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Der stille Visionär
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Zeitgenössische Architektur erzählt zu viele Geschichten, klagt Sverre Fehn.

28. Mai 2001 - Sabine Oppolzer
Zeitgenössische Architektur erzählt zu viele Geschichten, klagt Sverre Fehn. Das lasse die Gebäude allzu überladen wirken. Sein eigenes Werk hingegen besticht durch Reduziertheit und Poesie gleichermaßen.


Expo-Architktur

Sverre Fehn, 1924 geboren und Pritzker-Preisträger des Jahres 1997 gilt als Visionär seines Fachs. Internationale Aufmerksamkeit erregte er erstmals mit seinem Entwurf für den norwegischen Pavillion auf der Weltausstellung in Brüssel 1958.

Sein nächstes herausragendes Gebäude war der nordische Pavillon im Park der Biennale in Venedig 1962. Stahlbetonträger lassen den Raum nach oben offen, die zudem von einigen Bäumen durchstoßen wird, die der Architekt als Herz des Gebäudes erhalten wollte.

„Es ist komisch, wenn man in meinem Alter auf diese Dinge zurückblickt“, meint Sverre Fehn zu seinem Venedig-Pavillon. „Es ist so einfach geschriebene Poesie.“ Das Gebäude scheint nur aus Licht, Bäumen und Kunst zu bestehen. Dass die Bäume so wachsen würden, hätte Fehn niemals vermutet. „Jetzt sehen sie aus wie Elefantenfüße, die mit dem Pavillon gehen.“, so der Architekt bei seinem Wienbesuch.


Poetisches Ausstellungskonzept

Sverre Fehns Poesie begleitet auch die Arbeiten, die in der Ausstellung im Ringturm präsentiert werden. Seine Texte erläutern sozusagen die Bauwerke.

So steht neben dem Einfamilienhaus in Morrköping in Schweden, das er Anfang der 60er Jahre erbaute:

„Du weißt, die Rotunde war ein Scherz, damals als wir das Geheimnis des Horizonts verloren - es war ein Schock für uns alle, als wir erkannten, dass die Welt eine Kugel ist und messbar. So machte ich die Erde zu seinem Labyrinth mit einem einzigen Haus mit vier identischen Fassaden. Wenn man das Haus in Richtung Westen verlässt und die Welt umrundet, geht man wieder auf dieselbe Fassade zu.“

Die Architektur Fehns fügt sich stets harmonisch in die Landschaft ein. Für Adolph Stiller, Leiter der Veranstaltungsreihe Architektur im Ringturm sind die offenen Grundrisse und die Kommunikation mit der Umgebung das Charakteristikum der Arbeit Sverre Fehns.


Gebaute...

Fehns Hauptwerk ist das Hedemark-Museum aus den 60er Jahren, wo Fehn im Innenraum einer großen Scheune ein Museum einrichtete. In einem Flügel sind Reste eines mittelalterlichen Bischofsitzes ausgestellt. Fehn verbindet hier alt und neu auf erfrischende Weise.

„Man muss die Vergangenheit mit der Gegenwart verbinden“, erläutert Fehn seine Verbindung aus Sichtbeton und mittelalterlichem Gemäuer. „Wenn man versucht, die Vergangenheit zu kopieren, kommt alles nur durcheinander“, so Fehn.


...und ungebaute Architektur

In der Ausstellung zu sehen sind auch zahlreiche Projekte, mit denen Sverre Fehns Wettbewerbe gewann, ohne die Entwürfe umsetzen zu können. So zum Beispiel der Erweiterungsbau für das königliche Museum in Kopenhagen. Diesen Wettbewerb gewann Fehn 1997, dem Jahr als er auch den Pritzker-Preis erhielt. Ein weiteres Beispiel ist das Theater im Herzen Kopenhagens, das bis heute nicht gebaut wurde.

„Es war zu radikal und zu modern für das dänische Volk. Außerdem ist es wirklich im Herzen der Stadt“, gesteht Fehn zu. Drei Jahre wogte die öffentliche Diskussion dahin, bis Fehn ein 36 Meter hohes 1:1 Modell errichtete. „Aber es war nicht so leicht für die Leute, das Projekt zu akzeptieren. Sie streiten noch heute...“.


[Tipp:
Die gebauten und ungebauten Projekte von Sverre Fehn sind bis zum 29. Juni 2001 im Wiener Ringturm zu sehen.]

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