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Verkannt und eigensinnig
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Antonio Gaudi war der wichtigste Vertreter des spanischen Jugendstils.

20. März 2002
Der alte Mann, den eine Straßenbahn im Zentrum von Barcelona angefahren hatte, machte einen verwahrlosten Eindruck. Seine Jacke war zerschlissen, die Hose von Sicherheitsnadeln zusammengehalten. Niemand machte Anstalten, dem Verletzten zu helfen, der Fahrer der Straßenbahn setzte ungerührt seine Fahrt fort. Taxifahrer wollten den Schwerverletzten nicht aufnehmen aus Angst, die Sitzpolster könnten mit Blut verschmiert werden.

Als sich doch jemand erbarmte und den Alten in ein Krankenhaus brachte, stellte sich heraus, dass der Verunglückte kein Bettler war. Es war der berühmte Architekt Antonio Gaudi, der heute als ein Universalgenie und ein Baumeister gefeiert wird, der seiner Zeit weit voraus war. Man schrieb den 7. Juni 1926. Drei Tage nach dem Unfall erlag der 73-jährige Katalane seinen Verletzungen.

Antonio Gaudi wurde 1852 in Reus bei Tarragona als Sohn eines Kupferschmieds geboren. Von 1874 bis 1878 absolvierte er ein Architekturstudium in Barcelona, das er nur mit der schlechtest möglichen Note, „bestanden“, absolvierte. Offensichtlich fand er mit seinen eigenwilligen Vorstellungen von Architektur an der Uni nur geringen Anklang.


Der erste „Öko-Architekt“

Gaudí entwickelte sich zum wichtigsten Vertreter des „Modernisme“. Diese Stilrichtung bildete in der Kunst und Architektur der spanischen Region Katalonien das Pendant zum deutschen Jugendstil oder zur französischen Kunstrichtung Art-Nouveau.

Die Bauwerke Gaudís zeichnen sich durch eine unverwechselbare Linienführung aus. Sie weisen wenig Ecken und Kanten auf, dafür runde und fließende Formen. Die Linien scheinen der Welt schlingernder Pflanzen entnommen zu sein. Diese Anlehnung an die Natur brachte Gaudí die Bezeichnung „erster Öko- Architekt“ ein. „Dieser Mann kann aus Stein machen, was er nur will“, bewunderte Le Corbusier den Katalanen.


Bauwerke

Sein berühmtestes Werk ist der monumentale Kirchenbau „Sagrada Familia“, der noch unvollendet ist, aber längst zu einem Wahrzeichen Barcelonas wurde. Weitere wichtige Bauten sind der Güell-Palast und der Güell-Park, die Gaudí für seinen Mäzen, den Grafen Eusebi Güell, erschuf.

Der Architekt war ein Eigenbrötler und Misanthrop. Die Marquise von Castelldosrius, fragte einst den Architekten, wie sie denn ihren Flügel in die von Gaudí umgestaltete Wohnung bekommen sollte. Der Meister antwortete: „Señora, lassen Sie sich auf Geigenspiel umschulen.“

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