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Die Probleme der kleinen und der großen Dörfer
Der Standard

Die Analyse der Architektursituation in den Bundesländern schreitet voran: Diesmal nahm sich die Architekturstiftung Österreich die Architekturwirklichkeiten in Salzburg und im Burgenland vor.

16. Februar 2002 - Ute Woltron
Wie schaut es aus mit Architektur und Stadtplanung in den einzelnen Bundesländern? Was funktioniert klaglos, was liegt im Argen, und unter welchen Rahmenbedingungen entsteht Gebautes? Dieser Frage geht die Architekturstiftung Österreich bereits seit vergangenem Herbst mittels argumentationskräftiger Diskussionsrunden nach. Nach der Steiermark kommen diesmal Architekten, Planer und Architekturnutzer aus Salzburg und dem Burgenland zu Wort. Die Moderation der Gespräche übernahm der Vorstand der Architekturstiftung, Christian Kühn. DER STANDARD versucht eine Zusammenfassung, die kompletten Gesprächsprotokolle sind in Architektur & Bauforum nachzulesen.


Architekturwirklichkeiten in Salzburg:
Entwicklungskonzepte und Gestaltungsbeiräte

Die Salzburger Diskussionsrunde setzte sich zusammen aus: Architekt Peter Ebner, Vorstandsmitglied der Initiative Architektur Salzburg, Franz Fürst, Bauträgerunternehmer, Architekt Gerhard Garstenauer, Günter Maierhofer, Geschäftsführer der Sabfinanz, Norbert Mayr, Architekturpublizist, Johann Padutsch, Stadtrat Salzburg, Architektin Ursula Spannberger, Vorsitzende des Fachbeirats Architektur des Landeskulturbeirates Salzburg.

Eine ganze Reihe ambitionierter Architekten bevölkert das schöne Land Salzburg, der entsprechende Architekturoutput stellt sich allerdings nur schwer und unter größeren Mühen ein. Zu diesem Schluss kam das Salzburger Architekturgespräch, in dem vor allem das zögerliche Walten der Stadt Salzburg kritisiert wurde. Norbert Mayr: „Man kann eine sehr engagierte, wachsende Architekturszene beobachten. Dem steht diametral gegenüber, dass Salzburg bei größeren Projekten in den letzten Jahren nichts Gelungenes vorzuweisen hat.“ Angesprochen wurden das Kongresshaus, das neue Stadion sowie die Museumsdebatte rund um den Schlossberg. Als Positivbeispiel wurde von allen der Makartsteg von Halle 1 über die Salzach genannt. Gerhard Garstenauer ortete einen „grundsätzlichen Mangel bei der Vorbereitung dieser und vieler anderer Projekte“, weil gründliche Standortuntersuchungen nicht durchgeführt würden.

Johann Padutsch sagte dazu: „Ich möchte da zwischen den Vorgehensweisen der Planungsabteilungen und der Politik unterscheiden, und dann noch einmal zwischen Stadt und Land.“ Bei Landesprojekten würden „politische und persönliche Eitelkeiten eine entscheidende Rolle“ spielen. Was die Stadtplanung anbelangt, so kritisierte Franz Fürst den Umstand, dass „die Stadt nur alle 30 Jahre ihr Entwicklungskonzept erneuert“, Salzburg hätte sich zu einer Schlaf- und Wohnstadt entwickelt und laufe Gefahr, seine Lebendigkeit zu verlieren. Der Gestaltungsbeirat kümmere sich lediglich um Fragmente: „Dieses Vakuum provoziert die Politiker, das Heft an sich zu reißen und in ihrer Inkompetenz einsame Entscheidungen zu treffen.“

Auch Peter Ebner würdigte zwar die „Bauwut“ und das Architekturinteresse des Landeshauptmanns, würde sich aber eine bessere architektonisch-städtebauliche Beratung der Politik dringend wünschen. Auch die ehemals vorzügliche Wettbewerbskultur des Landes habe, so Ursula Spannberger, an Qualität eingebüßt, was vor allem auf die geänderte EU-Rechtslage zurückzuführen sei: „Heute können Baumeister an den Verfahren teilnehmen, es kann mit den drei Erstgereihten verhandelt werden, und eine Beauftragung nach GOA (Anm.: Gebührenordnung) ist längst nicht mehr selbstverständlich.“ Günter Maierhofer appellierte in diesem Zusammenhang allerdings auch an die Architektenschaft, den jeweils vorgegebenen Kostenrahmen zu verinnerlichen: „Von zehn Wettbewerbsbeiträgen halten ihn bestenfalls zwei ein, und das sind nicht unbe- dingt die, von denen die Jury auch architektonisch überzeugt ist.“

