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Wenn das neue Haus alt war
Der Standard

Ein Wälzer zum Thema Altbaumodernisierung hilft Planern und Bauherren auf die Sprünge

9. Februar 2002 - Ute Woltron
Ein großer, landläufig geglaubter Unsinn in Sachen Bauen ist der, dass es billiger wäre, ein altes Haus wegzureißen und ein neues hinzustellen, als bestehende Architekturen zu revitalisieren. Diese schlichte Verallgemeinerungsformel gilt in den meisten Fällen nicht, tatsächlich wird das Sanieren und Modernisieren bereits bestehender Gebäude eine der wichtigsten und kniffligsten - und keinesfalls uninteressantesten - Bauaufgaben der Zukunft darstellen.

Das architektonische Handanlegen an alte und „halbalte“ Gemäuer ist ein schwieriges, aber reizvolles Geschäft, es erfordert nicht nur planerisches Feingefühl, sondern auch eine Menge technischen Know-hows. Was in Sachen Dämmen, Dichten, Fenstererneuern, Heizungeinbauen vor zehn Jahren noch Sanierungsstandard gewesen sein mag, hat einen enormen Technologisierungs- und Innovationsschulb erfahren, der nicht zuletzt der CO-geschädigten Umwelt zugute kommt.

Neue Möglichkeiten, neue Materialien und der ökologisch verantwortungsvolle Umgang damit machen sich direkt in Planung und Architektur bemerkbar. Ein intelligent erneuertes Haus lässt sich nicht nur besser, billiger und zeitgemäßer bewohnen, es erfährt auch eine entsprechende Wertsteigerung, quasi eine Wertschöpfung durch Technologie in Kombination mit Architektur.

Dieser Umstand ist nicht nur für Gebäudeverwaltungen und öffentliche Bauherren interessant, sondern auch für den privaten Häuslbesitzer, der das ererbte oder erworbene und nicht als optimal empfundene Privatdomizil gründlich zu aufzufrischen gedenkt. Doch wie soll die Sache angegangen werden? An wen wendet man sich, welche Umbau- und Modernisierungsmöglichkeiten stehen offen, was kann das alte Gemäuer überhaupt heute noch hergeben?

Diese Wissensbaulücke will nun eine umfangreiche und genau recherchierte Publikation schließen. Der Energie- und Umweltexperte Johannes Fechner hat, als Herausgeber, mit dem Buch Altbaumodernisierung. Der praktische Leitfaden ein Nachschlagwerk vorgelegt, das sowohl sanierenden Architekten als auch umbauwilligen Bauherren gerade recht kommt. Fechner stellt allerlei interessante volkswirtschaftliche Berechnungen zu Beginn der Lektüre, etwa was den Wert nationaler Gebäudebestände im Vergleich zum Volkseinkommen anbelangt und was die Vernachlässigung dieses Gutes an Wertverlusten bedeutet.

Andererseits, so Fechner, schafft Bauen Arbeit. Allein die thermische Sanierung des österreichischen Altbaubestandes stellt ein Investitionsvolumen von bis zu 25 Milliarden Euro dar, in Deutschland erwartet man, dass bei den jährlich rund 500.000 anstehenden Wohnungsmodernisierungen etwa 175.000 neue Arbeitsplätze geschaffen werden könnten. Und nicht zuletzt profitiert unser aller Umwelt: Rund ein Drittel der verbrauchten Energie verpufft in Raumwärme, wollen die EU-Staaten ihren Treibhausgas-Ausstoß tatsächlich, wie in Kioto versprochen, bis 2008/2012 im Schnitt um acht Prozent (Österreich liegt bei minus 13 Prozent) senken, besteht gerade hier erhöhter Handlungsbedarf.

Doch zurück zur Architektur: Neben einer Vielzahl von sehr speziellen Informationen und Kontaktmöglichkeiten zum Thema werden in der Publikation eine Reihe meist gelungener Sanierungsbeispiele angeführt. Die Zusammenstellung hat Karin Stieldorf übernommen, das ALBUM pickt sich an dieser Stelle ungerechterweise nur drei heraus (siehe Fotos).

Klein und uralt: 1999 veredelten die Architekten Bettina Götz und Richard Manahl, alias ARTEC, ein verfallendes Stallgebäude im niederösterreichischen Raasdorf zu einer außergewöhnlichen Denkerstube samt Schlaf-, Schrank- und Sanitärräumen für die Bauherrin Zita Kern. Das kühne Projekt mit dem markanten Aluminiumdach wurde nicht nur mit Preisen, sondern vor allem mit der Zufriedenheit der Bauherrin ausgezeichnet.

Groß und großstädtisch: Die dynamischen Neustarter RATAPLAN nahmen sich 1998 eines Substandard-Wohnhauses der Gründerzeit in Wien an, das eine Eigentümergemeinschaft der Gemeinde abgekauft hatte, sanierten den Bestand flott, optimierten darüber hinaus die Energiebilanz mittels vorgehängter Stahl-Glas-Pufferzone und schufen damit luftig-helle zusätzliche Räume.

Feudal und multifunktional: Wie man draußen und drinnen elegant vermischen kann, zeigte Architekt Alois Neururer anhand eines Bürgerhauses von 1890 in Neunkirchen (NÖ) vor. An den sanierten Bestand wurden Glaspavillon und „Box“ angefügt, die Vorzüge des Alten hervorgestrichen und das Neue selbstbewusst - und passend - ausgeführt.
Alle diese Beispiele zeigen vor, dass Sanierung nur in Kombination mit guter Planung Sinn macht, und natürlich umgekehrt


[„Altbaumodernisierung. Der praktische Leitfaden“ Herausgeber Johannes Fechner, Springer Wien New York, EURO 74,80/öS 1036,-

Infoadresse für MAX-Architektur-Wettbewerb: freiraum01@maxontop.com]

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