Award

Mies van der Rohe Award 2007
Architekturpreis - Mies van der Rohe Foundation - Barcelona (E)
Jury: Ricky Burdett, Peter Cachola Schmal, Luis Fernández Galiano, Ellen van Loon, Mohsen Mostafavi Ithaca, Francis Rambert, Dietmar Steiner, Bettina Götz, Beth Galí
Veranstalter: Mies van der Rohe Foundation, Europäische Union
Preisverleihung: 27. April 2007

Wann, wenn nicht jetzt

Anlässlich der Verleihung des Mies-van-der-Rohe-Architekturpreises der EU entspann sich in Barcelona eine Debatte über Sein und Schein - und die wird immer heftiger.

19. Mai 2007 - Ute Woltron
Vergangenen Montag wurde in Barcelona der 10. Architekturpreis der EU übergeben. Schauplatz war einmal mehr Mies van der Rohes zeitlos eleganter Weltausstellungspavillon, das Publikum erschien selbstverständlich großteils in architektonischem Schwarz und frisch gegossen, weil eben ein Hagelgewitter die Stadt überwältigt hatte.

Der Mies-van-der-Rohe-Award geht heuer in sein 20. Jahr, er wird biennal vergeben, wiegt 50.000 Euro und gilt als die wichtigste Auszeichnung für gute Bauten innerhalb der Europäischen Union. Das gab Anlass, die Preisverleihungszeremonie ein wenig breiter anzulegen, unter anderem gewürzt mit einer Podiumsdiskussion über die Sinnhaftigkeit der Auszeichnung selbst.

Doch zuerst zu den Gewinnern: Die kommen heuer aus Spanien, heißen Luis M. Mansilla und Emilio Tunón, sind hierzulande so gut wie unbekannt und haben in der Stadt León ein Museum für zeitgenössische Kunst mit Namen Musac gebaut. Das Gebäude, so die Begründung der Jury, sei vor allem wegen seines räumlichen Raffinements und die sich dadurch ergebende Raum- und Wegeführungsökonomie sowie die behutsame Implantation in ein gewachsenes Stadtgefüge als richtungsweisend für die künftige europäische Architektur zu bewerten. „Allein von Bildern und Plänen aus betrachtet“, so Richard Burdett als Vorsitzender des Gremiums, „heißt das Ding nicht viel. Niemand hätte anfangs gedacht, dass das Projekt auch nur in die engere Wahl kommen würde.“ Doch durch diese Räume müsse man gehen, um das System und seine Intelligenz zu begreifen, denn Architektur allein als Image, als Bild zu betrachten, habe sich noch immer als unzulänglich erwiesen.

Womit wir mitten in einem der Hauptthemen wären, die das Panel der vorhin erwähnten Podiumsdiskussion beschäftigten, und das allen Architekten wohl bekannt ist: Worum muss es in der Architektur gehen? Um gut fotografierbares Image, um das Ikonische - oder um Inhalt?

Gerade am Mies-Preis dürfte sich das vorzüglich festmachen lassen. Denn hinter der Organisation stecken nicht nur die EU und die Mies-Foundation, sondern auch allerlei potente Sponsoren aus Bankenwesen und Industrie. Und so nimmt es keinen wunder, dass so mancher Eingeweihte am Rande der Festivität an den seinerseits diesbezüglich durchaus gelassenen Juryvorsitzenden Burdett herantrat, um scherzend quasi beiläufig einzuflechten, dass dieser hier mit Sicherheit sein letzter Auftritt als Jury-Chef gewesen sei. Mit Ben van Berkels Mercedes-Benz-Museum in Stuttgart oder Zaha Hadids Phaeno-Experimentierlandschaft in der VW-Stadt Wolfsburg, ja damit wären die Sponsoren hoch zufrieden gewesen. Ein urbanes Projekt im spanischen Hinterland zu wählen, sei jedoch gewissermaßen ein Akt der Subversion.

Wie unappetitlich! Doch die Architekten funktionieren letztlich genau nach demselben Schema, also hat keiner dem anderen viel vorzuwerfen. Durch die Familie der weltbekannten Planer und Planerinnen ziehen sich tiefe Klüfte, über die hinweg man sich mit Geifer, Spott und Neid beflegelt. Dabei geht es nicht um Glaubenskriege, welche denn die bessere Architektur sei, sondern um Schulen, Freundschaften, Verbindlichkeiten - und um Aufträge.

Doch das scheint seit jeher ähnlich gewesen zu sein, weshalb wir uns detailliertere Ausführungen sparen, weil sie außerhalb der Szene ohnehin keinen interessieren. Viel interessanter und aufschlussreicher waren hingegen die Auftritte der offiziellen Prominenz aus der Politik, die, wie üblich, an in Floskeln gegossener Unbedarftheit nicht zu überbieten waren. Architektur wurde wieder einmal als Kunstform vorgeführt.

