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Lieber Pflege als Schutz
Neue Zürcher Zeitung

Podium «Heimatschutz und zeitgenössische Architektur»

4. Februar 2002
le. Die Fragestellungen wären spannend gewesen: Ist gemäss Heimatschutz gute Architektur diejenige, die nicht gebaut wird? Welche Heimat soll überhaupt geschützt werden? Gibt es für das Schützenswerte verbindliche Massstäbe? Wie steht es um Heimatschutz in einem Industriequartier? Lässt sich Heimatschutz überhaupt mit zeitgenössischer Architektur vereinen? Ist der Umbau eines Altbaus, bei dem nur die Fassade ans Alte erinnert, zulässig? Allein, die einseitige Auswahl der Redner liess nichts Gutes ahnen.


Unscharfe Voten

Das Architektur-Forum Zürich hatte zu einem Podiumsgespräch unter dem Titel «Heimatschutz und zeitgenössische Architektur Warum ist das Neue immer schlechter?» in den Kirchgemeindesaal Oberstrass eingeladen. Auf dem Podium nahmen Platz: Caspar Hürlimann, Präsident des Schweizer Heimatschutzes; Peter Angst, Architekt und Präsident des Stadtzürcher Heimatschutzes; Daniele Marques, Architekt und Berater des Luzerner Heimatschutzes, sowie Ruggero Tropeano, Architekt und Mitglied der Natur- und Heimatschutzkommission. Als Moderator - oder besser: Fragesteller - waltete der «Archithese»- Herausgeber Christoph Bürkle, der wiederholt und erfolglos versuchte, Klarheiten zu schaffen. Eine Diskussion entstand nicht, die Votanten blieben grösstenteils im unscharfen Bereich.

Der Heimatschutz zeigte sich versöhnlich. Caspar Hürlimann meinte, für den Heimatschutz habe zeitgenössische Architektur «durchaus ihren Platz» sofern sie qualitativ gut sei. Wie aber nach seiner Meinung diese Qualität definiert wird, vermochte er nicht zu klären. In Sachen Architektur sei er ein Laie, konkrete Fragestellungen bearbeite er mit externen Beratern. Ähnlich schwammig ging es weiter: Peter Angst versteht den Heimatschutz als Anwalt des bereits Gebauten. Heimatschutz habe zu tun mit Achtung vor der Umwelt, vor dem, was einen umgebe. Daniele Marques seinerseits gefiel sich im Zitieren aus dem Leitbild des Heimatschutzes.

Einzig Ruggero Tropeano, der sich als Architekt vor allem mit dem Neuen Bauen befasst, wurde etwas konkreter. Er finde sich bisweilen in komischen Situationen wieder, sagte er. Hätten doch die Gebäude des Neuen Bauens bei ihrer Erstellung höchst schwierige Positionen eingenommen. Heute aber würden sie als Teil des Schützenswerten gehandelt. Statt des Wortes «Schutz» benütze er deshalb lieber den Ausdruck «Pflege», um seine Position zu umreissen.


Grosses gegenseitiges Unverständnis

Die von zahlreichen Architekten besuchte Veranstaltung war wohl in erster Linie als Aussprache zweier Fraktionen gedacht gewesen, die sich in Zürich oft in den Haaren liegen, wie die langjährigen und lähmenden Auseinandersetzungen um Rigiplatz und Kreuzplatz zeigen. Eine gewisse Dringlichkeit erhielt das Podium auch durch einen Vorstoss im Kantonsrat, wonach das Verbandsbeschwerderecht eingeschränkt werden soll. Eine Annäherung der Exponenten hat an der Abendveranstaltung nicht stattgefunden. Vielmehr dokumentierte das Podiumsgespräch ein grosses gegenseitiges Unverständnis.

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Für den Beitrag verantwortlich: Neue Zürcher Zeitung

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