Gerhard Garstenauer wies auf Vorzüge und Schwächen der Salzburger Gestaltungsbeiräte hin und auf die erfreuliche Lernwilligkeit einiger Genossenschaften: „Es gibt so viele Bauträger, die überhaupt kein Organ für Qualität haben. Im Gestaltungsbeirat habe ich wiederholt erlebt, dass wir dem Direktor einer Genossenschaft gesagt haben, so etwas können Sie den Bewohnern nicht zumuten, und das hat viel bewirkt. Auf dem Land, wo eine solche Hilfestellung noch viel dringlicher wäre, funktionieren die Gestaltungsbeiräte aber leider überhaupt nicht. Die Fremdenverkehrsgemeinden sind in einer fürchterlichen Fehlentwicklung gelandet. Die Orte sind total versaut, aber die Gemeinden haben keine Partner, die sie mit neuen Konzepten unterstützen.“ Ursula Spannberger stimmte zu: „Bis auf wenige Projekte gibt es auf dem Land nichts Interessantes vorzuweisen.“ Doch Peter Ebner ortete ebenfalls bereitwillige Aufnahme jedweder fachlich-architektonischen Beratung: „Ich sehe bei der Arbeit in der Initiative Architektur, dass Bürgermeister froh sind, wenn Sie Unterstützung bekommen. Wir haben ein Symposium für diese Zielgruppe veranstaltet, zu dem 80 Bürgermeister gekommen sind. Der Landesrat und Bürgermeister Eisl hat dort zeitgemäße Architektur und eine Abkehr vom Lederhosen-Stil gefordert.“


Architekturwirklichkeiten im Burgenland:
Bauerndörfer und Qualitätsobjekte

Es diskutierten: Architekt Klaus-Jürgen Bauer, Vorsitzender des Architektur Raum Burgenland, Architekt Hans Gangoly, Rupert Schatovich, Mitglied des Beirats für Baukultur und Ortsbildpflege, Architekt Rudolf Szedenik, Mitglied des Dorferneuerungsbeirats und Vorsitzender des Beirats für Baukultur und Ortsbildpflege, Ulrike Tschach-Sauerzopf, Tourismusfachfrau, Franz Weninger, Winzer.

EU-Förderungen und die Grenzöffnung nach Osten beginnen das traditionell bäuerliche Architekturbild des Burgenlandes langsam zu verändern. Auch im kleinsten Bundesland der Nation regt sich eine erkleckliche Anzahl hellwacher Architekturgeister, die diverse vorbildliche Projekte realisieren konnten. Das eigentliche Problem des Landes bringt Rudolf Szedenik auf den Punkt: „Auf der Ebene dazwischen, beim städtebaulichen Gesamtprojekt und beim Siedlungsbau im ländlichen Raum fehlen aber brauchbare Ansätze. (...) Unsere Dörfer waren bis in die frühen 60er-jahre reine Bauerndörfer. Dann sind die Häuser etwas größer geworden, aber es gab noch immer Identität zwischen Wohnen und Arbeiten am selben Ort. In den späten 60ern setzte zuerst die Landflucht ein und später - durch die gute Verkehrsanbindung nach Wien - wieder ein Bevölkerungszuzug, der zu einer Explosion der Dörfer geführt hat.“ Die „suburbanen Wunschszenarien, was die Wohnform betrifft“, meinte Hans Gangoly, würden mit den traditionellen Strukturen nicht zusammenpassen. Den Häuslbauern, so Rupert Schatovich, ginge es vor allem um Individualität, was in den traditionell geschlossenen Dorfstrukturen natürlich zu einer gewissen Irritation führt.