Die unter anderem auch für die offenbar noch als Randthema erachtete Architektur zuständige EU-Abgesandte demonstrierte ihr gründliches Desinteresse durch gelangweiltes Fußwippen und Den-Park-durch-Glasscheiben-Betrachten, während die neben ihr auf dem Podium versammelte Architektenschaft um Diskussionsinhalte rang. Zu Wort gekommen hob sie freundlich lächelnd zumalen die EU-weit steigende Bedeutung der „Creative Industries“ hervor, die immerhin im Schnitt mittlerweile 2,7 der Bruttoinlandsprodukte ausmachten.

Ja - und? Was hat das denn mit Architektur zu tun? Alles Werbegrafik, oder was? Wenn die EU-Architekturpolitik, so sie überhaupt über Preis-Sponsorentum hinausgeht, die Architektur in diese Ecke stellt, liegt sie komplett daneben. „Ich werde diese Debatte nun wie ein Investor anlegen“, witzelte denn auch Diskussionsleiter Burdett süffisant, „und kurzerhand auf einen 50-Prozent-Abschlag pochen. Die Redezeit wird ab sofort von fünf auf zweieinhalb Minuten herabgesetzt.“

Denn das ist die Sprache des Bauens heute, die jeder sprechen muss, der Fundamente in die Erde kriegen will. Und das ist das Thema, das die Architektur als Teil der Bauindustrie (jawohl) auch zu einem guten Teil zu interessieren hat, wenn nicht nur Häuser gebaut, sondern vernünftiger, sparsamer, funktionierender - und zuletzt auch noch „schöner“ Lebens- und Arbeitsraum geschaffen werden soll.

Ohne gute Auftraggeber, meinte etwa Ellen van Loon, Partnerin von Rem Koolhaas, sei da wenig auszurichten. Doch gerade auf dem privaten, nicht-kommunalen Sektor, so Burdett, habe man mittlerweile genau erkannt, dass Architektur als Investment zu betrachten sei, das in vielen, auch kommerziellen und in Geld zu messenden Bereichen als gut funktionierendes Betriebsmittel anzusehen sei. Tatsächlich wären heutzutage immer mehr Investoren schon allein aus kühl-betriebswirtschaftlicher Kalkulation heraus dazu bereit, für die Entstehungskosten um zehn bis im Extremfall 30 Prozent tiefer in die Tasche zu greifen. Ja, bitte, mehr davon.

Um einen zugegebenermaßen etwas abgedroschenen, aber bildhaften Vergleich anzustellen: Ein Haus kann wie ein vielleicht ganz prominent anzuschauender Oldtimer daherkommen, oder wie ein spritfressender Angeberbolide - jeder klar Denkende wird sich aber viel eher ein ökonomisch optimiertes, sparsames Gefährt zulegen, das noch dazu schnittig in der Kurve liegt und über ein verlässliches Navigationssystem verfügt.

Bei Gebäuden zahlen sich derlei Investitionen über den Lebenszyklus betrachtet in jedem Fall aus, wenn die internen Abläufe wie geschmiert funktionieren, die Betriebskosten niedrig bleiben und noch dazu die Atmosphäre dank geringerer CO2-Belastung aufatmen kann. Etwa 70 Prozent des CO2-Ausstoßes sind Immobilien anzulasten. Wann, wenn nicht jetzt, müssen Bauindustrie, Investoren - und die Politik darauf reagieren. Dass die Architektur in Kooperation mit einer guten Bauindustrie und verantwortungsbewussten Auftraggebern diese schwierige Aufgabe zu stemmen imstande ist, hat sie hinlänglich bewiesen.

Bleibt noch der Hinweis auf den ebenfalls am Montag verliehenen Preis für die besten Nachwuchsarchitekten Europas. Die kommen aus einem ganz jungen EU-Mitgliedsland, und zwar der Slowenien, heißen Matija Bevk und Vasa J. Perovic und haben der Mathematikfakultät der Universität in Ljubljana einen gekonnten Aufbau verpasst. „Wir sind glücklich über den Preis“, meinten die beiden, „wir wollen aber nicht vergessen, auf unsere Auftraggeber und die vielen Kollegen in unserem Land hinzuweisen, die alle um Qualität bemüht sind, was, wie wir genau wissen, nur gemeinsam geht.“

„Warum nur“, fragte sich Richard Burdett am Rande des Geschehens, „kriegen Preise wie dieser so große mediale Aufmerksamkeit, während die eigentlichen Anstrengungen und Leistungen der Architekten keinen so wirklich zu interessieren scheinen.“

teilen auf

Für den Beitrag verantwortlich: Der Standard

Ansprechpartner:in für diese Seite: nextroomoffice[at]nextroom.at