Bauwerk

Grosses Nationaltheater
Paul Andreu - Peking (VRC) - 2007
Grosses Nationaltheater, Foto: Christian Richters / ARTUR IMAGES
Grosses Nationaltheater, Foto: Christian Richters / ARTUR IMAGES
Grosses Nationaltheater, Foto: Christian Richters / ARTUR IMAGES

Phönix oder Seifenblase?

Streit um den Bau des Pekinger Nationaltheaters

11. Juli 2000 - Marc Zitzmann
Im letzten Sommer hat der Pariser Architekt Paul Andreu eine internationale Konsultation gewonnen - als Wettbewerb war die nach chinesischen «Regeln» geführte Prozedur von der Union internationale des Architectes, die im Juni 1999 in Peking einen grossen Kongress abgehalten hatte, nicht anerkannt worden. Den Entwürfen von rund 70 Konkurrenten - darunter Terry Farrel, Hans Hollein, Arata Isozaki und Jean Nouvel - war Andreus Projekt für das «Grosse chinesische Nationaltheater» in der chinesischen Hauptstadt vorgezogen worden (NZZ 1. 10. 99). Der als Erbauer von Flughäfen wie Paris Charles-de-Gaulle, Manila und Qatar bekannt gewordene Architekt plant, eine grosse Oper (2500 Plätze), einen Konzertsaal und zwei Theater in einer riesigen Seifenblase aus Titan und Glas unterzubringen (Durchmesser: 150 Meter, Höhe: 37 Meter), die auf einem künstlichen See am Tiananmen-Platz schwimmt. Die im April dieses Jahres begonnenen Arbeiten sollen im Eiltempo bis 2002 durchgezogen werden, das endgültige grüne Licht steht allerdings noch aus.

Nun haben 114 chinesische Architekten eine Petition an den Präsidenten und an den Premierminister der Volksrepublik gerichtet (und, was eher unüblich ist, auch veröffentlicht), in der sie ihrer Befürchtung Ausdruck verleihen, die neue Oper werde zum «Gespött der Weltöffentlichkeit» werden. Ausserdem monieren sie die extrem hohen Kosten des Bauwerks (Andreu hat unlängst angegeben, das ursprüngliche Gesamtbudget von über 500 Millionen Franken werde wohl um 20 bis 25 Prozent erhöht werden müssen) sowie seine Konzeption, die, wie sie behaupten, «nicht neu» sei.

Tatsächlich hat der Franzose, der in China u. a. den Pudong-Flughafen in Schanghai und einen Sportkomplex in Kanton realisiert hat, zusammen mit Masakasu Bokura im Hafen von Osaka ein Meeresmuseum konzipiert, das in vielerlei Hinsicht dem geplanten Nationaltheater gleicht: eine Glas- und Metallsphäre, die auf dem Wasser schwimmt und über eine unterirdische Galerie zu erreichen ist. Zeigen wird sich, ob das Projekt wie ein Phönix aus allen Anfechtungen unversehrt hervorgehen oder den Weg der Seifenblase nehmen - und platzen wird.

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Für den Beitrag verantwortlich: Neue Zürcher Zeitung

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