Bauwerk

Diözesanbibliothek
Max Dudler - Münster (D) - 2005

Zusammenklang von Alt und Neu

Max Dudlers Diözesanbibliothek in Münster

24. Januar 2006 - Klaus Englert
Wenn man vom Ruhrgebiet ins westfälische Münster fährt, ist man immer wieder aufs Neue überrascht von dieser Schatzkammer des Mittelalters. Der romanisch-gotische Dom und das Rathaus aus der Zeit der Hochgotik gehören zu den Juwelen der Stadt. Doch Münster hat sich nicht zur Musealisierung seiner Innenstadt entschlossen. So konnte der Schweizer Architekt Max Dudler in unmittelbarer Nähe des Doms drei Neubauten für das Bischöfliche Generalvikariat errichten. Der Ort im Zentrum der Altstadt wird dominiert vom hoch aufragenden Turm der gotischen Liebfrauenkirche Überwasser und dem langgestreckten Gebäude des Priesterseminars. Der Wettbewerb sah die Erweiterung des vorhandenen Ensembles vor mit der parallel zum Seminargebäude zu errichtenden Diözesanbibliothek und zwei zusätzlichen Baukörpern für Büros.

Stadträumliche Konzeption

Der 1949 in Altenrhein im St. Galler Rheintal geborene Dudler löste die Aufgabe mit jener Selbstverständlichkeit, mit der er vor wenigen Jahren in Bonn das monumental wirkende Gebäude für die Hochschulrektorenkonferenz errichtete. In beiden Fällen wählte er einen rationalistischen Raster, der gleichermassen Fassade und Grundriss bestimmt. Auch die viergeschossige Lochfassade, welche durch hohe, rhythmisierte Fensterschlitze geprägt ist, findet sich in Münster wieder. Trotz dem gleichen Grundvokabular ist die Bibliothek alles andere als eine Kopie des Bonner Verwaltungsgebäudes. Wer solches vorschnell vermutet, verkennt die Sensibilität Dudlers für die jeweils unterschiedlichen urbanen Zusammenhänge.

Dem neuen Gebäudeensemble aus Diözesanbibliothek und Büroriegel liegt nämlich eine klare stadträumliche Konzeption zugrunde, die sich aus der axialen Ausrichtung der parallel zum Seminargebäude errichteten, langgestreckten Bibliothek ergibt. Dudler suchte mit der Traufhöhe und der Auswahl des örtlichen Sandsteins den Dialog zum Nachbargebäude. Die neuen Bürobauten, die sich um einen rückwärtigen Flügelbau gruppieren, variierte er in den Proportionen, wodurch ihm eine Anpassung von neuer und alter Bausubstanz gelang. Dudler besann sich sogar auf die Tradition des Klosterbaus und fügte den neuen Blocks Höfe an, die zu einer merklichen Auflockerung des Ensembles beitragen. Neben dem alten Flügelbau, der eine kleine Kapelle beherbergt, liess er sogar einen modernen Kreuzgang errichten, der in seiner minimalistischen Strenge wohl einzigartig ist.

Zwar wird den Bauten Dudlers oft ein Hang zur monumentalen Geste nachgesagt, doch gerade im Münsteraner Ensemble vermeidet Dudler zum Glück den rigiden Monumentalismus seines Lehrers Oswald Mathias Ungers, der allzu häufig wie eine starre Umsetzung palladianischer Ideale wirkt. Dudler lässt sich von derlei Ideen nicht beirren. In den Bauten von Münster vereint sich das rationalistische Vorbild Ungers' mit Schweizer Einfachheit zu einem Minimalismus, der sich den funktionalen Erfordernissen bestens anpasst. In der Diözesanbibliothek gibt es kein Detail, das störend oder überflüssig wäre. Selbst die in die Wand eingelassenen Handläufe des Treppenhauses fügen sich nahtlos ins architektonische Konzept ein und wirken dabei unauffällig. Alles andere würde die Wahrnehmung der geometrischen Kubatur des Raums beeinträchtigen.
Transparenz

Vorzüglich gelang Dudler die Gestaltung des schlauchförmigen Bibliothekssaals, der beim ersten Anblick fast wie eine Offenbarung wirkt. Als scharfen Kontrast zur kalten Natursteinfassade wählte er hier den warmen Ton der Eichenholzverkleidung. Der traditionelle Baustoff beherrscht den Lesesaal und die als Galerietrakt angegliederte Präsenzbibliothek, eine Welt des Wissens, die sich quasi in einen Weltinnenraum zurückgezogen hat.

Und doch ist die Bibliothek kein zurückgezogener Ort wie jene Klosterbibliotheken, wo sich die Mönche in die heiligen Schriften versenkten. Die Diözesanbibliothek erscheint zugleich als sakraler und säkularer Ort - hermetisch abgeschirmt und doch mit der Aussenwelt kommunizierend. Dieses prima vista eher abweisend wirkende Gebäude überrascht nämlich durch eine Transparenz, die Blickkontakte zwischen innen und aussen ermöglicht.

Das Aufbrechen der Monumentalität durch die Herstellung von Kontakten zwischen dem Innen und dem Aussen scheint Max Dudler immer wieder zu faszinieren. Dabei könnte das gerade eröffnete Museum Ritter im schwäbischen Waldenbuch andeuten, welche Entwicklung von Dudlers Architektur in Zukunft zu erwarten ist.

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Für den Beitrag verantwortlich: Neue Zürcher Zeitung

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