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Der Standard

Die Gemeinde Wien verklagt ein Architekturbüro, weil es seiner- seits nie bezahlte Honorar-forderungen eingeklagt hat, und macht den Architekten ganz nebenbei klar, dass sie in Wien nie wieder einen Auftrag bekommen werden.

29. September 2001 - Ute Woltron
Um gute Architektur liefern zu können, braucht ein Planer einen klaren Auftrag. Wer einen Maßanzug bestellt, muss seinen Schneider wissen lassen, wie dick der Bauch, wie dürr das Haxl, wie prall das Portemonaie ist, erst dann kann teurer Stoff zerschnitten und losgeschneidert werden. Zwischendurch gibt es - eh klar - die eine und andere Anprobe.

In der Architektur ist natürlich alles noch viel komplizierter als in der Schneiderzunft, viele Maßarbeiter werden hier zusammengespannt, häufig müssen Planer loslegen, obwohl sich der Auftraggeber eigentlich nicht entscheiden kann, ob er nun einen Gehrock haben will oder doch lieber einen Staatsfrack. Unweigerlich passt später etwas nicht, doch der Bauherr, der die Schuld bei sich und nicht bei seinem Architekten findet, der muss erst auf die Welt kommen. Es ist das ein - meist - unfaires und ein gängiges Spiel, weil immer die einen mächtiger als die anderen sind. Und hier ist ein aktuelles Beispiel:

Vor vier Jahren gewannen Hemma Fasch und Jakob Fuchs den zweistufigen Wettbewerb für die Erweiterung des Wiener Kaiserin-Elisabeth-Spitals mit einem Projekt, das laut Jury „städtebaulich überraschend innovativ“ war, einen „günstigen Lösungsansatz“ für die innere Organisation des Spitals aufwies, die „Einbeziehung und Bearbeitung des Grünraumes unter optimaler Bearbeitung der inneren und äußeren Erschließung“ zustande brachte und dessen architektonische 1-A-Qualität auch in weiterer Folge von niemandem je angezweifelt wurde. Das Haus könnte längst stehen, statt dessen befindet man sich in einem Rechtsstreit, der es in sich hat. Erst haben die Architekten davidmäßig ihre nicht bezahlten Honorare eingeklagt (laut Anwalt handelt es sich um 5.069.000 Schilling), kurz darauf folgte nun der Gegenschlag Goliaths: Die Gemeinde Wien verklagte Fasch und Fuchs, so die Information aus deren Anwaltskanzlei Hannes Pflaum, wegen „mangelhafter Planungsleitung und Terminverzug“, und außerdem habe man durch die notwendig gewordene neuerliche Ausschreibung „Schaden erlitten“. Streitwert: 10.780.000 Schilling, eine Summe, die wahrscheinlich gerade zwei oder drei Architekturbüros österreichweit verkraften können, ohne augenblicklich pleite zu machen.

Doch zur Genese: Nach dem Wettbewerbssieg hatte man „in einem Café“ (Fasch) den entsprechenden Generalplanervertrag unterzeichnet (für Architektenkammerchef Peter Scheifinger ein Ausdruck von „Winkeladvokatentum“) und „mit hohem Druck die Entwicklung des Projektes“ vorangetrieben. Die Projektbetreuung seitens des Auftraggebers, so die Architektin, „war ausgesprochen mangelhaft, anderswo, etwa in der Steiermark, wird ein Projekt dieser Größenordnung ganz anders betreut, es gibt einen eigenen Stab, der sich damit befasst und alles professionell abwickelt.“ Fasch und Fuchs waren derweilen mit dem auf 210 Millionen Schilling veranschlagten Projekt ihrer Ansicht nach eher alleingelassen. Hemma Fasch: „Die Ansprechpartner wechselten ständig, erforderliche Gutachten über die Beschaffenheit des Baugrundes wurden versprochen, kamen aber nie.“ Darüber hinaus verlangten, so die Planer, die späteren Nutzer diverse Erweiterungen des Hauses, die Architekten planten weiter, warnten aber wiederholt davor, dass eine Vergrößerung natürlich auch eine entsprechende Kostenentwicklung mit sich bringen würde. Als klar wurde, dass das auch tatsächlich der Fall war, wurde es ungemütlich. Hemma Fasch: „Man hat uns gesagt, der Vertrag sei ungültig, wir müssten die Bauleitung hergeben und einen neuen Vertrag machen. Wir hatten Gespräche mit Juristen der Stadt Wien, die meinten, wenn wir aus dem Vertrag ausstiegen, würde die Hälfte des vereinbarten Honorars bezahlt werden.“ Außerdem, so Fasch, bekam sie zu hören: „Wenn ihr das nicht macht, bekommt ihr nie mehr einen Auftrag in Wien.“

