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Gebaute Symbiosen
Neue Zürcher Zeitung

Der japanische Architekt Kisho Kurokawa wird siebzig

8. April 2004 - Hubertus Adam
Nicht dass Kisho Kurokawa heutzutage ohne Erfolg wäre - ganz im Gegenteil: Das Büro baut seit längerem weltweit. Und doch sicherte sich der am 8. April 1934 im japanischen Nagoya geborene Architekt seinen Platz in der Geschichte der Disziplin vornehmlich durch seine allerersten Bauten und Projekte. Früh kam er mit den Ideen des Metabolismus in Kontakt, zu deren wichtigsten Vertretern Kurokawa zu zählen ist. Der «Helix City Plan» von 1961 besteht in flexiblen Siedlungsstrukturen, die sich nach dem Vorbild der DNA-Spirale in den Himmel schrauben. Gebaut wurde von derlei Visionen der Metabolisten nichts, und so blieb nur der vergleichsweise bescheidene Abglanz, etwa in den von Kurokawa entworfenen Bauten für die Expo von Osaka 1970. Das berühmteste Werk des Architekten entstand nur zwei Jahre später: der Nakagin Capsule Tower im Tokioter Ginza-Viertel, eine Ikone der Architektur des 20. Jahrhunderts. Jede der 144 kistenartigen Wohnkapseln vereint auf engstem Raum Schlaf- und Arbeitsbereich sowie Kitchenette und Nasszelle.

Wie eine Reihe seiner japanischen Berufskollegen - zu denken wäre an Fumihiko Maki oder Arata Isozaki - hat Kurokawa die Radikalität seiner früheren Entwürfe gegen eine marktkonformere Ausrichtung getauscht, welche mitunter bedenkliche Nähen zu einer globalisierten Investorenarchitektur aufweist. Hierzu können eine Reihe grosser Business-Komplexe gezählt werden. Bedeutender als diese Bauten ist der Flughafen von Kuala Lumpur, der in den kommenden Jahren massiv erweitert werden soll. Das mit einer zeltartigen Schalenkonstruktion überdachte Gebäude interpretiert der Entwerfer als Wald - gemäss seinem Postulat einer Verbindung von Architektur und Natur. «Symbiose» ist ohnehin ein Zentralbegriff von Kurokawa, und er versteht darunter auch die Symbiose von West und Ost, von europäischer und fernöstlicher Tradition. Diese Symbiose zeigt sich am deutlichsten in der dichten Sequenz von Museen, die Kurokawa seit den siebziger Jahren errichten konnte.

Mit Rücksicht auf den umgebenden Wald wurde das Hiroshima Museum of Contemporary Art (1988) als eine niedrige, dorfartige Anlage erbaut, die sich um eine Rotunde gruppiert. Dabei kann man Reverenzen an die Baukunst der Edo- Zeit ebenso feststellen wie Inspirationen durch die abendländische Architekturgeschichte. Noch deutlicher wird Kurokawas Eklektizismus beim Wissenschaftsmuseum der Präfektur Ehime (1994), in dem Formen der Postmoderne mit dekonstruktivistischen Konzepten kombiniert sind. Die Vorliebe des Architekten für klare stereometrische Formen bestimmt auch die 1998 fertiggestellte Erweiterung des Van-Gogh-Museums in Amsterdam, des neben dem Pacific Building in der Pariser Défense wichtigsten Gebäudes von Kurokawa in Europa.

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Für den Beitrag verantwortlich: Neue Zürcher Zeitung

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