Bauwerk

Kanzleramt
Schultes Frank Architekten - Berlin (D) - 2001
Kanzleramt, Foto: Jochen Helle / ARTUR IMAGES
Kanzleramt, Foto: Reinhard Görner / ARTUR IMAGES

„Kleiner hätte es auch getan“

Gerhard Schröder zieht in das ungeliebte neue Berliner Kanzleramt um

28. April 2001 - Alexandra Föderl-Schmid
Ab kommendem Montag wird vom neuen Berliner Kanzleramt aus Deutschland regiert. Heute, Freitag, beginnt eine Spedition damit, die rund 4000 Umzugskartons vom bisherigen provisorischen Amtssitz im DDR-Staatsratsgebäude, wo bereits Erich Honecker regiert hatte, ins etwa ein Kilometer entfernte neue Kanzleramt zu bringen. Zusätzlich folgen noch 2500 Laufmeter Akten, die in Bonn geblieben sind. Damit beginnt die letzte Etappe des 1999 begonnenen Regierungsumzugs.

Als der künftige Hausherr, Bundeskanzler Gerhard Schröder, zum ersten Mal das Gebäude besichtigte, das sein Vorgänger Helmut Kohl nach den Plänen von Axel Schultes bauen ließ, machte er aus seiner Abneigung kein Hehl: „Kleiner hätte es auch getan.“


Rot-Grün dominiert

So beginnt denn auch der Architekt bei einem Rundgang sich quasi für sein Werk zu entschuldigen. „Kohl hat sich von Anfang an ein solitäres Gebäude gewünscht.“ Da der Hausherr an dem vom Bauherrn ausgewählten Entwurf nichts mehr ändern kann, hat Schröder - und vor allem seine Ehefrau Doris - versucht, bei der Ausgestaltung eigene Akzente zu setzen.

Im Inneren dominieren die Farben Rot und Grün - als Symbol für das Regierungsbündnis. Der üppig eingesetzte italienische Marmor und die Lackierungen an Türen und Stahlträgern schimmern grün. Die Wände in Schröders Arbeitszimmer sind mit Rotbuche getäfelt, ebenso die Türen im Kanzleramt. Im Bankettsaal verweist Schultes auf die Sessel. „Wie sage ich das richtig? Das sind die Stühle, für die sich Frau Schröder entschieden hat“, meint er düster. Hier stehen nicht die von ihm gewünschten schwarzen Sessel, die blonde Kanzlergattin hatte champagnerfarbene durchgesetzt.

Umgebaut wird angeblich auch das WC in den Privaträumen des Kanzlers im achten Stock. Als Schröder das bis zum Fußboden laufende Fenster gesehen habe, soll er sein Recht auf Intimsphäre eingeklagt haben: „Sonst stehen dann die Leute im Tiergarten mit dem Feldstecher und beobachten mich.“

Auch unter den 450 Mitarbeitern ist kaum einer, dem das neue Domizil gefällt. Kritisiert wird auch, dass das Kanzleramt mit 3,25 Milliarden Schilling (254 Millionen Euro) um fast 500 Millionen Schilling teurer geworden ist als geplant.

Der Unmut macht dem Architekten sichtbar zu schaffen. Im Gespräch mit dem STANDARD lobt er die Rolle seines österreichischen Kollegen Gustav Peichl, der als Kohls Berater „eine wichtige Vermittlerfunktion zwischen Bundeskanzler und Architekt übernommen“ habe. Jemand, der für ihn als Vermittler zu Schröder auftreten würde, hat sich nicht gefunden. So ist Schultes auch erst nach langem Hin und Her erlaubt worden, bei der offiziellen Eröffnung des Kanzleramtes nächsten Mittwoch zu sprechen.

teilen auf

Für den Beitrag verantwortlich: Der Standard

Ansprechpartner:in für diese Seite: nextroomoffice[at]nextroom.at