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Architektonisches Abendmahl
Neue Zürcher Zeitung

Ausstellung Giraudi & Wettstein in Como

23. Dezember 2003 - Roman Hollenstein
Ein von acht Lampen erhellter, langer Tisch leuchtet geheimnisvoll durch die grosse Vitrine, die den Eingang zur Kirche des ehemaligen Klosters von Santa Caterina an der Via Borgo Vico in Como einnimmt. Das 1634 geweihte Gotteshaus diente nach der Profanierung als Seminar sowie als Warenlager und verkam schliesslich nach einem Brand im 20. Jahrhundert zur Ruine. Nach einer sorgfältigen Intervention der jungen Architekten Paolo Brambilla aus Como und Elisabetta Orsini aus Mailand bildet es heute mit seinem rohen Ziegelwerk und den barocken Freskenresten die stimmungsvolle Hülle des Borgovico 33 genannten Kulturraums, der seit der Eröffnung mit einer dem grossen einheimischen Architekten Giuseppe Terragni gewidmeten Fotoausstellung von Pino Musi im Frühling 2002 nun die fünfte Schau zeigt. Diese gilt dem Schaffen von Sandra Giraudi und Felix Wettstein.

Die beiden 41-jährigen Luganeser Architekten machten sich einen Namen mit dem vor einem Jahr vollendeten gläsernen Informatikgebäude auf dem Universitätscampus Lugano und der zusammen mit Cruz & Ortiz aus Sevilla realisierten Passerelle des Basler SBB-Bahnhofs. War es in Lugano und Basel das Prinzip der Schichtung, aus dem - unter Berücksichtigung des städtebaulichen Kontextes - ganz unterschiedliche Lösungen resultierten, so verleihen Addition und Subtraktion von Volumen der Casa di Paola in Cadro eine an Alvaro Siza erinnernde skulpturale Präsenz. Diese Entwurfsstrategie führte beim Papier gebliebenen Doppelprojekt für ein Gotthardtunnel-Informationszentrum in Pollegio und Erstfeld zu einer sprechenden Architektur zwischen Teleskop und Dinosaurier, während die in der Tradition der Moderne konzipierte Parksiedlung Nocc in Gentilino mit Anklängen an die klassische italienische Gartenbaukunst überrascht.

In Como werden diese Arbeiten zusammen mit drei weiteren Projekten in einer ebenso einfachen wie überzeugenden Installation präsentiert. Ein Tisch mit acht Hockern lädt zum architektonischen Abendmahl: Die Pläne und Fotos sind auf zwei weisse Tischtücher aufgedruckt, zwischen denen - auf einem knallorangefarbenen Mittelstreifen - fünf schwarze Modelle stehen. Eine Diaschau rundet die von einem kleinen Katalog begleitete Ausstellung ab.


[Bis 18. Januar jeweils donnerstags bis sonntags von 17 bis 20 Uhr (Weihnachtstag und Neujahr ausgenommen). Katalog: Giraudi & Wettstein. Hrsg. Associazione Culturale Borgovico 33. Gabriele Capelli Editore, Mendrisio 2003. 48 S., Fr. 26.-.]

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Für den Beitrag verantwortlich: Neue Zürcher Zeitung

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