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Die Suche nach der eigenen Identität
Der Standard

Für kleinere Einkaufszentren reichen im Regelfall ein großer Frequenzbringer und gute Lage als Erfolgsgarant - die Architektur ist von untergeordneter Bedeutung. Ab einer Fläche von 20.000 m schaut die Situation anders aus.

27. Februar 2002
Kleine Einkaufszentren sind „brave Verkaufsmaschinen“, erläutert Regioplan-Geschäftsführer Wolfgang Richter, große Einkaufszentren dagegen stehen in direkter Konkurrenz mit den Stadtzentren und müssen dem Konsumenten eine gewachsene Innenstadt simulieren.


Architektur

Der Einkauf als reine Bedürfnisbefriedigung tritt dabei in den Hintergrund, das Ambiente gewinnt an Bedeutung. Architektur und Design sollen den Kunden in eine optimale Einkaufsstimmung versetzen. Experten sehen den Erfolgstrend der Zukunft in einer Kombination von Einkaufen als Freizeitbeschäftigung, Unterhaltung und Kino - idealerweise ergänzt mit „kultigem“ Image.

Konzepte dieser Art sind der mit nationalen und internationalen Architekturpreisen ausgezeichnete Europark in Salzburg, und auch in der G-town unter den Kuppeln der Wiener Gasometer nutzen die Betreiber die gewachsene Atmosphäre des historischen Wahrzeichens.


Haas-Haus

Gute Architektur ist somit wesentlich für den Erfolg eines großen Shoppingcenters. Gute Architektur alleine hilft aber auch nicht, wie das von Stararchitekt Hans Hollein gestaltete Haas-Haus am Wiener Stephansplatz zeigt.

Nach mehr als einem Jahrzehnt mit sehr wechselhaftem geschäftlichem Erfolg für die Betreiber der Lokale und Geschäfte wird die Nobeladresse nun wieder in eine Baustelle verwandelt und das Gebäude völlig umgekrempelt. Auch der Einkaufstempel Ringstraßen-Galerien ist noch auf der Suche nach seiner eigenen Identität, heißt es aus der Branche. Die Shopping City Süd in Vösendorf hinkt in Sachen Entertainment-Programm und Architektur vielen Konkurrenten zwar hinterher.

Unterhaltungswillige müssen sich mit dem Komplex um das UCI-Kino bescheiden - hochtrabende Pläne eines Freizeitparks gigantischen Ausmaßes wurden auf Eis gelegt. Von der Größe her ist die SCS aber auch so in Österreich und selbst europaweit weiterhin unangefochtener Spitzenreiter. Im Vorjahr wurden am gesamten Areal mehr als eine Milliarde Euro umgesetzt.

Die österreichweit 100 größten Einkaufszentren verfügen über eine Gesamtverkaufsfläche von etwa 1,4 Mio. Quadratmeter, wobei die Top zehn knapp ein Drittel der Fläche ausmachen.


Ortsrand

Traditionell sind Einkaufszentren am Ortsrand angesiedelt. Doch es werden auch Innenstadtlagen in die Planungen einbezogen - der Expansionsumbau bei der Lugner City oder das Einkaufszentrum am Columbusplatz zeigen einen Trend in Richtung Attraktivierung der Wiener Einkaufsstraßen. Mit knapp einem Drittel der österreichweit neu projektierten Shoppingcenter hat Wien klar die Nase vorne, eine deutlich beschleunigte Tendenz ist aber auch im Bundesland Salzburg erkennbar.


Kundenfrequenz

Der Trend in Richtung Größe hält nach Ansicht von Experten weiter an. Vor allem bei kleinen Geschäften ist die Kundenfrequenz im Vorjahr um ein Prozent zurückgegangen, während sie in Einkaufszentren und -straßen gleich blieb. Größere Unternehmen verzeichneten folglich auch ein Umsatzplus von zwei bis drei Prozent, kleinere Unternehmen mussten dagegen Umsatzrückgänge hinnehmen.

Die Wirtschaftskammer verfolgt diesen Trend zur Größe und an den Stadtrand mit Sorge. Von insgesamt 340.000 Quadratmeter Verkaufsfläche, die derzeit in Wien in Planung oder Bau sind, befinden sich nur 90.000 Quadratmeter in den gewachsenen Einkaufsstraßen, dagegen rund 180.000 Quadratmeter am Stadtrand auf der grünen Wiese. Werden diese Pläne umgesetzt, könnte das den Geschäften der Stadt geschätzt 363 Millionen EURO (fünf Milliarden Schilling) an Kaufkraft wegnehmen - das entspricht dem Jahresumsatz von 1000 Klein- und Mittelbetrieben.

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