Bauwerk

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deadline - Berlin (D)

Auf eigene Faust

Für ihr erstes Haus gaben sich deadline architects selbst den Auftrag und wurden zu Hoteliers

8. Januar 2005 - Oliver Elser
Die Spatzen pfeifen es von den Baugerüsten: Der Beruf des Architekten ist nicht mehr das, was er einmal war. Vor allem nicht in Berlin, wo sich nach der Euphorie der Nachwendejahre erst der Jammer über die konservativen Leitbilder des Stadtumbaus und seit der Jahrtausendwende dann eine lähmende Wirtschaftskrise breitmachte, die schließlich alle Architekten erfasste, ganz gleich wie modern oder auch nicht sie sich zuvor gebärdeten.

Aber die Symptome eines tiefgreifenden Wandels treten unter diesen Umständen nur besonders krass hervor. Auch in Österreich zeichnet sich ab, dass die Arbeitsbedingungen künftig andere sein werden. Architektur wird einerseits immer mehr zum Produkt, das sich jemand, der über genügend Kapital verfügt, so problemlos kaufen kann wie ein neues Auto. Immer weniger Auftraggeber sind bereit, in die Rolle des Bauherren zu schlüpfen, die traditionell mit viel Mühe verbunden ist. Sich klar werden, was eigentlich entstehen soll, in endlosen Gesprächen mit dem Architekten über die richtigen Wege zur Umsetzung zu streiten - all das wird zunehmend an Spezialfirmen ausgelagert, die damit für sich werben, dass sie nichts anderes tun, als erfahren, effizient und nervenschonend für alle Beteiligten ein Bauprojekt so einfach abzuwickeln wie einen Autokauf. Dass die Architektur bei einem so reibungslosen Verfahren leicht auf der Strecke bleibt, befürchten nicht wenige Architekten und versuchen, sich vom Ende der Befehlskette wieder ein paar Stufen nach vorne zu kämpfen. Immer mehr schreiben sich das Zauberwort „Consulting“ auf die Visitenkarten und hoffen, das an die mächtigen Projektentwickler verlorene Terrain wieder zurückzuerobern (siehe Oliver Schürer / Gordana Brandner: architektur:consulting, Verlag Birkhäuser 2004, € 24,50).

Bloß kann es gerade jungen Architekturbüros leicht passieren, dass sie zu diesem Spiel um sehr viel Geld erst gar nicht zugelassen werden. Die Zeiten, wo ein Wettbewerbsgewinn den Start ins Berufsleben markierte sind leider vorbei, da die Hürden zur Teilnahme massiv gestiegen sind und ebenso die Zahl der EU-weit antretenden Konkurrenten. Was also tun, wenn nach fünf Jahren intensivem Networking und der mittlerweile üblichen Selbstausbeutung in diversen Kunstprojekten noch immer kein Auftrag vor der Tür steht?

Britta Jürgens und Matthew Griffin, ein deutsch-kanadisches Architektenpaar mit Studienerfahrungen in Berlin (sie) und an der Architectural Association in London (er) hatten das Warten satt. Sie beschlossen, auf eigene Rechnung und Gefahr ein Grundstück zu kaufen und ihr eigener Projektentwickler, Bauherr und Architekt zu werden. In einem stark vom Klinikum Charité geprägten Teil von Berlin-Mitte entdeckten sie in einer vom Chic der Stehcafés, Galerien und Schuhgeschäfte noch weitgehend verschonten Hessischen Straße eine Lücke. Keine Baulücke im üblichen Sinne, sondern eine Durchfahrt zwischen zwei schlichten Wohnbauten der fünfziger Jahre, in der noch Reste eines Hinterhaustrakts standen. Dieser wurde im ersten Schritt saniert und für die eigenen Wohnbedürfnisse aufgestockt. Vorne an der Straße aber gab es einen neun Meter breiten Streifen, der ebenfalls bebaut werden durfte. Was heisst durfte - dort musste etwas hin, eine cash-cow am Besten, als Refinanzierung des Grundstückskaufs und natürlich auch als Visitenkarte und Referenz der Architekten. Ein Bürobau wurde diskutiert und verworfen. Aus der früheren Beschäftigung mit temporären Stadtnutzungen war die Idee noch im Kopf, dass es für die Nomaden der Neuzeit eine Zwischenform von Hotel und Appartement geben müsste, eine großzügige Wohnung für Arbeitsbesuche in einer anderen Stadt.

Also wurde „Bender“ mit acht Minilofts ausgestattet, zwei auf jeder Ebene, darüber, auf weiteren zwei Etagen, das Architekturbüro. Die zwischen 85 und 130 Quadratmeter großen Lofts können über die Webseite www.miniloft.com gebucht werden. Es gibt die Varianten „Classic“ (im rückwärtigen Altbau) oder „Ex-“ und „Introvertiert“ im Neubau, je nachdem ob man es schätzt, raumhohe Fenster auf der gesamten Längsseite der Raums zu haben oder lieber ein eher traditionelles Zimmer mit Ausblick. Die Preise scheinen im Vergleich zu Wien recht günstig, nur muss man wissen, dass der Berliner Hotelmarkt derart eingebrochen ist, dass die Differenzen zu einem 4-Sterne-Hotel minimal sind. Aber ein Hotel mit seinem globalisierten Standardkomfort ist eben etwas ganz anderes als ein Miniloft, wo auch im Neubau die Raumhöhe großzügige 3,80 Meter beträgt. Die Gäste wissen es anscheinend zu schätzen und bleiben durchschnittlich eine Woche.

Für Berliner Verhältnisse ist der Baukörper geradezu avantgardistisch. Dabei sei es ihnen doch darum gegangen, erklärt Matthew Griffin, in der Wahl der Materialien die Umgebung zu spiegeln. Die Haut aus ungeglätteten Edelstahlbahnen blitzt an den meisten Tagen des Jahres nicht frech hervor, sondern reflektiert den mehr oder minder grauen Berliner Himmel. Auch die seitlichen Aluminiumpaneele, deren Farbe der Hersteller als „Champagner“ bezeichnet, sind eine Referenz an den beigen DDR-Ton der Nachbarn.

Trotz aller Erfahrungen können sich deadline eine Zukunft als Projektentwickler allerdings nicht vorstellen. Nach „fünf schlaflosen Jahren“ sind sie froh, endlich wieder „nur Architektur“ machen zu können.

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