingt zu befriedigen, denn den erhofften neuen und wegweisenden Ideen im Museumsbau wird er höchstens im Ansatz begegnen.

Die überwiegende Zahl der Exponate ist - zumindest in Fachkreisen - längst bekannt, wurde doch von Lampugnani nur gekürt, was gross ist oder von einem bekannten Büro stammt. Interessante Arbeiten jüngerer Architekten wie das Kirchner-Museum in Davos von Gigon & Guyer, Alfredo Payás Museo Universitario auf dem Campus von Alicante, das Valkhof-Museum von Ben van Berkel in Nijmegen, die Erweiterung des Musée des Beaux-Arts von Ibos & Vitart in Lille oder die jüngst eröffnete New Art Gallery in Walsall von Caruso St John werden hingegen nicht einmal am Rande erwähnt. Obwohl fast ausschliesslich Kunstmuseen zur Sprache kommen, wird einmal mehr das fulminante Jüdische Museum von Daniel Libeskind in Berlin und nicht dessen weniger bekanntes, aber in diesem Kontext aufschlussreicheres Nussbaum-Museum in Osnabrück gezeigt. Von Rem Koolhaas kommt der zweifellos visionäre, aber noch in den achtziger Jahren entstandene und nie realisierte Entwurf für das Medienzentrum Karlsruhe statt der 1994 eingeweihten Kunsthal in Rotterdam zum Zug. Und auf Steven Holls Kiasma in Helsinki, einen Lichtblick in der neusten Museumslandschaft, wurde zugunsten seines Projekts für das Bellevue Art Museum in Bellevue, Washington, verzichtet.

Wirklich problematisch wird es dort, wo die Ausstellung ihr Spitzenniveau preisgibt und sich mit Durchschnittsbauten wie Oswald Mathias Ungers' Erweiterung der Kunsthalle Hamburg oder Josef Paul Kleihues' Museum of Contemporary Art in Chicago befasst, gleichzeitig jedoch das neue Kunstmuseum in Niteroi von Altmeister Oscar Niemeyer völlig ignoriert. Dafür kommt Vittorio Gregottis pharaonisches Kulturzentrum Belém zu Ehren, welches das benachbarte Hieronymus-Kloster schrill übertönt. Hätte man unbedingt einen Bau aus Portugal in die Schau integrieren wollen, so hätte sich die intime Casa das Artes von Souto de Moura in Porto angeboten. Offensichtlich kam hier Lampugnani die Liebe zu Italien ebenso in die Quere wie bei der Wahl von Giorgio Grassis überholtem Entwurf für die Berliner Museumsinsel, der - für das gestellte Thema wenig erhellend - David Chipperfields Ausführungsprojekt gegenübergestellt wird.

Gewiss, bei einer nur 25 Bauten umfassenden Blütenlese lässt sich leicht Kritik anbringen. Gleichwohl darf man sagen, dass Lampugnani sich die Sache zu leicht gemacht hat, selbst wenn die üppig inszenierte Schau mehrere Highlights berücksichtigt: etwa Fosters Carré d'Art in Nîmes, Gehrys Guggenheim Museum in Bilbao, die Tate Modern von Herzog & de Meuron, Moneos Moderna Museet in Stockholm, Sizas Zentrum für zeitgenössische Kunst in Santiago de Compostela oder Zumthors Kunsthaus in Bregenz. Am spannendsten wird die Ausstellung dort, wo sie noch nicht realisierte Arbeiten zur Diskussion stellt: neben Holls Entwurf für Bellevue die Projekte von Tadao Ando für das Modern Art Museum in Fort Worth, von Zaha Hadid für das Contemporary Arts Center in Cincinnati, von Juan Navarro Baldeweg für das Museum der Höhlen von Altamira und von Santiago Calatrava für das Milwaukee Art Museum.

Ähnlich wie die Schau überzeugt auch das zugehörige Katalogbuch vor allem durch das Bild- und Planmaterial zu den einzelnen Objekten sowie durch einige Begleittexte. Der Einführungsessay von Lampugnani ist hingegen etwas gar summarisch ausgefallen. Dabei hätten hier nicht nur einige der stillschweigend übergangenen Museumsbauten kurz betrachtet, sondern auch die ebenso wichtige wie komplexe Debatte zwischen Künstlern, Kuratoren, Architekten und Kritikern, wie sie jüngst wieder um Jean Nouvels Luzerner Etagenmuseum im KKL entbrannt ist, gestreift werden können.


[ Bis 10. September. Anschliessend in Bregenz und Stuttgart. Katalog: Museen für ein neues Jahrtausend. Hrsg. Vittorio Magnago Lampugnani und Angeli Sachs. Prestel-Verlag, München 1999. 224 S., Fr. 91.- (in der Ausstellung DM 38.-). ]

teilen auf

Für den Beitrag verantwortlich: Neue Zürcher Zeitung

Ansprechpartner:in für diese Seite: nextroomoffice[at]nextroom.at

Tools: