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An der Schwelle
Der Standard

Eingang oder Ausgang, Verkehrszone oder Entree: RONDO bat vier prominente ArchitektInnen um spontane Assoziationen zu diesem Thema

15. März 2002
Klaus Kada

Architekt der Veranstaltungshalle in St. Pölten
Wie der soziale Wohnbau in Österreich den Eingang behandelt, lässt sofort den sozialen Aspekt dabei erkennen, der den sozialen Wohnbau als solchen deklariert: ein Treppenpodest, eine Tür, damit hat es sich auch schon. Im Vergleich dazu haben mediterrane, ebenfalls preiswert gebaute Häuser regelrechte Foyers, die einfach, aber kostbar gemacht sind. Es gibt dort stets einen Empfangsraum und einen geschlossenen Bereich für die Briefkästen. Man bekommt sofort das Gefühl vermittelt: Wer hier wohnt, der ist wer. Bei uns wird dergleichen bedauerlicherweise nicht finanziert und damit die Wertigkeit der Bewohner vorweggenommen. Das Gleiche gilt auch für einfache Hotels, die in Italien und Frankreich doppelt so gut gemacht sind wie bei uns. Ein ordentliches Entree ist für die psychologische Wahrnehmung jedes Eintretenden enorm wichtig. Das Gesicht des Hauses demonstriert sich im Eingangsbereich in konzentrierter Form noch einmal.


Hermann Czech

Arbeitet an einem Wohnbau in Wien
Der Eingang
verstößt gegen flexible Nutzung,
verstößt gegen die Aufhebung der Trennung von innen und außen,
verstößt gegen klare Linien,
verstößt gegen Political Correctness. -
Der Architekt (und die Architektin) auf der Höhe der Zeit macht am besten keinen Eingang.


Elsa Prochazka

Plant gerade ein Bürohaus und Einkaufszentrum in Wien und baut das Stadtmuseum Kitzbühel
Jeder Eingang ist ein Interface von außen nach innen, von öffentlich zu privat, von real zu virtuell. Der Eingang steht als hart, weich oder verschwommen definierte Unterbrechung zwischen unterschiedlichen Zonen. Wie bewusst das wird, kann auch eine Frage der Architektur sein. Der schönste Eingang ist eine offene Tür, die zum Überschreiten der eigenen und anderer Grenzen einlädt. Will man suggerieren, dass mehr
dahinter steckt, wird der Eingang zum Portal.


Adolf Krischanitz

Architekt der neuen Kunsthalle am Karlsplatz
Wenn ich an Eingänge denke, fällt mir spontan Orpheus ein, der durch den Spiegel in die Unterwelt eindringt, seine Hände, die durch das Wasser stoßen - und plötzlich ist er drinnen. Das gesamte Gebäude der Kunsthalle ist eigentlich ein Portikus, ein Ein- und Ausgang zugleich. Der Blick von innen nach draußen in die Stadt hat möglicherweise sogar mehr Ferne, als jener, den man hat, wenn man draußen steht, denn er wird fokussiert, in Rahmen gefasst und damit artikuliert. Gebäude sind Be- und Verhältnisse nach verschiedenen Seiten. Sie definieren nicht nur ein Innen, sondern auch ein Außen. Innen und Außen sind parallele, unterschiedlich aufgeladene Raumfelder, die durch materielle, mehr oder weniger dichte Grenzen
so getrennt wie auch verbunden sind.

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