Bebauungspläne, wie sie in manchen Gemeinden versucht wurden, hätten, so Klaus-Jürgen Bauer, wenig Erfolg gebracht: „Im Ortskern wurde einfach nicht mehr gebaut.“ Franz Weninger, selbst Gemeinderat, dazu: "Ich kenne die Probleme bei der Vermarktung von Grundstücken, die nicht so zugeschnitten sind, dass sich jeder seine Villa draufstellen kann. Da gibt man dann irgendwann nach, wenn man Grundstücke dreimal aufparzellieren muss, bis sie endlich gekauft werden.

Sanierungen und architektonisch intelligente Aufwertungen der typischen langen Streckhöfe des Burgenlandes können dabei durchaus zur Zier und wohnlich zeitgemäßen Behaglichkeit gereichen, wie etwa Hans Gangoly mit einem gelungenen Umbau in Stoob unter Beweis stellte. Rudolf Szedenik wundert sich: „Warum erkennt niemand die Qualität dieses Streckhoftyps, wo ein viel intimeres Wohnen möglich ist, weil man da eigentlich den Hof als Wohnzimmer zur Verfügung hat?“ Franz Weninger meint, dass sich das Bewusstsein dafür erst entwickeln müsse. Schatovich: „Die Dörfer müssen dafür kämpfen, die Bevölkerung im Ort zu halten.“

Was die touristischen Aspekte der Burgenlandarchitektur anbelangt, meinte Ulrike Tschach-Sauerzopf, dass man in der Thermenregion, an deren Gesellschaften das Land beteiligt ist, verabsäumt hätte, „Innovatives, Ästhetisches und Funktionales zu schaffen. Lutzmannsburg ist für mich ein Beispiel für eine verpasste Chance, sowohl was die Bauherren als auch die Architekten betrifft. Es hätte für die zukünftige Hotelarchitektur und andere touristische Projekte im Burgenland zum Impulsgeber werden können. So trifft man auf eine Aneinanderreihung von mittelmäßigen bis banalen Hotelbauten, bei denen auch die funktionale Qualität nicht stimmt.“ Um das Land touristisch sinnvoll zu nutzen und die bereits bestehenden Vorzüge zu verwerten, bedürfe es stärkerer Kooperationen zwischen Bauherren, öffentlicher Hand und Architekten.

Das Interesse an Partnerschaften ist seitens der Architektenschaft groß. Bauer: „Es gab in Neusiedl am See eine eigene Veranstaltung zum Thema Architektur und Tourismus, die auch recht gut besucht war, doch vonseiten des Landes war niemand da, weder Beamte noch Politiker. Wir haben zwar alle eingeladen, aber an der Kette herholen können wir sie auch nicht. Wir sind als Architekturraum sehr daran interessiert, Partnerschaften zu finden - mit dem Land, mit dem Tourismus, mit der Werbung - und hier eine Diskussionsplattform entstehen zu lassen.“ Der Architektur Raum Burgenland ist übrigens das einzige Architekturhaus Österreichs, das von seinem Land keinerlei Subventionen erhält. Doch Geld, sagt Bauer, sei in diesem Zusammenhang „nur ein Symptom: Bewusstseinsbildung können wir nicht allein erreichen, sondern nur in Partnerschaften mit anderen öffentlichen und privaten institutionen, die bereit sind, Architektur als Bestandteil der Kultur anzusehen.“

Einer der burgenländischen Kulturträger ist natürlich der Wein, und Winzer wie Franz Weninger, die selbigen nicht in folkloristisch geschwängertem Ambiente keltern und verkosten lassen, sind noch als Sonderjahrgänge zu verbuchen. Er meint: „Ich habe heute kein Verständnis mehr dafür, aus allem Burgenland-Kitsch zu machen.“ Die Architektur seines Weingutes sei mittlerweile zum Marketingträger geworden, doch „vor allem Kunden aus den Niederlanden, der Schweiz und Deutschland sind sehr begeistert, mehr noch als die Österreicher.“

Die Ostöffnung wird durchwegs positiv gesehen, denn, so Bauer, „Konkurrenz belebt die Wirtschaft, und wir rechnen durch die Öffnung mit einer starken wirtschaftlichen Dynamik und mit positiven Auswirkungen auf die Architekturszene. Es wird im Burgenland stark auf Qualität gesetzt werden müssen, wenn die billigeren Angebote, etwa im Tourismus, nach Ungarn abwandern.“

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