Bauwerk

UNIQA Tower
HNP architects ZT GmbH - Wien (A) - 2004
UNIQA Tower, Foto: Darren Penrose

Heiß wie in Jo'burg

BAUKASTEN Anmerkungen zur Architektur. Diesmal: Eine Ausstellung dokumentiert die Hitze in den Hütten südafrikanischer Townships, und auch ein neues Hochhaus am Wiener Donaukanal leidet unter bauklimatologischen Problemen.

11. August 2004 - Jan Tabor
Vor wenigen Monaten, im Frühjahr 2004, erlebten die Bewohner der Blechhüttensiedlung Orange Farm an der Peripherie von Johannesburg etwas, was sie sich zuvor wohl kaum vorzustellen wagten. „Oh look the whites! They are working for the blacks! Usually the uMlungus', the white people, say Hey black, take a hammer, do this, do that'“, riefen sie entzückt aus. „I am very excited about what is happening“, kommentiert Thandi Mjiyakho Kyoka, die Leiterin der Behindertenorganisation Modimo o Moholo, das einzigartige Ereignis. „Really, I don't know how to explain.“

Die uMlungus, die den Schwarzen von Orange Farm dieses Erlebnis sondergleichen bescherten, waren 26 Studentinnen und Studenten der Technischen Universität in Wien, Abteilung Wohnbau + Entwerfen. Sie waren angereist, um unter der Leitung von Peter Fattinger, Sabine Gretner und Franziska Orso zwei Gebäude zu errichten. Das eine ist ein Mehrzweckhaus für das Masibambane College, das zum Beispiel als Wohnstätte für die Gastlehrer dienen kann. Das Masibambane College ist eine Volksschule, aus Anlass der ersten freien Wahlen in Südafrika nach dem Ende der Apartheid 1994 von Christoph Chorherr und Helmut Zilk gemeinsam initiiert und von der Stadt Wien finanziert. Es dient außerdem als Gemeindezentrum. Das andere Gebäude, das von den Studenten ebenfalls aus einfach zu beschaffendem Baumaterial in Selbstbauweise innerhalb von fünf Wochen errichtet wurde, ist eine Tagesheimstätte mit geschützter Werkstatt für die Behindertenorganisation Modimo o Moholo.

Die TU-Studenten haben den Bewohnern von Orange Farm das Erlebnis ihres Lebens und zwei nützliche Häuser beschert und dem Architekturzentrum Wien die seit langem wichtigste, interessanteste und wahrscheinlich auch wirksamste Ausstellung über eine der spannendsten Städte der Welt. „JO'BURG NOW! Baustelle Südafrika“ enthält, als erweiterte Version jener Ausstellung, die bereits auf der fünften Architektur-Biennale in Saõ Paulo gezeigt wurde, kongeniale Ergänzungen der Dokumentation des außerordentlich erfreulichen TU-Studentenprojektes. Zusammengestellt wurde sie von einem Team junger, engagierter Architekten, die in Johannesburg leben und arbeiten, und dem auch Anne Graupner angehört, eine aus Österreich stammende Absolventin der Universität für angewandte Kunst.

Johannesburg entstand 1886, als hier Goldvorkommen entdeckt wurden. Obwohl die Goldminen keine wichtige Rolle mehr spielen, ist Jo'burg mittlerweile das wichtigste Wirtschaftszentrum Südafrikas geworden. Dennoch ist es eine Goldgräberstadt geblieben. Eine Metropole, die während ihrer Geschichte vier Mal von Grund auf umgebaut wurde und sich weiterhin in einem rasanten stetigen Umwandlungsprozess befindet. Das Hauptproblem für die Stadtplaner sei es, demokratische Strukturen zu schaffen, die der Stadt weiterhin vollkommen fehlen, meint Anne Graupner. Damit ist nicht nur die soziale Infrastruktur gemeint, sondern auch die Beschaffenheit des öffentlichen Raumes, der den Schwarzen bis 1994 verweigert wurde.

