Bauwerk

Synagoge Graz
Ingrid Mayr, Jörg Mayr - Graz (A) - 2000

Umgang mit der Geschichte

Am 9. November wird die neue Grazer Synagoge übergeben. Als Illustration dazu gibt es in der Herz-Jesu-Kirche eine Ausstellung über die Geschichte der Juden in Graz.

30. Oktober 2000
An der Stelle der im Jahr 1938 zerstörten Grazer Synagoge wird am 9. November das wiedererrichtete neue jüdische Gebetshaus eingeweiht. Die Übergabe an die israelitische Kultusgemeinde erfolgt auf den Tag genau 62 Jahre nach der Progromnacht des 9. November 1938.
Zur Illustration dazu hat der Grazer Historiker Heimo Halbrainer in der Grazer Herz-Jesu-Kirche eine Ausstellung mit dem Titel „Die Synagogen in Graz“ zusammengestellt. Gezeigt werden zahlreiche Dokumenten und Bilder, die einen Überblick über die 800-jährige wechselvolle Geschichte der jüdischen Kultur in Graz - die auch eine Geschichte der antijüdischen Ressentiments ist - vermitteln.


Lange Tradition

Die neue Grazer Synagoge (Architekten Ingrid und Jörg Mayr) ist über den letzten Überresten ihres Vorgängerbaus errichtet worden. Der von den Nationalsozialisten zerstörte historizistische Bau aus dem Jahr 1882 war die erste Synagoge in Graz. Die Geschichte der jüdischen Grazer Bevölkerung reicht allerdings schon in die Mitte des 12. Jahrhunderts zurück: Um 1161 kam es laut Halbrainer wohl zum ersten Zuzug von Juden von Judendorf/Straßengel in das nahe gelegene Graz. Hundert Jahre später, 1261, findet das jüdische Viertel südlich des Hauptplatzes die erste urkundliche Erwähnung. Im Gassensystem zwischen der heutigen Jungfern-, Frauen- und Fischer-von-Erlach-Gasse lebten seit damals bis ins 15. Jahrhundert um die 200 Juden.


„Judenhauer“

Frühe antisemitische Übergriffe machten sich um 1397 bemerkbar als sich so genannte „Judenhauer“, eine aus allen Ständen gebildete Genossenschaft, formierten. Im Jahr 1438 gab schließlich Herzog Friedrich von Tirol, der für den minderjährigen späteren Kaiser Friedrich III. die Steiermark regierte, dem Drängen der zum Teil bei der jüdischen Bevölkerung schwer verschuldeten Randalierer nach und vertrieb alle jüdischen Glaubensgenossen aus Graz. Das jüdische Viertel wurde aufgelassen und von einer breiten Straße, der heutigen Herrengasse, durchzogen.


„Judensteuer“

Kaiser Friedrich III. holte schließlich die vertriebenen Juden wieder nach Graz zurück. Grund war laut Halbrainer die Einführung einer „Judensteuer“, deren Steuerforderung jene aller anderen Bürger in den steirischen Städten übertraf und so dem Kaiser zusätzliche Einnahmen erbrachte. Nach dem Tod des Kaisers und einem Aufsehen erregenden Schauprozess gegen einen Grazer Juden, dem man Urkundenfälschung vorwarf, kam es unter Friedrichs Sohn Maximilian zur zweiten Judenvertreibung in Graz. Seither war der dauernde Aufenthalt den Juden bis ins Jahr 1861 in Graz verboten.


Erlaubnis

Den zeitweiligen Aufenthalt von In- und Ausländern christlicher und anderer Religion - und somit auch den Juden - in seinem Reich erlaubte Kaiser Joseph II. durch sein Hofdekret aus dem Jahr 1783. Jüdische Händler konnten dadurch zumindest wieder Jahrmärkte zu Verkaufszwecken besuchen.


Judensperre

Die Revolution von 1848 brachte zwar die theoretische Gleichberechtigung und bürgerlichen Rechte für alle Staatsangehörigen unabhängig ihrer Religion, die entsprechenden Ausführungsbestimmungen fehlten allerdings, so dass jenen Juden, die sich auf die neue Verfassung beriefen und sich in Graz niederlassen wollten, der dauerhafte Aufenthalt weiterhin verwehrt wurde. Erst durch eine Statutenänderung der Stadt Graz im Jahr 1861 war es ihnen auch gesetzlich möglich, nicht nur „auf Durchreise“, sondern auch die Nacht über in Graz zu bleiben. 1867 erhielten die Juden Österreichs durch das Staatsgrundgesetz die volle rechtliche Gleichstellung.


Israelitsche Kooperation

Im Zuge der Industrialisierung kam es in den folgenden Jahren zu einem deutlichen Bevölkerungszuzug nach Graz, wobei auch ein Teil Juden waren: 1862 erhielt Ludwig Kadisch die Genehmigung in seinem koscher geführten Lokal in der Ägydigasse (heute steht dort das Post-Hochhaus) den Sabbat-Gottesdienst abhalten zu lassen. 1863 konstituierte sich die „Israelitische Kooperation“, ein Verein auf freiwilliger Basis, der sich die Errichtung jüdischer Infrastruktur zur Aufgabe machte und 1865 ihren ersten fixen Betraum (Zimmerplatzgasse/ Pestalozzigasse) einrichten konnte. Bis 1892, dem Jahr der Fertigstellung der von Architekt Maximilian Katscher geplanten Synagoge am rechten Murufer, sollte dort das Zentrum der jüdischen Grazer Bürger sein.


Beginn des Naziterrors

Nach dem Tod von Rabbi Samuel Mühsam - dem Promotor des Grazer Synagogenbaus - kam 1908 David Herzog als Landesrabbiner nach Graz. Zu dieser Zeit erreichte die jüdische Gemeinde ihren Höchststand von 1971 Mitgliedern, was 1,3 Prozent der Grazer Gesamtbevölkerung entsprach. Herzog wirkte auch als Universitätsdozent für hebräische und arabische Sprachen und wurde wie viele seiner jüdischen Mitbürger schon in der ersten Verhaftungswelle im März 1938 inhaftiert, konnte aber noch nach England fliehen, wo er 1946 in Oxford starb.


Vertreibungen

Im November 1938 erreichte der Nazi-Terror seinen ersten Höhepunkt. Die Synagoge und die Zeremonienhalle am israelitischen Friedhof wurden von SA-Männern zerstört und in Brand gesteckt. Über 300 Juden wurden ins KZ Dachau transportiert. Die noch in Graz lebende jüdische Bevölkerung (rund 300 Personen) wurde bis zum Frühjahr 1940 aus ihren Wohnungen vertrieben - und wenn sie nicht früh genug vor ihren Schergen fliehen konnten - verhaftet und nach Theresienstadt deportiert.


[Die Ausstellung „Die Synagogen in Graz“ ist bis zum 11. November in der Unterkirche der Grazer Herz-Jesu-Kirche, Sparbersbachgasse 58, 8010 Graz, zu sehen. Öffnungszeiten: Mo - Fr: 14.00 bis 18.00 Uhr, Sa: 9.00 bis 18.00 Uhr, So: 9.00 bis 12.00 Uhr. Freier Eintritt.]

teilen auf

Für den Beitrag verantwortlich: ORF.at

Ansprechpartner:in für diese Seite: nextroomoffice[at]nextroom.at

Akteure

Architektur

Bauherrschaft

Tragwerksplanung

Fotografie