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Zeitlosigkeit heißt die Avantgarde
Der Standard

Ein gediegenes Shopkonzept ist in jedem Fall besser als flippige Architekturschminke, meint Architekt Adolf Krischanitz, und sei die noch so teuer gemacht

20. Februar 2004 - Ute Woltron
der Standard: Was muss ein Geschäft können, um gut zu funktionieren?

Krischanitz: Ich denke, dass man im Prinzip vom Interieur eines Geschäftes in Ruhe gelassen werden will. Einkaufen bedeutet für die einen Stress, für die anderen Entspannung, und in beiden Fällen ist man darauf angewiesen, eine gewisse Distanz zur Geschäftsarchitektur zu entwickeln. In forcierter Umgebung kann man nicht entspannt shoppen. Das ist ähnlich wie mit Hotelzimmern: Dort kann ich wohnen, wenn da Möbel drinnen stehen, die mich in Ruhe lassen. Hart wird es in schlecht gemachten Designerhotels, weil mich da jede Ecke aufregt.

Werden sich die flippigen Läden, wie sie im Moment „in“ sind, Ihrer Meinung nach rasch überleben?

Es ist eine theoretische Annahme, dass ein Geschäft für kurze Zeit gut funktioniert, wenn die Ware und der Inhalt übereinstimmen. Das sind genau jene Dinge, die nicht altern können, und die Geschäftsleute müssen das Interieur alle paar Jahre auswechseln. Sie tun es dann aus Kostengründen trotzdem nicht, denn diese neuen Läden sind keineswegs billig gemacht. Doch Material und Konzept, die eigentlich nicht altern dürften, tun es trotzdem, und irgendwie wirken diese Läden sehr rasch wie Menschen, die nicht würdig altern und permanent auf jung tun, ohne es noch zu sein.

Stichwort Übereinstimmung von Ware und Inhalt: Wie kann ein Shop vernünftig damit umgehen?

Jede Architektur spielt irgendetwas. Das war auch schon zu Zeiten des Bauhauses so, als das Interieur so tat, als ob es maschinell erzeugt sei, tatsächlich aber Handarbeit war. Dieses Spiel ist also immer da, es kommt darauf an, wie es gespielt wird. Wenn ein Geschäftsinhaber sich selbst rasch seinen Laden zusammenstellt und darin preiswerte Ware verkauft, schaut das ganz anders aus, als wenn ein Designer plötzlich Billigladen spielt. Mir gefällt es besser, wenn ein solcher Shop wirklich in jeder Hinsicht billig gemacht ist. Das ist ein Konzept, das etwa in New York häufig angewandt wird, oder wie es auch für Wein & Co bis zu einem gewissen Grad angedacht war.

Sie haben für das Pelzhaus Liska ein elegantes Geschäft am Wiener Graben gebaut und dafür sicher den „State of the Art“ recherchiert. Zu welchen Erkenntnissen sind Sie gekommen?

Ich habe mir relativ viele Läden angeschaut, hatte aber oft Schwierigkeiten, ein zweites Mal gern hineinzugehen, weil sich die verschiedenen Ideen doch schnell verbrauchen. Der zweite Blick war meistens ziemlich ernüchternd. Das grundsätzliche Problem ist folgendes: Die heutige Zeit ist so schnelllebig, die Trends sind so unübersichtlich, dass man als Gestalter nie sicher sein kann, ob man mit dem vermeintlichen Schritt vorwärts nicht zwei zurück geht.

Könnte Zeitlosigkeit die Antwort darauf sein?

Ich denke, das geht in die richtige Richtung. In dieser komplexen Zeit ist das Avantgardistische nicht mehr ortbar, es geht viel eher darum, zu speziellen Lösungen zu kommen, die nicht um jeden Preis originell sind, sondern dem speziellen Ort eine spezifische Qualität zu geben. Das kann örtlich, städtebaulich und architektonisch gedacht sein. Design und Interieur sind ziemlich austauschbar, das übergeordnete Konzept muss passen.

Funktionieren alte, traditionelle Geschäfte gegebenenfalls sogar besser als die neuen Superschuppen?

Alle gut funktionierenden Innenstadtgeschäfte Wiens treten diesen Beweis an. Im Knize von Adolf Loos kann man heute noch sehr gut teures Gewand verkaufen, das Konzept funktioniert besser denn je. Ich glaube nicht an die Fortschrittseuphorie. Zeitlosigkeit ist das, worauf ich setzen würde, weil alles andere könnte ich gar nicht. Der architektonische Rahmen ist das Entscheidende, wenn der stimmt, kann designmäßig alles Mögliche drinnen stehen. Diese Details sind austauschbar, das Grundkonzept muss stimmen, und das ist wahrlich nicht allzu oft der Fall.
Interview: Ute Woltron

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