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Neue Zürcher Zeitung

Eine Tagung zur Baukultur in Köln

19. Dezember 2001 - Klaus Englert
«Statt besserer Städte haben wir allenfalls mittelmässigere geschaffen. Und die Klagen werden jeden Tag stärker. Eine Wendung aus der bleiernen Misere, an der wir leiden, gibt es nicht.» Man könnte meinen, der Philosoph Wolfgang Welsch wolle an Hegel erinnern, der für die Sprache der Philosophie lediglich «das übliche Grau in Grau» reservierte. Und trotzdem - Welsch machte auch Verbesserungsvorschläge, und am Ende des Festvortrags, den er auf der jüngst vom Bundesministerium für Verkehr-, Bau- und Wohnungswesen durchgeführten Kölner Tagung «Baukultur in Deutschland» hielt, fühlten sich viele aufgerüttelt. Vergessen die missmutigen und pessimistischen Blicke zu Beginn der Veranstaltung. Vergessen auch das artige Kopfnicken zu der vom Berliner Ministerium angeregten «Initiative Architektur und Baukultur», von deren Erfolg kaum jemand überzeugt war.

Nach dem Philosophen kamen die Architekten aufs Podium, und der Düsseldorfer Christoph Ingenhoven gab den Takt vor, an den sich die Tagungsteilnehmer im weiteren Verlauf hielten: «In einem dezentralistischen Land wie der Bundesrepublik Deutschland muss man ein Medium schaffen, in dem man um die Frage des richtigen und sinnvollen Bauens ringt.» Der Hamburger Architekt und Kritiker Gert Kähler, der den vom Ministerium in Auftrag gegebenen «Statusbericht Baukultur in Deutschland» während des Kongresses vorstellte, konnte zwar die Frage nach dem geeigneten Medium auch nicht beantworten, aber immerhin gab er zahlreiche Anregungen, die langfristig zu einer «gebauten Umwelt führen können, die mehr Menschen zufrieden macht». Ganz oben in seinem Empfehlungskatalog standen die Forderungen nach einem interministeriellen «Arbeitskreis Baukultur» und einer «Stiftung Baukultur», die die breite Öffentlichkeit für die Probleme der Architektur sensibilisieren sollen. Neben einem gesetzlich begründeten «Recht auf gut gebaute Umwelt» und einer stärkeren schulischen Einbeziehung der Architektur möchte Kähler nach dem Vorbild des Hippokrates-Eides einen entsprechenden Baukultur-Eid schaffen, der Planer und Architekten zu mehr gesellschaftlicher Verantwortung verpflichtet. Schliesslich schlug er vor, Stadtbaumeister als Gutachter von öffentlichen Planungsprozessen zu wählen, Architekten, Bauwerke und Städte auszuzeichnen sowie einen «Tag der Baukultur» zu veranstalten.

Es war ein umfangreiches und anspruchsvolles Programm, das Kähler auf der Tagung präsentierte. Gab es zu diesem Zeitpunkt noch schwankende Kongressteilnehmer, dann wurden sie vom charismatischen Karl Ganser, dem ehemaligen Leiter der IBA Emscher Park, vollends überzeugt. In einer mitreissenden Rede regte er an, vermehrt qualitätsgerechtes Bauen zu fördern, gelungene Beiträge zur Baukultur öffentlich zu präsentieren, aber auch misslungene («das wird ein dickes Schwarzbuch») bekannt zu machen. Der Schluss war nicht nur ein Appell an die Architekten, es war ein Aufruf an die Bürger: «Wir müssen uns mehr zumuten.»

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Für den Beitrag verantwortlich: Neue Zürcher Zeitung

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