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Gib und nimm und werd' selig
Der Standard

Preisgekrönte Architektur. Ausgezeichnete Architekten. Aber welcher Architekturpreis zählt wirklich was?

Architekten sind skeptisch, was die Bedeutung des Satzes „Geben ist seliger denn nehmen“ anbelangt, denn sie selbst geben viel und nehmen verhältnismäßig wenig, und selig sind sie dabei nur ganz selten. Entgegen der landläufigen Meinung, die die Bauenden stets in güldenen Badewannen oder noblen Hobeln argwöhnt, verdient sich der gewissenhafte Architekt sein Brot sehr schwer.

15. Mai 1999 - Ute Woltron
Wer auf Spitzenqualität baut und entsprechend sorgfältig plant, bekommt diesen Einsatz fast nie wirklich in barer Münze rückvergütet, und viele Uneingeweihte würden staunen, welch klingende Namen der internationalen Architekturbranche in den geheimen Listen der Kreditschutzvereine als bedenkliche Schuldner mit schwarzen Punkten und warnenden Rufzeichen bedacht sind.

Wie gut, daß es wenigstens Preise gibt. So eine Auszeichnung ist die öffentliche Anerkennung für unter Entbehrung Geleistetes, sie ist Balsam auf die Wunden, die außergewöhnliche Projekte in die Seelen und Kontostände wackerer Qualitätsarchitekten schlagen.

In Sachen Architektur und Architekturpreise ist neuerdings ein eigenartiger Trend zu beobachten: Je weniger die gläubigen Unternehmer im herrlich Freien Markt der EU gewillt sind, für gut Gebautes auch zu zahlen, je schlechter sich also die Bedingungen für Qualitätsarchitektur gestalten, desto mehr Auszeichnungen werden für Paradegebäude verliehen. Allein in Österreich gibt es 34 Architekturpreise, die in verschiedenen Abständen an Architekten, Bauherren oder Projekte gehen.

Fast scheint es eine Art unausgesprochenen Artenschutzabkommens für die Gattung des Architekten und seine Produkte zu geben, das zumindest auf Rednertribünen und mittels Medaillen auf die Unverzichtbarkeit dieser schwierigen Arbeit aufmerksam machen soll. Der gewissenhafte Architekt ist ein Kulturnützling, ein Marienkäfer unter Blattläusen, irgendwie muß er ja beschützt werden.

Die österreichische Baukultur steht hoch, die heimischen Bau-Leute liegen gut im Rennen um die internationalen Goldzuckerl, die für außergewöhnliche Leistungen in der Architekturbranche vergeben werden. Erst jüngst wieder trugen zwei Wiener wichtige Belobigungen nach Hause: Der junge Architekt Georg Marterer nahm in Dallas den diesjährigen „Benedictus Award“ entgegen. Sein Kollege Martin Treberspurg wird sich im Juni in Peking den „Sir Robert Matthew-Preis“ abholen.

Jeder einzelne Preis - so ist nachzulesen - will dabei „eine der wichtigsten Architekturauszeichnungen der Welt“ sein. So bedeutend sie alle sein mögen - DER STANDARD hat sich in der heimischen Architektenschaft ein wenig umgehört, welche der zahllosen Würdigungen nun wirklich Gewicht und Bedeutung haben.

Für Helmut Richter etwa wiegen ausschließlich der amerikanische „Pritzker-Preis“ (für das architektonische Lebenswerk) und der „Reynolds Memorial Award“ (für Aluminiumbau) schwer. „Die anderen sind nett“, sagt er, „und man freut sich, wenn man sie kriegt, kommt aber bald drauf, daß sie nicht wichtig sind.“

Hans Hollein ist der ausgezeichnetste Architekt dieses Landes. Hätte er ein Kaminsims, stünden dort zwei Reynolds-Awards und der Pritzker-Preis neben unzähligen anderen. Auch aus seinem Büro hört man, daß die einzig wahre die Pritzker-Ehrung sei, obwohl man alle anderen natürlich auch gern habe.

Günther Domenig macht „Architektur lieber für Menschen und nicht für Preise“, er hält ebenfalls den Pritzker für den Award. „Ehrungspreise öden mich an“, meint er, der unzählige Goldmedaillen „mit bis zu zehn Zentimetern Durchmesser, die nicht einmal echt sind“, hortet. Wichtig wären nur die Preisdotierungen, denn: „Fast alle Architekten haben Schulden und brauchen vor allem Geld.“

Auch Wolf D. Prix, von Coop Himmelb(l)au und soeben mit dem Deutschen Betonpreis bedacht, sieht die Angelegenheit pragmatisch. So ein Pritzker, meint er, sei natürlich in Sachen Ehre und Intellekt das Höchste der Gefühle, doch auch preisgeldträchtige Auszeichnungen wie der 2,4 Millionen öS schwere Carlsberg-Award wären sinnhafte Angelegenheiten.

Wilhelm Holzbauer schließlich hat „keine Beziehung zu Preisen“, weil ihm „eh keiner einen gibt“, was erwiesenermaßen nicht stimmt, denn etwa für die Wiener U-Bahn erhielt er gemeinsam mit den ARGE-Kollegen seinerzeit den prominenten Reynolds-Award. Die Vergabe der heimischen Architekturpreise sei dermaßen von der Besetzung der Jury abhängig, daß er ohnehin nie eine Chance hätte, einen zu bekommen. Fazit: „Wenn man zu viel baut, wird man zum Feind.“

Wie auch immer, die hiesige Architektenschaft ist eine hoch ausgezeichnete. Freuen soll sie sich daran. Und vielleicht werden Auftraggeber irgendwann auch genug geben und nicht nur nehmen, dann ist alles ausgezeichnet.

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