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Der Standard

Die parlamentarische Enquete zum Thema Baukultur könnte ein Startschuss gewesen sein, wenn die Architekten Politik sprechen lernen. Noch können sie es nicht.

3. April 2004 - Ute Woltron
Es war Dienstag, der 30. März, als die heimischen Architekten für einen Wimpernschlag der Geschichte das österreichische Parlament eroberten. Sie kamen, sahen - und verloren. Denn die Politik ist ein Kampf, und gewinnen kann nur, wer perfekt gerüstet in die Wortgefechte geht.

Doch um diese Einstiegspessimismen gleich ein wenig abzuschwächen: Der Weg ist eingeschlagen, er wird weitergegangen werden. Man wird von der Schlappe profitieren und argumentative Aufrüstung betreiben. Hoffentlich. Es ist höchste Zeit.

Zur Sache: Eine Gruppe Engagierter hatte es zuwege gebracht, eine parlamentarische Enquete zum Thema „Architekturpolitik und Baukultur in Österreich“ zu erwirken: Einen vollen Parlamentstag lang konnten Architekten und Fachleute im Plenarsaal des Hohen Hauses ihre Anliegen vortragen. Ein Meilenstein immerhin, denn dergleichen war noch nie.

Eine Hand voll wohlmeinender Nationalratsabgeordneter und eine Heerschar Architekturleute bevölkerten denn auch den Saal, als Punkt neun Uhr Nationalratspräsident Andreas Khol die Anwesenden sowie „das Regierungsmitglied“ Staatssekretär Franz Morak in seine Begrüßungsformel einschloss. Es folgte ein Vormittag des Referatevortragens, doch irgendwie war es, als ob die Ansprachen der Architektur in eine hohle Gasse schallten, als ob sich hier Insider gegenseitig ihres Insiderwissens versicherten, denn die Regierungsbank blieb bar der Regierungsmitglieder, und diejenigen, die man eigentlich ansprechen wollte, blieben auch bis Nachmittag fern.

Das Referat Dietmar Steiners etwa, das gewissermaßen einen vorzüglichen Grundkurs in „Architektur in Österreich heute“ darstellte, hätte jedem Politiker ein bisschen auf die Sprünge geholfen, der irgendetwas mit Kultur, Wirtschaft, Kunst zu tun hat. „Nicht die Architekten zersiedeln und verschandeln das Land“, meinte er etwa, sondern wir alle seien „für dieses Desaster verantwortlich“. Dass die heimische Baukultur das internationale Spitzenfeld längst erobert hat, wissen die Architekten selbst am besten, sie hätten es hier gerne denjenigen erzählt, die die Rahmenbedingungen stecken.

Sie hätten gerne gehört: Ihr seid super, wir helfen euch, noch besser zu werden. Wir werden dafür sorgen, dass ordentliche Raumordnungen Platz greifen, dass die Vergabeverfahren sauber und im Sinne guter Planung reguliert und dass die unseligen, allerorten aufkeimenden Totalübernehmerverfahren zugunsten der Vergabetrennung von Planungs- und Bauleistungen gekippt werden. Wir werden uns auch darum kümmern, dass die Deckungsbeiträge der Architektenleistungen nicht wie derzeit meist unter null liegen. Wir werden gemeinsam mit euch darüber nachdenken, mit welchen Instrumenten Häuselbauer, Wirtschaftstreibende, Bürgermeister und überhaupt alle in die richtige Bahn gebracht werden können, die zielgenau zu sorgfältigem, ökologischem, nachhaltigem und damit sinnvollem Bauen führt.

Doch wer irgendwohin will, braucht einen Plan. Und der fehlte dieser Truppe höchst kreativer Wirrköpfe vollkommen.

Als am Nachmittag der sehnlichst erwartete Minister Martin Bartenstein auf der Regierungsbank Platz nahm, trugen gerade die ausländischen Experten ihre Förderungsmodelle vor. Reine Zeitverschwendung: Genau jetzt hätten die Architekten Punkt für Punkt ihre Anliegen vortragen und gleich genial ausformulierte Lösungsvorschläge aus den Aktenkoffern ziehen müssen. Doch sie sprachen ein paar Binsenweisheiten, der Minister antwortete knapp, verwies auf die Freiheit des Marktes und entschwand. Ratlosigkeit blieb zurück.

Doch was ebenfalls blieb, waren Leute wie die Grüne Eva Glawischnig, die eigentlich die Aufgabe der Architekten übernahm, indem sie auf politischer Ebene nicht nur ein „radikales Bekenntnis zu Qualität und zeitgemäßer Architektur als Indikator für eine moderne Gesellschaft“ einforderte, sondern vor allem konkrete Verbesserungsvorschläge einbrachte: Die öffentliche Hand möge alle Instanzen durchforsten und verpflichtende Leitlinien ziehen. Raumplanung und Wohnbauförderung seien zu reformieren, die Raumordnung sei auf nationale Ebene zu heben, eine Zukunftskommission für künftige Architekturpolitik könne den Weg weisen.

Auch Christine Muttonens (SPÖ) Ansatz war konstruktiv und zugleich aufmunternd: „Wir stehen am Beginn des Prozesses, man muss diese Veranstaltung als Startschuss für eine breite Diskussion sehen.“

Jüngere Architekten wie Doris Purtscher, Jakob Dunkl und einige andere sehen das auch so: Durch vernünftiges Miteinander-Reden kommen die Leut' zusammen. Wenn die Architekten konkret werden, werden auch die Politiker zuhören. Wer weiß, wie die Dinge funktionieren können, hat die Bringschuld, es jenen klar zu machen, die die Letztverantwortung dafür tragen. Die österreichischen Architekten sind im Bauen Weltmeister. Wenn sie jetzt auch noch die Bausteine der Politik zu schlichten lernen, hat das ganze Land gewonnen.

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