In Joannna, Joostes, eMjivu, Goudstad, eGoli, Jopies, Jozi, Kwandonga oder eben Jo'burg - 27 verschiedene Ortsnamen werden auf der Ausstellungstafel im Hof des AzW aufgezählt - gibt es 3,2 Millionen Menschen. 74 Prozent davon sind Schwarze, und die meisten leben in Townships wie etwa dem berüchtigten Schwarzenghetto Soweto oder Orange Farm, in aus Abfallmaterial selbst gebauten Blechhütten, die nur 15 Quadratmeter groß sind und bunt und eindrucksvoll wie die Materialcollagen des Nouveau Réalisme. Nur ein Drittel dieser Behausungen hat einen Wasseranschluss, aber sechzig Prozent einen Fernseher.

Die Hütten, Shacks genannt, seien furchtbar heiß, sagt Franziska Orso. Extrem heiß. Wie heiß, das können die Ausstellungsbesucher selbst erfahren. Auf dem AzW-Hof wurde eine Blechhütte nachgebaut.

Kürzlich wurde das Uniqa-Hochhaus, das wie eine schlecht gedrehte und zusammengeklebte Papiertüte aussieht, eröffnet. Weil der Neubau an einer überaus prominenten Stelle entstehen sollte, am Kopf der Aspernbrücke und in der Sichtachse des Stubenringes, wurde uns, der Allgemeinheit in Wien, die Einrichtung eines öffentlichen Raumes versprochen, der draußen beginnen und im Inneren fortgesetzt werden sollte. Eine Art Passage. Daraus ist fast nichts geworden.

Tatsächlich ist es zu einer Erweiterung des Straßenraumes gekommen, aber keiner wirklichen, echt öffentlichen. Kein Vergleich mit jenen kleinen, freien Plätzen und platzartigen Hallen oder Passagen, die in New York zuerst vorgeschrieben wurden und nun eine Selbstverständlichkeit bei Hochhaus-Neubauten geworden sind.

Unterhalb des Wiener Gebäudes sind Freiflächen entstanden, die vor allem als Vorplatz des weithin protzenden Versicherungspalastes dienen. Die Gestaltung ist von der selektierenden Art. Hält man sich hier ein wenig länger auf, so kommt man sich wie ein Eindringling in fremdes Revier vor.

Draußen auf dem Vorplatz ist es (am 5. August 2004) fürchterlich heiß. So heiß, wie es in derart beschaffenen Hochhäusern in der Regel zu sein pflegt. Ein wohl bekanntes bauklimatologisches Problem. Drinnen im Foyer, unter und hinter der riesigen schrägen, doppelschaligen Dachwand, ist es kühl (die Klimaanlage läuft) und auch sonst angenehm. Den Architekten Heinz Neumann und Erik Steiner, die mit der selbst kreierten unmöglichen Form eines sich spiralförmig öffnenden elliptischen Zylinders hart und letztlich erfolglos zu kämpfen hatten, ist das Foyer überaus gut gelungen. Es ist geräumiger und großzügiger als in Wien üblich. Die mächtigen Stahlbetonpfeiler kontrastieren mit dem Glas der Innenfassaden. Die Farben, hauptsächlich helle Grautöne, sind gut gewählt und fein abgestimmt. Das trifft auch auf das äußere Erscheinungsbild zu, wodurch die offensichtliche Fragwürdigkeit der Gebäudeform - die man immerhin als gewagt bezeichnen kann - abgemildert wird. Diese Form, so ein Gerücht, sei von dem Uniqa-Logo, das an eine Lassoschlinge erinnert, abgeleitet. Das dürfte stimmten. Die Schlinge setzt sich auch in dem elliptischen Innenraum des Foyers und der Lobbytheke fort.

Dort gibt eine kleine Cafeteria. Ihre Betreiber sprachen (am heißen Nachmittag des 5. August 2004) untereinander italienisch. Der Kaffee ist hervorragend. Die Sessel sind spiralförmig geformt. Die Atmosphäre ist mondän. Es gibt einen schönen Blick auf den Aspernplatz und die vortrefflich renovierte Urania mit ihrer elliptischen Form und ihren mächtigen spiralförmigen Rampen. Von hier besehen, erscheint die Urania als hauptsächliche Inspirationsquelle für die gewagte Form. Von hier besehen, stellt man erfreut fest: Der Neubau trägt doch wesentlich dazu bei, dass die trostlose Hinterhofsituation am Donaukanal verschwindet. Dass das neue Bürohaus am Donaukanal fast eine Sehenswürdigkeit ist.

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