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Architektenzoo für Schönbrunn
Der Standard

Der städtebauliche Wettbewerb wird bereits vor der Juryentscheidung zum Publikumsmitbestimmungsprojekt

6. Oktober 2001 - Ute Woltron
Schönbrunn ist nicht nur ein Schloss, ein Park und ein Zoo, Schönbrunn ist vor allem eine Gegend. Zu dieser Auffassung kam auch die Wiener Stadtplanung, weshalb man sich im heurigen Frühjahr entschloss, einen städtebaulichen Wettbewerb internationalen Formats und enormer Größenordnung auszuschreiben, um die verbesserungswürdigen Stellen dieser Gegend kraft intelligenter Architektinnen und Architekten zu perfektionieren. Man gab vier Un-Orte zur Bearbeitung vor, und zwar den von Touristenbussen zur Unkenntlichkeit verwüsteten Schloss-Vorbereich, die schwach genutzte Kasernengegend am schönen Schlossbergbuckel, das ungebändigte Hietzinger Platzl sowie die so genannten Fiatgründe an der vorderen linken Schlossparkflanke, die der Bauträger Austria Immobilien GmbH. (B.A.I.)gehören.

Von den in die Zehntausende gehenden EU-weit tätigen Architekten gaben 17 tatsächlich Entwürfe ab, was gewisse Rückschlüsse auf die Formulierungsklarheit der Aufgabenstellung zulässt. Von diesen 17 Projekten wurde keines für preiswürdig befunden, die Jury unter Vorsitz des deutschen Architekten Ferdinand Stracke wählte je drei Architekten oder Teams pro Teilbereich für eine zweite Planungsrunde aus. Obwohl natürlich das Hietzinger Platzl, das Kasernenareal sowie die Schlosseingangswüstenei hochinteressante Problemfälle darstellen, liegt das eigentliche architektonische Goldgräberloch auf den Fiatgründen der B.A.I.:

Dort will man laut deren Chef Maximilian Weikhart „ein Projekt realisieren, das sich in der Investitionsgegend einer Milliarde Schilling“ bewegt. Dieser Wunsch ist nicht neu, er besteht seit etwa drei Jahren. Damals übernahm die Bank Austria-Tochter das Grundstück, organisierte einen Architekturwettbewerb, die Jury unter Vorsitz von Manfred Wehdorn reihte das Projekt Peter Podsedenseks an erster Stelle, man ging damit in den Gestaltungsbeirat und scheiterte - verkürzt dargestellt - an der Höhe des Gebäudes sowie einem schutzwürdigen Architekturobjekt, das sich auf dem Areal befindet. Ein Hochhaus neben Schönbrunn kam auch für die Grünen sowie für Anrainer nicht in Frage, weshalb die Angelegenheit vorerst auf Eis gelegt wurde.

Das neuerliche, diesmal im Rahmen des Schönbrunnwettbewerbs von der Gemeinde selbst veranstaltete Verfahren, wird von Weikhart begrüßt, doch hat die Sache folgende architektonischen Haken:

Erstens stellen die laut Ausschreibung geforderten Pläne im Maßstab 1:2000 und 1:5000 ungefähr jene Genauigkeit dar, wie sie Maßschneider erzielen, wenn sie via Fernrohr an einer drei Kilometer entfernten Person Maß nehmen. Zweitens wird es aufgrund eines bereits feststehenden Wettbewerbssiegers aus dem ersten Verfahren - Peter Podsedensek - zu einer komplizierten Vergabemodalität kommen. Drittens veranstaltet der Auslober zur Zeit im Magistratischen Bezirksamt Meidling eine Ausstellung aller eingereichten Projekte, die Interessierte auffordert, via Stimmzettel ihre Bürgermeinung zu den eingereichten Projekten kundzutun - eine der Wettbewerbsordung direkt zuwiderlaufende Aktion. Am Tag vor der Jurysitzung am 17. Oktober soll außerdem eine Publikumsdiskussion zum Thema stattfinden. Juror Manfred Nehrer blickt dem mit gemischten Gefühlen entgegen, geht aber davon aus, dass trotzdem „eine faire Jury stattfinden wird.“ Laura Spinadel, neben Rüdiger Lainer und dem Team Caramel (Günter Katherl, Martin Haller, Ulrich Aspetsberger) in der zweiten, übrigens anonymen Fiat-Runde, empfindet „Partizipation an sich als schön, aber nur, wenn so etwas vorbereitet wird“. Kammerchef Peter Scheifinger „weiß nicht, wie seriöse Meinungsvermittlung von einem Tag auf den anderen funktionieren sollte“, er will zwar den „guten Willen anerkennen, doch braucht das andere Voraussetzungen, als ein paar Meinungen abzuklopfen“. Auch Günther Katherl findet die Publikumsbefragung „schon etwas komisch“. Karl Glotter, stellvertretender Leiter der MA18 und für den Wettbewerb zuständig, geht „davon aus, dass die Fachleute in der Jury Potenz genug haben, sich von geschmäcklerischen Rülpsern von außen nicht beeinflussen zu lassen“, will aber einfach „den Menschen die Möglichkeit bieten, sich zu informieren und etwas dazu sagen zu können.“

Für Rüdiger Lainer ist der gesamte Wettbewerb schief gelaufen, denn: „Den großen Wurf für das gesamte Areal zu erwarten war von vornherein ein falscher Ansatz, und die Resultate sind auch recht kümmerlich. Die erste Stufe ist für mich gescheitert.“ B.A.I.-Boss Weikhart wartet das finale Wettbewerbsergebnis ab, schließt aber eine Kooperation des neuen mit dem alten Wettbewerbssieger nicht aus: „Es ist in beiden Wettbewerbsausschreibungen nachzulesen, dass die Vergabe nach Maßgabe der Möglichkeiten erfolgen wird, die Entscheidung ob und wer welche Teilbereiche bekommt, ist offen.“ Podsedensek dazu: „Es ist vieles unglücklich begonnen und unglücklich weiterbearbeitet worden, die Aufgabenstellung war unklar und schwierig.“

Schönbrunn-Juror Nehrer ortet die Wurzel des Übels in der Stadt Wien: „Alle diese laufenden Vergabeprobleme handelt man sich deshalb ein, weil sich die Stadt Wien unnötigerweise weigert, die Wettbewerbsordnung anzuerkennen und einzuhalten. Sie ist ein vom Wirtschaftsministerium genehmigtes Instrument, das jeden Schritt genau regelt und dieses ganze Dilemma von vornherein erledigt hätte.“

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