Ob derlei atmosphärische Drohgebärden geziemlich sind für eine große, auf ihre Architektur bedachte Stadt wie Wien, ist eine Frage des Stils, die jeder selbst entscheiden darf. Die praktischen vertraglichen Angelegenheiten wurden von Hemma Fasch jedenfalls dem Gericht übergeben, da keine Einigung in Sicht war und diverse Planungsleistungen nie abgegolten worden waren. Der damalige Gesundheitsstadtrat Sepp Rieder begründete die unfriedliche Trennung von Auftraggebern und Planern auf Anfrage der Liberalen im Gemeinderat damit, dass das Projekt „an sich zweifellos städtebaulich und auch funktionell sehr attraktiv“ sei, „aus Kostengründen aber nicht realisiert“ werden könne. Er gab aber in gleichem Atemzug zu, dass die Preisvorgabe, nämlich schon jene des Wettbewerbes, „zugegebenermaßen vielleicht zu eng kalkuliert“ war.

Jeder halbwegs erfahrene Architekt riecht an dieser Stelle blitzartig, wo das Problem liegt, nämlich in einer mangelhaften Bestellqualität seitens des Bauherren und einer für ein großes Unternehmen atemberaubenden Ahnungslosigkeit, was die Abwicklung derartig komplizierter Bauunternehmen anbelangt. Peter Scheifinger: „Der Krankenanstaltenverbund war offensichtlich nicht in der Lage, ein Projekt dieser Größenordnung zu entwickeln, und schlägt nun mit unfairen Mitteln zurück, obwohl die Architekten nur ihre eigene Leistung honoriert haben wollen. Es wurde etwas bestellt, das man sich nicht leisten kann, und die fahrlässige Ausübung des Amtes wird nun auf diese Weise kompensiert.“ Die - mit der Generaldirektion abgestimmte und von PR-Referentin Birgit Wachet übermittelte - Argumentation des Krankenanstaltenverbunds lautet folgendermaßen: „Schon in der Planungsphase hat sich herausgestellt, dass die veranschlagten Kosten von Fasch und Fuchs unser Kostenlimit übersteigen.“ Im Normalfall geht dieser Punkt übrigens eindeutig an die Architekten, denn die haben darauf hingewiesen, während andere gerne Verschleierungstaktiken zur Anwendung bringen. Weiter: „Es gab eine Abschlagzahlung, die Sache war erledigt, doch Fasch, Fuchs haben weitere Forderungen gestellt, deshalb hat die Stadt Wien Gegenklage eingebracht.“ Warum die doppelt so hoch sei wie die Fasch-Fuchssche Honorarforderung, wird so argumentiert: „Wenn schon vor Gericht gestritten wird, dann möchte man die Abschlagzahlung auch wieder hereinhaben.“

Die streitbare Architektin Hemma Fasch ist eine der ganz wenigen, die sich aktiv gegen unqualifizierte Vorgangsweisen seitens öffentlicher Auftraggeber zu wehren versucht, die erstens der Architekturqualität enorm schaden und zweitens das Planen für die Öffentliche Hand zu einem lebensgefährlichen Balanceakt für jedes nicht vollkommen willfährige Architekturbüro machen. Scheifinger: „Hier findet eine Auseinandersetzung auf emotionaler Ebene statt: Wenn ich mit Kanonen auf Spatzen schieße, dann treff ich schon ein paar.“

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