Bauwerk

UNIQA Tower
HNP architects ZT GmbH - Wien (A) - 2004
UNIQA Tower, Foto: Darren Penrose

Die Macht der Geste

Arbeiten muss man zwar auch hier noch, aber man tut es doch lieber in einer solchen Umgebung. Heinz Neumanns Uniqa-Tower am Wiener Donaukanal: ein Bericht aus der Büropraxis.

9. Oktober 2004 - Liesbeth Waechter-Böhm
Städtebaulich ist der Uniqa-Tower ein solches Schwergewicht, dass man durchaus gespalten darauf reagieren kann. Er markiert die Ecke Aspernbrückengasse/Untere Donaustraße, direkt am Donaukanal und gegenüber der (nicht unproblematisch) sanierten Urania. Er setzt da ein unheimlich dramatisches Zeichen, das einerseits mit dem Hollein-Hochhaus, andererseits mit dem von Kohlbauer aufgestockten Galaxie-Turm in Konkurrenz tritt und beide - trotz keineswegs größerer Höhe, wir reden von 75 Metern - in den Schatten stellt. Da kann man wirklich nur von einer machtvollen architektonischen Geste reden.

Wäre das Stadtbild in diesem Bereich nicht ohnehin schon durch alle möglichen Baumaßnahmen zur „Verschönerung“ des Donaukanalufers aufgeweicht, wer weiß, wie das Haus dann wirken würde. Es wäre vielleicht ein architektonischer Hammerschlag, der das gesamte Umgebungsbild zertrümmert. Davon kann aber unter heutigen Umständen keine Rede sein. Am Donaukanal wurde alles schon viel früher verpatzt, und damit quälen wir uns seither herum. Erst in der jüngsten Vergangenheit ist es besser geworden. Und ich glaube, der Uniqa-Tower ist architektonisch doch etwas so Besonderes, dass er zur Entwicklung der Situation am Donaukanal beiträgt.

Das Haus, von Heinz Neumann geplant, setzt einen neuen Merkpunkt in der Stadt. „Beim Uniqa-Tower“, „links vom Uniqa-Tower“ wird es künftig heißen. Neumann hat ziemlich weit ausgeholt, um seinem Bürohaus eine unverwechselbare Gestalt zu verleihen. Es gibt die scharfe Kante Richtung Stadt und das Ellipsoid, das den Altbau zumindest an den Seiten umfängt, und dann gibt es diese ganz starke Geste in den unmittelbaren Straßenraum hinein, an dieser für die Stadtsilhouette so wichtigen Ecke. Da schießen die extrem massiven Betonpfeiler, die das ganze Haus tragen, skulptural in die Höhe, da biegt sich die äußere Gebäudehaut irgendwie durch und hinauf, die Fassade entlang - ziemlich eindrucksvoll.

Man muss die richtigen Relationen herstellen. Fuksas zum Beispiel hat es bei seinen Twin-Towers - sehr zum Leidwesen der dort Beschäftigten - nicht geschafft, er hat in Kauf genommen, dass aus seiner zweischaligen Fassade eine simple, einfache Glashaut wird. Neumann hat sein Konzept gebaut. Und dieses Konzept leistet etwas. Es beginnt schon damit, dass die in den unteren Geschoßen so weit in den Straßenraum greifende äußere Glashaut funktionell begründet ist. Normalerweise würde man ja niemals solche Abstände zwischen äußerer und thermischer Gebäudehaut vorsehen: Hier wird aber ins darunter liegende Fitnesscenter Tageslicht transportiert, und das ist ein überzeugender Grund.

Das Haus reicht fünf Geschoße in die Tiefe und 22 in die Höhe - da sind das Erdgeschoß und die Skylobby im 21. Obergeschoß eingeschlossen. Es hat eine flächenmäßig zwar vergleichsweise kleine Eingangshalle, wenn man bedenkt, dass es für immerhin 1100 Mitarbeiter ausgelegt ist und dass über diese Halle auch Nutzungen - Fitnesscenter, Bank, Kaffeehaus, Restaurant - erschlossen sind, zu denen jedermann Zutritt hat. Trotzdem scheint diese Halle ausgezeichnet zu funktionieren und bietet auch atmosphärisch so etwas wie Großzügigkeit. Das dürfte zumindest teilweise an der Raumhöhe liegen - der Raum umfasst immerhin vier Geschoße und öffnet sich über ein eingeschnittenes, verglastes Atrium über die volle Gebäudehöhe -, außerdem ist diese Halle aber auch rundum transparent und in mehrere Richtungen offen. Richtung Außenraum sorgt die Glashaut dafür, im Inneren sind es Ausblicke, Durchblicke und Wegführungen. Kaum steht man vor dem Empfang, kann man sich auch schon orientieren. Links geht es zur Bank und hinunter zum Fitnesscenter, rechts geht es zum Kaffeehaus und weiter ins Restaurant.

