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Kein Ende in Sicht
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Anhand von vier ausgewählten Immobilen gab es am 7. Juni im Architektur Zentrum Wien eine Diskussion über die Restitution jüdischen Eigentums und darüber, was bisher geschah.

2. Juni 2000 - Dorothee Frank
Seit einiger Zeit lädt das Architektur Zentrum Wien immer mittwochs zur Diskussion brisanter Themen. In der Ausgabe 09 am 7. Juni mutierte österreichische Architekturhistorie zu einer Geschichte über Raub, Vertreibung und Nicht-Restitution. Denn viele baukünstlerisch wertvolle Immobilien in Wien, viele Ikonen der architektonischen Moderne wurden in der Nazizeit arisiert oder beschlagnahmt und nach dem Krieg nicht zurückgegeben.

Ein Beispiel: Der von den Nazis vertriebene Komponist Egon Wellesz besaß ein Haus in Josef Hoffmanns Kaasgrabensiedlung. Später stellte Wellesz einen Rückgabeantrag, hatte aber damit keinen Erfolg - warum, lässt sich heute gar nicht mehr sagen. Denn die Restitutionsakten aus der Nachkriegszeit sind im Jahr 1986 widerrechtlich vernichtet worden.

An diesem Beispiel zeigt sich wieder einmal, wie fragwürdig der Staat Österreich in den Nachkriegsjahren und bis weit in unsere Zeit hinauf mit dem Thema „Restitution“ umgegangen ist. Der Architekturpublizist Stefan Templ erwähnte bei der Diskussion am 7. Juni unter anderem folgendes Detail aus der Zeit nach dem Krieg: „Die jüdische Restitution, die Erblinie wurde stark beschnitten, indem die dritte und vierte Erblinie ausgeschlossen wurde“. Ganz bewusst übrigens, denn wenn die Kernfamilie ermordet wurde, hatten so andere Familienmitglieder keinen Anspruch mehr auf Rückstellung des Geraubten.


Mehr als spektakuläre Einzelfälle

Noch weitere haarsträubende Details und spektakuläre Einzelfälle wurden vor allem von den Publizisten auf dem Podium, Stefan Templ und Hubertus Czernin, aufs Tapet gebracht. Die Vertreter der Historikerkommission wie Clemens Jabloner warnten hingegen davor, die Restitutionsfrage nur über luxuriöse Villen und prominente Naziopfer abzuhandeln, denn die meisten Opfer des Nationalsozialismus waren auch in wirtschaftlicher Hinsicht kleine Leute. „Ihr Schicksal bestand darin, dass sie das Wenige, das sie hatten, verloren“, so Jabloner.


Arisierung durch Exekution

Überhaupt wurde in der Diskussion klar, dass die Materie „Restitution“ viel komplexer ist, als es in den Medien oft dargestellt wird. Allein der Begriff „Arisierung“ kann vieles bedeuten. Der Kauf eines Hauses vom jüdischen Besitzer um ein Spottgeld war eine mögliche Variante. Es gab auch Arisierungen durch Exekution, und zwar durch eine einfache verwaltungsrechtliche Möglichkeit. „Die jüdischen Vorbesitzer waren nicht mehr da, weil sie deportiert worden waren. So konnten sie auch keine Grundsteuer oder Gemeindesteuer mehr bezahlen, weshalb eine Exekution eingeleitet werden konnte. Das betreffende Vermögen oder Haus wurde zur Versteigerung ausgeschrieben und meist von der Gemeinde erworben“, wie Gerhard Baumgartner von der Historikerkommission erklärt.


Was geschieht mit den Kunstgütern?

Auch die Restitution von Kunstgütern kam zur Sprache. Nach dem ersten Elan in den Vorjahren ist es in letzter Zeit um dieses Thema auffallend still geworden, wunderte sich Hubertus Czernin.

Etliche in der Nazizeit enteignete Häuser und Grundstücke befinden sich heute im Staatsbesitz - die Historikerkommission ermittelt. Ob die Ergebnisse auch wirklich politisch in eine Welle von Rückgaben umgesetzt werden? „Ich bin der Meinung, dass die öffentliche Hand solche Sachen herausgeben muss“, ist sich zumindest Clemens Jabloner sicher.

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