Bauwerk

Onkel Freds Hütte
HERTL.ARCHITEKTEN - Steyr (A) - 2005

Dem Nachbarn so nah

Seit Schrebergärten in Wien ganzjährig bewohnt werden dürfen, entstehen immer mehr von Architekten geplante Kleingartenwohnhäuser. Auch in anderen Städten finden Bauherren Geschmack am Minihaus aus Architektenhand. Schönes Beispiel: Onkel Freds Hütte in Steyr.

15. April 2006 - Anne Isopp
So sieht Luxus aus: In einem eigenen Haus mit Garten wohnen, viel Grün drum herum und eine U-Bahn-Station in der Nähe. Die Vor- und Nachteile von Stadt und Land gegeneinander abzuwägen - das steht für viele, spätestens wenn Kinder da sind, auf dem Programm. Die Wiener Kleingärten bieten hier einen guten Kompromiss: Die 32.000 Schrebergärten, die es in Wien gibt, bilden einen grünen Gürtel um die Stadt. Sie sind zentral gelegen und haben gleichzeitig etwas von einer ländlichen Idylle. Von der einen oder anderen Parzelle hat man zudem einen herrlichen Blick auf die Stadt. Seit in Wien das ganzjährige Wohnen in diesen Oasen erlaubt ist, haben viele das Sommerhaus zu ihrer Dauerresidenz gemacht: Bereits mehr als 20.000 Kleingärten wurden für ganzjähriges Wohnen umgewidmet.

Um die Umwidmung müssen sich die Siedlungen kümmern - Voraussetzung sind Infrastrukturmaßnahmen wie Kanalanschluss und Winterwasserleitung. Aber auch dann gelten einschränkende Baubestimmungen. Laut Wiener Kleingartengesetz dürfen die in Kleingärten errichteten Gebäude 50 Quadratmeter Grundfläche, eine durchschnittliche Fassadenhöhe von 5,5 Metern und eine Kubatur von 250 Kubikmetern nicht überschreiten. Das sind zumindest 15 Quadratmeter mehr als zu Zeiten der reinen Sommernutzung.

Enges Planungskorsett

Immer mehr der neu errichteten Objekte beruhen dabei auf Architektenplanungen. Vor allem junge Architekten nehmen sich dieser ungewöhnlichen Bauaufgabe an. Die strengen Auflagen scheinen ihre Fantasie zu beflügeln: Innerhalb des engen Korsetts entwickeln sie raffinierte Raumlösungen.

Ist ein Haus fertig gestellt, kommen oft Folgeaufträge. Denn zum einen sind die Bauaktivitäten seit der Novellierung des Kleingartengesetzes enorm. Zum anderen gilt im Schrebergarten nach wie vor: Es wird genau beobachtet, was in der Nachbarschaft passiert.

„In der Kleingartensiedlung ist alles sehr nah“, weiß auch Architekt Gernot Hertl. Deshalb habe er bei dem von ihm geplanten Kleingartenhaus in Steyr die Ausblicke sehr genau gewählt. „Onkel Freds Hütte“ ist ein Holzhaus mit nur wenigen Öffnungen. Der Namen kommt nicht von ungefähr: Der Bauherr ist wirklich der Onkel des Architekten, und der Bau hat in seiner Kompaktheit und Materialität auch etwas von einer Hütte.

Der Unterschied zu Wiener Kleingärten: Das Haus darf nicht als Hauptwohnsitz genutzt werden und die bebaute Fläche 35 Quadratmeter nicht überschreiten. Dazu kam, dass der Bauherr ein Passivhaus wünschte, was dickere Wandstärken mit sich brachte und die Nutzfläche schrumpfte.

„In Japan hat ein Hotelzimmer zehn Quadratmeter inklusive Badezimmer“, erzählt Alfred Hertl, der Herr der Hütte. Etwa die Hälfte des Jahres ist er beruflich im asiatischen Raum unterwegs und das Leben auf kleinstem Raum gewöhnt. Zudem ist Minimalismus für ihn eine Form der Lebenseinstellung.

Wohnen in der Wanne

Das Haus ist in eine Wanne aus Beton gestellt, die um 1,2 Meter in den Boden versenkt wurde. „Sie dient dazu, den imaginären Wohnraum zu vergrößern“, sagt Gernot Hertl. Der Wohnraum definiert sich nicht über die Gebäudehülle, sondern über die Wanne, die den Terrassenbereich räumlich mit einfasst. Über eine Treppe läuft diese in den eigentlichen Garten aus.

Ein weiterer Kunstgriff des Architekten, jede Form der Einengung zu vermeiden, ist die Decke im Wohnraum, die vor der Glasfassade nach oben verspringt und damit den Ausblick vergrößert. Eine Treppe im Inneren verbindet die beiden Geschoße und trennt zugleich die rückwärtig liegende Küche und das Bad vom Wohn- und Schlafraum ab.

Da Hertl die Parzelle nur gepachtet hat, kann man das Haus aus Holzfertigteilwänden bei Bedarf leicht wieder abbauen. Vorerst aber genießt der Bauherr im Sommer sein Gartenreich und im Winter die ihn umgebende Ruhe.

In Wien ist die Winterruhe in den Schrebergärten längst passé: Immer weniger Siedler nutzen ihre Grundstücke lediglich in den Sommermonaten. Und da man die Parzellen, sobald sie umgewidmet sind, käuflich erwerben kann, ist auch das Miteinander, das vorher durch die Vereinszugehörigkeit geprägt war, ein weniger enges.

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