Dieses Restaurant ist ein architektonisches Gustostück. Es liegt im Hof zwischen Neubau und Altbau und ist spektakulär glasüberdacht. Man könnte auch vermuten, Heinz Neumann habe mit dem Bleistift sein Spiel getrieben und sei jetzt womöglich selbst überrascht, dass seine Skizze tatsächlich gebaut wurde. 350 unterschiedliche Glasscheiben - das Dach ist in jede Richtung irgendwie „verwunden“ - kann ein Architekt nur selten durchsetzen. Aber über Mangel an Verständnis bei der Bauherrschaft beklagt sich Neumann sowieso nicht.

Er konnte Bemerkenswertes realisieren. Das fängt schon außen, an der weit ausgreifenden Glashaut an, wo er gebogene Gläser gebraucht hat, um den Fassadenschwung nicht zu zerstückeln, sondern in einer eleganten Bewegung umzusetzen. Das geht weiter über die - ziemlich gewaltigen - Stahlbetonstützen mit ihren aufwendig gestockten Oberflächen bis hin zu den Granitoberflächen in der Eingangshalle, den Holzoberflächen in Olive und der Möblierung des Kaffeehauses. Setzen wir fort: Wir kommen hinein in die elegantesten (und frauenfreundlichsten) Toilettenanlagen, die ich je in einem Bürohaus gesehen habe, und haben es etwa im Restaurantbereich mit den edelsten Alcantara-Oberflächen zu tun, die sich nur denken lassen. Überhaupt lässt sich der Restaurantbereich durch Wegschieben der Kücheneinheiten, durch ein paar Drehmanöver bei den Wänden problemlos in einen Veranstaltungsraumverwandeln, der höchsten Ansprüchen genügt.

Es wird aber nicht nur in dieser öffentlichen/halböffentlichen Zone etwas geboten. Die Arbeitssituation im Haus ist ebenfalls durchgehend privilegiert. Gut, man kann einwenden, dass es bis sehr weit hinauf in der Gebäudehöhe und - parallel dazu - in der Unternehmenshierarchie Großbüros sind, in denen sich die Mitarbeiter einrichten müssen. Das mag nicht jedermanns Sache sein. Ich glaube aber, dass man sich daran gewöhnt, vor allem wenn man einen so spektakulären Ausblick von seinem Arbeitsplatz hat, wie das hier der Fall ist. Der Ausstattungsanspruch in dieser Bürowelt ist auch so konsequent durchgehalten, dass der Arbeitsalltag zweifellos profitiert. Arbeiten muss man trotzdem noch, aber man tut es doch lieber in einer solchen Umgebung.

Das Haus hat eine Skylobby in Verbindung mit einer Dachterrasse und auf den zwei Geschoßen darunter die Büroräume für das Topmanagement. Da galten Sonderkonditionen, aus denen jeder wahlweise seinen Maßanzug heraussuchen konnte; da sind auch Besprechungseinheiten, die sich rigoros abschließen lassen; da kann man aber auch alles wegräumen und aus den Tischen in den Konferenzzonen eine große Tafel bilden.

Der Uniqa-Tower ist als aufsehenerregende Zentrale für ein großes Unternehmen konzipiert. Und das auf dem letzten technischen Stand. Das hat Vorteile - in Sachen Energieverbrauch zum Beispiel, da wurde kein Aufwand gescheut -, es zeigt aber auch, wo wir Grenzen akzeptieren müssen. Dass man den Blendschutz nur via Computer hochfahren kann und es keine Lichtschalter mehr gibt - auch dafür braucht man den Computer -, das ist zwar High-Tech, aber an den Nutzern vorbeigedacht. Ebenso wie das papierlose Büro. Neumann hat in letzter Minute noch wandfüllende Einbauschränke eingebaut. Sie sind prall gefüllt mit Ordnern. Manchmal ist die alte Methode eben doch die praktikablere.

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