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Nachhaltiges Bauen
Neue Zürcher Zeitung

Der Münchner Architekt Thomas Herzog in Frankfurt

26. Januar 2002 - Hubertus Adam
Angesichts der globalen Ausbeutung von Ressourcen wäre ein ökologisches Verständnis von Architektur heute nötiger denn je. Vorbei sind die Zeiten, da begrünte Dächer oder Sonnenkollektoren auf Einfamilienhäusern an der Peripherie als Indikatoren eines umweltfreundlichen Bauens galten. Nachhaltiges Bauen, wie es seit der Umweltkonferenz von Rio auf der Agenda steht, bedeutet Denken in Systemen: Minimierung des Energieaufwands für Heizung und Kühlung, Verwendung erneuerbarer Energien und Rezyklierbarkeit der Baumaterialien. Auch wenn mitunter die einfachen Bauten indigener Kulturen zum Vorbild werden, sind es oft gerade Hightech-Entwicklungen, die den Weg weisen. Technik und Natur bilden nicht notwendigerweise Gegensätze.

Zu den Vorkämpfern einer die Belange der Umwelt respektierenden Architektur zählt Thomas Herzog, und das nicht nur als Entwerfer, sondern auch als Erfinder, als Hochschullehrer sowie als Motor transnationaler Initiativen. Die 1994/95 massgeblich von Thomas Herzog erarbeitete «Europäische Charta für Solarenergie in Architektur und Stadtplanung», welche von renommierten Kollegen wie Ralph Erskine, Norman Foster, Nicholas Grimshaw, Herman Hertzberger, Michael Hopkins oder Françoise Jourda unterzeichnet wurde, belegt die internationale Wirksamkeit der Forschungen des Münchner Büros. Sieht man von einigen Planungen in Linz jedoch ab - beispielsweise der «Solar City», an der unter anderem Richard Rogers beteiligt ist -, so beschränkt sich der Raum des praktischen Wirkens von Thomas Herzog auf Deutschland.

Rechtzeitig zu Herzogs 60. Geburtstag stellt nun das Deutsche Architektur-Museum in Frankfurt Bauten, Projekte und Konzepte des Architekten im Rahmen einer umfassenden Präsentation vor, die sämtliche Geschosse nutzt. Die Aufmerksamkeit gilt nicht nur dem gebauten Werk, sondern auch Herzogs Forschungs- und Lehrtätigkeit. Das oberste Geschoss ist einem einzigen Projekt vorbehalten: dem Expo-Dach für die Weltausstellung in Hannover. Die ästhetisch bemerkenswertesten Gebäude realisierte Herzog zu Beginn seiner Karriere: ein Einfamilienhaus in Regensburg (1979), eine prägnante Holz-Skelettkonstruktion mit schrägem, bis zum Boden hinabgeführtem Glasdach. Seit der «Design Center» genannten Kongress- und Ausstellungshalle in Linz (1989-93) arbeitet der Münchner vorwiegend im grösseren Massstab. Jüngstes Beispiel ist ein grosser, aus vier miteinander verbundenen Gebäuderiegeln bestehender Komplex für die Zusatzversorgungskasse des Baugewerbes in Wiesbaden. Zweifellos sind Herzogs Bauten ökologisch korrekt. Dennoch wäre ihnen etwas mehr Verve, ein wenig mehr an Esprit zu wünschen. Mag sein, dass dann auch das internationale Interesse an Herzogs Architektur wüchse.


[Bis 3. März im DAM in Frankfurt. Katalog: Thomas Herzog. Architektur + Technologie. Hrsg. Ingeborg Flagge. Prestel-Verlag, München 2001. 224 S., EUR 49.95. ]

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Für den Beitrag verantwortlich: Neue Zürcher Zeitung

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